Читать книгу Marder ahoi! Eine mörderische Kreuzfahrt - Kirsten Klein - Страница 8

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Durch die Ritzen im Rollo fällt nur ein graues Licht ins Schlafzimmer. Zwar schläft Lady selten durch, aber so oft wie in dieser Nacht ist sie noch nie aufgewacht. Besorgt verfolgt sie, wie der dämmrige Lichtschein allmählich über Sophias Kinn hinwegwandert. Gleich erwischt er ihre ohnehin schon zuckenden Lider.

Soll Lady ihren Platz zwischen den beiden Turteltäubchen verlassen? Ihr bleibt wohl nichts anderes übrig, wenn sie verhindern will, dass Sophia aufwacht, und das will sie auf jeden Fall!

Zitternd vor lauter Vorsicht, steigt sie über Sophias linken Arm hinweg, der auf Antons Bauch liegt, und positioniert sich direkt zwischen dem Fenster und Sophias Gesicht auf dem Kopfkissen. Sanft bläst ihr der Atem der Schlafenden in den Rücken. Nur gut, denkt Lady, dass ich mir mein angestammtes Recht, im Bett zu schlafen, zurückerobert habe. Sonst wäre ich jetzt machtlos. Kaum hat sie sich zusammengerollt und die Nase zwischen den Fransen ihres Schwänzchens versenkt, da fällt es ihr siedend heiß ein: der Wecker, wenn sie den Wecker gestellt haben... Normalerweise vermeiden sie das, denn zu einer der wenigen Gemeinsamkeiten von Sophia und Anton gehört die Abneigung gegen Weckgeräusche. Heute jedoch wollen sie auf gar keinen Fall verschlafen und die Abfahrt ihres Luxusliners verpassen. Argwöhnisch schielt Lady zu ihrem Feind auf dem Nachttisch. Wie kann sie ihn bloß unschädlich machen?

Ganz langsam lässt sich Lady aus dem Bett gleiten, stellt sich auf die Hinterbeine und nimmt den Wecker zwischen die Zähne. Zum Glück passt er gerade noch in ihre Schnauze. Dann trippelt sie damit aus dem Zimmer, zum Wintergarten am anderen Ende der Villa, und verbuddelt ihn im tiefsten Topf der höchsten Palme. „So“, betrachtet sie zufrieden ihr Werk, „hier kann er von mir aus schreien. Kein Mensch wird ihn hören.“

Derweil ist es draußen merklich heller geworden. Die Lichtstrahlen! Sie dürfen Sophia nicht wecken! In Windeseile sprintet Lady zurück ins Schlafzimmer, hechelt vor Aufregung. Kommt sie etwa zu spät?

Sophia räkelt sich im Schlaf, reibt sich die Augen, und dreht sich auf die andere Seite – zu Anton. Das passt Lady natürlich auch nicht. Vom Fußende aus springt sie ins Bett, robbt auf dem Bauch zwischen die beiden und erstarrt schier zum Plüschhund. Keiner rührt sich. Lady atmet ein wenig auf. Nein, das Leben mit den Zweibeinern ist wahrlich nicht einfach. Erschöpft döst sie vor sich hin – bereit, beim geringsten Alarmsignal hellwach zu sein.

Von draußen dringt Vogelgezwitscher in ihre Ohren. Die Hündin weiß, Menschen hören schlecht, aber trotzdem... Dieses verflixte Geflügel soll gefälligst die Schnäbel halten! Wenn sie wenigstens ein warnendes Knurren von sich geben könnte, aber das wäre zu riskant, so dicht bei den Schlafenden. Lady fallen die Augen zu. „Nein, Sophia“, winselt sie vor sich hin, „es ist die Nachtigall und nicht die Lerche. Schlaf nur ruhig, schlaf.“

Wie wunderbar weich es unter ihr ist! Lady liegt auf einer Wiese am Waldrand und streckt behaglich alle Viere von sich. Dann dreht sie den Kopf und sieht belustigt ihrem Schwänzchen zu, wie es herausfordernd vor dem blauen Himmel hin und her wedelt. Sie springt auf, jagt es, schnappt danach, dreht sich im Kreis, bis sie hinfällt. Neben ihr erklingt Sophias helles Lachen.„Komm weiter, Lady!“, ruft sie und spaziert in den Wald. Die Hündin springt begeistert hinterher, sucht Stöckchen und lässt sie sich von Sophia werfen. Wie herrlich! Sie haben das blöde Schiff verpasst. Dort gibt es keine Stöckchen, keine taunassen Wiesen, die nach Erde duften und nach Mäusen – keine Bäume mit pinkelfrischen Liebesbriefen von Felix, dem charmanten Border Collie.

Von fern mischt sich ein Misston in Ladys Idylle. Nun ja, kein Paradies ohne Schlange beziehungsweise Waldarbeiter. Sie lassen wieder mal ihre Sägen heulen. Lauthals protestiert Lady dagegen. Wer weiß, vielleicht kann sie irgendwann doch mal einen dieser Störenfriede vertreiben. „Positiv denken“, sagt Sophia immer.

Da sieht Lady den Kerl auch schon. Er setzt einer Eiche zu, ausgerechnet Felix' Lieblingseiche. Womöglich haftet an ihrem Stamm noch ein Hauch seiner letzten Liebeserklärung an sie. Immer eindringlicher brummt die Säge. In großem Bogen will Lady daran vorbeiflitzen, da dreht der Holzfäller sich plötzlich zu ihr um und grinst sie an. Der Schreck dringt ihr bis ins Mark. Es ist Anton. „Was suchst du schon wieder hier? Geh' hin, wo der Pfeffer wächst“, zischt er ihr zu.

Lady weiß nicht, was überwiegt, ihr Entsetzen oder ihre Wut. So leicht lässt sich ein Chihuahua nicht ins Boxhorn jagen!Außerdem weiß sie gar nicht, wo der Pfeffer wächst. Also holt sie Luft und kläfft ihn an.

Da hört sie Sophia neben sich fragen: „Wie spät ist es? Oh nein, schon ganz hell draußen!“

Ehe Lady klar wird, dass sie geträumt und den schnarchenden Anton durch ihr Gekläff geweckt hat, springen er und Sophia aus den Federn. Vor Zorn auf sich selbst, beißt sich die Hündin jetzt tatsächlich in den Schwanz.

Sophia und Anton hüpfen in ihre Klamotten. Sophia klemmt

sich Lady unter den Arm und schnappt sich mit der anderen Hand einen der vielen Koffer, während Anton ein Taxi ruft und flucht.

„Wir schaffen's schon noch“, stößt Sophia atemlos hervor,„positiv denken, immer positiv denken!“

Lady strampelt, weil Sophia sie in ihrem Eifer ein bisschen zu sehr an sich drückt, und quietscht. „Positiv denken – manchmal verstehen wir beide darunter halt doch zweierlei.“

Marder ahoi! Eine mörderische Kreuzfahrt

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