Читать книгу Wenn ich wär, wie ich nicht bin - Kirsten Steineckert - Страница 11

SCHWÄNZEN

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So ab der 2. Klasse verspürte ich – wie Millionen anderer Kinder – nicht immer Lust darauf, jeden Morgen in die Schule zu gehen. So kam auch ich, wie Generationen vor und nach mir, auf die glorreiche Idee, Bauch-, Kopf- oder sonstige Schmerzen zu erfinden. Morgens gejammert half für den ganzen Tag.

Natürlich durfte ich zu Hause bleiben und als erstes war Fiebermessen dran. Was wenig brachte, da ich erst mit 12 Jahren herausfand, dass neben einem geheizten Ofen Fieber zu messen sehr viel sicherer war. In den Jahren bis dahin musste ich mit Bauchschmerzen mein Glück versuchen. Zu meinem Leidwesen glaubte mir meine Mutter nicht immer. Manchmal hat sie Gnade vor Recht ergehen lassen und ich durfte zu Hause bleiben, das aber nur, wenn keine wichtigen Arbeiten anstanden.

Aber meine kluge Mutter hatte eine wunderbare Idee. Sie schenkte mir einen Tag im Jahr, an dem ich ohne Ausreden zu Hause bleiben dürfte. Einfach so. Ab diesem Zeitpunkt überlegte ich jedes Mal, wenn mich die Lust am Schwänzen überkam, ob ich diesen Tag nehmen solle. Aber ... Was wäre, wenn dann noch so ein Tag käme, an dem die Lust aufs Schwänzen viel größer wäre? Und dann wäre der Tag weg! Nein, so hob ich ihn mir jedes Mal wieder auf. Ich kann mich nicht erinnern, ihn je genutzt zu haben. Es hätte ja immer noch ein besserer Tag kommen können.

Mein Mann bot mir vor 2 Jahren an, dass er mir einen großen ganz besonderen Wunsch erfüllen wolle. Mir fiel bisher keiner ein, der so besonders wäre, dass ich ihn einlösen wollte. Dann wäre er ja weg und vielleicht käme dann noch irgendein anderer, viel wichtigerer daher. So blieb er bisher unerfüllt.

Manchmal denke ich, vor einigen Lieben hätte eine Fee kommen und mir Einhalt gebieten sollen. Mit der Aussicht, es käme noch eine nächste, viel bessere, größere Liebe. Ich hätte mir so manchen Irrtum und Kummer ersparen können. Andererseits, wenn ich mich wie als Kind verhalten und immer abgewartet hätte, würde ich heute noch auf die Liebe warten.

Und das wäre verdammt schade, schade auch um manchen gelebten Irrtum.

Wenn ich wär, wie ich nicht bin

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