Читать книгу Short Stories - Kitty Stone - Страница 9
- Der zweite Morgen –
ОглавлениеTatsächlich war ich sofort, nachdem ich mich auf die Seite gedreht hatte, eingeschlafen. Und das, nachdem mich ein fremder Mann zweimal direkt hintereinander zum Orgasmus geleckt hatte.
Wer war er? War er der Schatten, der mich gestern den ganzen Tag begleitet, der hier alles aufgeräumt und ordentlich gemacht hatte?
Ich wusste es nicht und zum ersten Mal in meinem Leben war es mir auch egal. Nach meiner Morgentoilette goss ich das heiße Wasser in den vorbereiteten Kaffee und musste über diese Fürsorge lächeln. Nicht mal mein Ex hatte den Kaffee vorbereitet, obwohl er immer vor mir aufgestanden war.
Nachdenklich lehnte ich mich mit der Tasse in der Hand an die Anrichte und schaute den Flocken, die gerade wieder eingesetzt hatten, zu. Das Brummen eines Motors riss mich von dem Anblick los und ich trat ans Fenster heran. Was machte Ben hier? Sam hatte gesagt, er würde in einigen Tagen Nachschub bringen.
Ich stellte die Tasse auf den Tisch und öffnete die Tür. Ben war ausgestiegen und kam lächelnd auf die Hütte zu.
„Wow, du hast ja ganze Arbeit geleistet“. Sichtlich beeindruckt schaute er sich vor dem Häuschen um, wo der Fremde den ganzen Schnee beiseite geräumt hatte.
„Na ja, so ganz Nichtstun ist dann doch noch nichts für mich.“ Die Lüge war mir schneller über die Lippen gekommen, als ich gedacht hätte. Ich trat beiseite, damit Ben hereinkommen konnte, und schaute kurz in den Wald hinein. Da, ich war mir ganz sicher, dass dort ein Schatten war. Der Mann wirkte allerdings riesig, oder ich konnte einfach schlecht einschätzen, wie groß er tatsächlich war.
„Du warst gestern aber wirklich fleißig.“
Bens Stimme holte mich wieder zurück und ich schloss schnell die Tür. Warum zeigte sich der Fremde nicht?
Grinsend drehte ich mich zu Ben. „Das wird wohl noch ein wenig dauern, bis ich mich auch wirklich ans Nichtstun gewöhnt habe.“
„Scheint so.“
„Magst du auch einen Kaffee?“
„Gerne.“
Ben folgte mir zur Maschine und ich schenkte uns beiden Kaffee ein. Er stand dicht neben mir und es fühlte sich ungewohnt an. Die Nacht hatte ich meine Beine für einen Unbekannten gespreizt und jetzt gefiel mir die Gegenwart eines wirklich netten Mannes nicht.
„Alles in Ordnung?“
Anscheinend war ich mit den Gedanken wieder viel zu weit entfernt gewesen, denn Ben schaute mich aufmerksam an. „Ja, ja. Es ist nur alles noch so ungewohnt. Die Stille, keine Hektik, keine wirklichen Aufgaben. Noch nicht einmal Handyempfang habe ich hier oben.“
„Das hatte ich ganz vergessen zu sagen. Komm, zieh dir was über, ich zeig dir, ab wo du dein Telefon wieder nutzen kannst.“
Es widerstrebte mir und doch zog ich mir meinen Mantel, Mütze und Stiefel an und folgte Ben nach draußen. Sofort warf ich einen Blick zu dem Platz, an dem ich eben noch den Schatten gesehen hatte, aber da war nichts mehr.
Stumm liefen wir nebeneinander her und ich bereute, dass ich meine Handschuhe nicht angezogen hatte. Heute war die Temperatur noch ein Stück kälter als gestern. Es konnte aber auch daran liegen, dass heute nicht die Sonne schien und ich bis eben noch im Warmen gewesen war.
Meine kalten Finger rieb ich aneinander, bis Ben sie in seine Hände nahm. „Sag doch was, dann hättest du meine Handschuhe sofort haben können.“
Ein Brüllen erklang aus dem Wald, ließ mich zusammenzucken und den Blick zwischen den Bäumen umherschweifen. „Gibt es hier wilde Tiere?“, flüsterte ich, entzog Ben meine Hände und steckte sie tief in meine Jackentaschen.
