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Warum entstand die Treuhand?

Eine »Treuhand« ist zunächst erst einmal nichts anderes als ein Vertragsverhältnis. Dabei gibt der Eigentümer einer Sache als »Treugeber« diese dem »Treunehmer« oder »Treuhänder«. Der übt dann damit alle mit dem Eigentum verbundenen Rechte im eigenen Namen, jedoch nicht zum eigenen Vorteil, aus. Das Wichtigste dabei sind die »treuen Hände«, denen das Eigentum anvertraut würde. 1989/90 wussten viele, wer »untreue Hände« gehabt hatte, aber niemand, wem man noch vertrauen könne. Die am 18. November 1989 unter Hans Modrow gebildete Regierung war durch keine demokratische Wahl legitimiert. Trotzdem verpflichtete sie die Verfassung der DDR, das »Eigentum des Volkes« zu schützen. Das war für sie der Kernpunkt für die »Rettung des Sozialismus«.


Hans Modrow wird am 13. November 1989, wenige Tage nach dem Mauerfall, von den Mitgliedern der Volkskammer als neuer Vorsitzender des Ministerrats der DDR eingesetzt und mit einer neuen Regierungsbildung beauftragt. (picture alliance / dpa / Volkhard Kühl)

Christa Luft, als Mitglied der Regierung Modrow bis zur freien Volkskammerwahl am 18. März 1990 im Amt der Ministerin für Wirtschaft der DDR, erklärte: »Da eine Privatisierung im großen Rahmen nicht zu unseren Zielen gehörte, hatte es auch einer speziellen Behörde dazu nicht bedurft. […] Eine Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums zu schaffen, war in der Regierung und der von ihr beauftragten Arbeitsgruppe ›Wirtschaftsreform‹, ebenfalls in der Volkskammer oder am Runden Tisch dabei lange überhaupt kein Thema.«

Das änderte sich, als Hans Modrow und seinen Koalitionären während des Besuchs am 13. und 14. Februar 1990 in Bonn klar wurde, dass das Ende der DDR nahte. Darauf reagierten auch die Anfang 1990 am Runden Tisch politisch aktiv gewordenen oppositionellen Gruppen, die nun in einem zeitweilig rechtsfreien Raum mitregierten. Überlegungen darüber, was aus dem »Volkseigentum« werden sollte, gingen vor allem vom »Freien Forschungskollegium ›Selbstorganisation‹« aus. Sie kulminierten in der Idee zur Gründung der Treuhandanstalt. Der Ingenieur Matthias Artzt, Mitglied des »Forschungskollegiums«, erklärte: »Der konkrete Anlass für den Entwurf zur Gründung einer Treuhandgesellschaft war der 7. Fe­bruar. An diesem Tag waren die Minister ohne Geschäftsbereich bei Bundeskanzler Kohl eingeladen. Und sie hatten um einen Milliardenkredit gebeten. Kohl hat dieses abgelehnt. Und am gleichen Tag haben wir noch ein Interview mit dem Präsidenten der USA, Bush, gehört, der gesagt hat: Nun geht es nur noch um den Anschluss der DDR nach Artikel 23.« So entstand der »Vorschlag der umgehenden Bildung einer Treuhandgesellschaft (Holding) zur Wahrung der Anteilsrechte der Bürger mit DDR-Staatsbürgerschaft am ›Volkseigentum‹ der DDR«. Sie sollte verhindern, dass sich im Einigungsprozess Funktionäre oder Spekulanten das DDR-Vermögen unter den Nagel rissen.


Christa Luft, ab Oktober 1988 Rektorin der Hochschule für Ökonomie »Bruno Leuschner«, wird als stellvertretende Vorsitzende des Ministerrats der DDR berufen und übernimmt das Amt der Wirtschaftsministerin in der Modrow-Regierung. (picture alliance / dpa – Report / Wilfried Glienke)

Wolfgang Ullmann, Mitbegründer der Oppositionsgruppe »Demokratie Jetzt«, machte den Vorschlag am 12. Februar 1990 öffentlich. Der Runde Tisch fasste einstimmig den Beschluss, dass die Modrow-Regierung bis zum 1. März eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten habe. Nun wurde die Idee auch im Westen diskutiert. Weshalb die DDR-Oppositionellen eine »Treuhand« für nötig hielten, beschrieb die Frankfurter Allgemeine am 15. März 1990: »In der Bildung der Treuhandanstalt sieht Ullmann einen wichtigen Schritt zur Sicherung der Rechte und des Eigentums der Bürger. Auf eine Enteignung der Bürger würde es hinauslaufen, wenn das von ihnen erarbeitete und eigentlich auch ihnen gehörende Volkseigentum als Staatseigentum behandelt würde.«