Das Lachen klang diesmal nicht nett, sondern erinnerte mich an meinen Ex, wenn er kurz darauf sagte, „Ach du Dummerchen.“
Ja, ich wusste selbst, wie blöd die Frage gewesen war. Immerhin befanden wir uns in der Natur, weit weg von der Zivilisation.
„Klar, Hope. Hier oben gibt es allerhand an Wildtieren. Raubkatzen, Wölfe und Bären. Aber keine Sorge, bisher ist hier noch kein Wildunfall bekannt. Weder der alte Paul, noch Wanderer oder Camper haben je von Zwischenfällen berichtet.“
„Sehr schön“, murmelte ich. Und doch fühlte ich mich in seiner Gegenwart ganz und gar nicht sicher. Ich hoffte aber, dass uns keiner angriff.
„Da vorn um die Kurve, dann hast du wieder Empfang.“
Tatsächlich, direkt hinter der Kurve hatte ich fast Vollanschlag. Nachrichten, E-Mails und verpasste Anrufe von einem Tag trudelten ein und ich schaute schnell durch, was es galt zu beantworten.
Die meisten waren von Annie, der ich vergessen hatte, Bescheid zu geben, und der ich schnell eine Nachricht schickte, dass es mir gut ging. Prompt bekam ich Antwort, dass sie sich schon gedacht hätte, dass ich es vergessen hatte, und wusste um das Funkloch an der Hütte. Jetzt wo ich wusste, dass ich nur hierher laufen musste, war ich beruhigt. „Danke, so konnte ich der armen Annie auch Bescheid geben, dass ich noch lebe.“
„Wenn wir schon draußen sind, dann zeige ich dir noch ein paar sehenswerte Ecken.“
Und tatsächlich führte mich Ben von einer wundervollen Stelle zur nächsten. Einmal zeigte er mir eine geschützte Stelle, wo die Rehe hinkamen. „Um das Hochwild beobachten zu können, musst du allerdings in der Dämmerung herkommen.“
Auch eine Wasserstelle, die nicht zugefroren war, zeigte mir Ben. Gerade als wir ankamen, huschte ein Waschbär davon.
„Da hattest du Glück. Die meisten Tiere sind Dämmerungsaktiv und man muss sich schon auf die Lauer legen, um sie beobachten zu können. Im Frühling kann man dazu noch die Jungtiere beobachten.“
„Danke“, hauchte ich und war wirklich fasziniert. Als Stadtmensch war ich der Natur noch nie so nahe gekommen und ich fühlte mich total wohl.
Den halben Tag war Ben mit mir unterwegs, bis es mir irgendwann einfach zu kalt wurde. Außerdem hatte ich Hunger und so lud ich ihn zu einer Dosensuppe ein.
Während ich am Herd stand, fachte Ben die Glut im Kamin neu an und schon bald brannte darin wieder ein wärmendes Feuer.
„Dein Ex war wirklich ein Idiot.“
Fast wäre mir vor Schreck der Kochlöffel aus der Hand gefallen, denn ich hatte nicht mitbekommen, dass er zu mir getreten war.
Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Sehe ich auch so“, antwortete ich verlegen. Seine Finger an mir lösten …
Laut scheppernd fiel vor der Hütte etwas um, sodass ich diesmal wirklich den Löffel fallen ließ und einen Schrei ausstieß.
„Ich gehe mal nachschauen.“
Mein Herz schlug bis zum Hals und ich war froh, als Ben wieder hineinkam.
„War sicher nur ein Waschbär. Du musst aufpassen, was du wegwirfst, die durchwühlen den Müll und scheuen sich auch nicht davor, alles auseinanderzunehmen.“
Stillschweigend aßen wir die Suppe, die Stimmung, die eben noch geherrscht hatte, war vorbei.
Ben half mir noch beim Abspülen und verabschiedete sich. „Ich komme übermorgen wieder, dann bringe ich die Vorräte von Sam mit. Sollte etwas sein, du weißt jetzt, wo du Empfang hast.“
„Ja. Und danke, Ben.“
„Nichts zu danken, Hope.“ Er zog mich an sich und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Seine Hände wanderten sanft über meinen Rücken.
„Ich … ich bin noch nicht soweit. Entschuldige“, stammelte ich und befreite mich aus seinen Armen.
„Schon in Ordnung. Ich habe Zeit.“ Er zwinkerte mir zu, ging nach draußen und das Brummen des Motors wurde schnell leiser.
Seufzend legte ich Holz nach, bis mich ein kalter Luftzug innehalten ließ.