Der Theologe Wolfgang Ullmann (rechts) bei einer Sitzung des Zentralen Runden Tisches Ende Januar 1990 im Berliner Schloss Niederschönhausen. Gemeinsam mit dem Regisseur Konrad Weiß (links) und der Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe gründet er 1989 die Bewegung »Demokratie Jetzt«. Nach der Wahl am 18. März 1990 wird er Abgeordneter der Volkskammer und deren Vizepräsident als Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Grüne. (picture alliance / dpa – Report / Peter Zimmermann)

Dementsprechend legte die erste Treuhandverordnung fest: »1. Zur Wahrung des Volkseigentums wird mit Wirkung vom 1. März 1990 die Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums gegründet.« Wie mit dem Eigentum weiter zu verfahren sei, blieb offen: »Bis zur Annahme einer neuen Verfassung wird die Treuhandanstalt der Regierung unterstellt.«

An den sozialistischen Grundlagen der DDR wollte die Regierung Modrow damit nicht rütteln. Deshalb bestimmte die Treuhandverordnung, welche Vermögensteile betroffen waren, und schloss »das volkseigene Vermögen, das sich in Rechtsträgerschaft der den Städten und Gemeinden unterstellten Betriebe und Einrichtungen befindet, sowie das volkseigene Vermögen der als Staatsunternehmen zu organisierenden Bereiche und durch LPG genutztes Volkseigentum« aus. Die gesamte Infrastruktur – Post, Bahn, Wasserwege und Straßen – wurde zum »Sondervermögen«. Da die Gesetzgebung auf der Grundlage der geltenden DDR-Verfassung erfolgte, blieben auch Grund und Boden »unteilbar und unveräußerlich«.

Trotz erster Schritte auf dem Weg in eine Marktwirtschaft konnte die Treuhand bis zum 18. März 1990 kaum umfänglich als »Umbauagentur« wirken. Vor der Veränderung der dazu ungeeigneten Struktur stand für die neue Regierung unter der Führung der CDU zuerst ein neuer politischer Auftrag der Anstalt. Das am 17. Juni 1990 verabschiedete »Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens« formulierte als »Absicht« der Treuhandanstalt:

»• die unternehmerische Tätigkeit des Staates durch Privatisierung so rasch und so weit wie möglich zurückzuführen,

• die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herzustellen und somit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen,

• Grund und Boden für wirtschaftliche Zwecke bereitzustellen.«

Dieser Schwenk um hundertachtzig Grad entsprach dem Wunsch nach einer schnellen Einheit. Was nach dem Krieg von der Gründergeneration der DDR gern als »Revolution« interpretiert wurde, machte das Treuhandgesetz nun rückgängig. Paragraph 1, Vermögensübertragung, legte fest: »(1) Das volkseigene Vermögen ist zu privatisieren …« Damit wurde die Treuhand, je nach Blickwinkel, für die einen die tatsächliche »Revolution« des Herbstes 1989, für die anderen jedoch zur »Konter­revolution«.

Zum Treuhanderlös bestimmte Paragraph 5: »(1) Die Einnahmen der Treuhandanstalt werden vorrangig für die Strukturanpassung der Unternehmen … [und] in zweiter Linie für Beiträge zum Staatshaushalt und zur Deckung der laufenden Ausgaben der Treuhandanstalt verwendet.«

Das sollten künftig Kapitalgesellschaften besorgen. Paragraph 7 legte fest: »(1) Die Treuhandanstalt verwirklicht ihre Aufgaben in dezentraler Organisationsstruktur über Treuhand-Aktiengesellschaften, die nach Anzahl und Zweckbestimmung mit den Aufgaben der Treuhandanstalt die Privatisierung und Verwertung des volkseigenen Vermögens nach unternehmerischen Grundsätzen sichern.«

Überdies hatte sie die Anpassung an die Wirtschaftsstruktur der alten Bundesrepublik zu schaffen. Paragraph 8: »(1) Die Treuhand-Aktiengesellschaften haben unter Hinzuziehung von Unternehmensberatungs- und Verkaufsgesellschaften sowie Banken und anderen geeigneten Unternehmen zu gewährleisten, dass in ihrem Bereich folgende Aufgaben unternehmerisch und weitestgehend dezentral gelöst werden:

• Privatisierung durch Veräußerung von Geschäftsanteilen oder Vermögensanteilen,

• Sicherung der Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen,

• Stilllegung und Verwertung des Vermögens von nicht sanierungsfähigen Unternehmen oder Unternehmensteilen.«

Damit war eine Konstruktion gefunden, mit der einerseits die DDR-Wirtschaft kompromisslos an die der Bundesrepublik angepasst wurde, gleichzeitig aber keine »Staatsholding« entstand. Das verhinderte später die »Durchgriffshaftung«, also das Einstehen des Eigentümers Treuhandanstalt für Fehler. Andererseits »regierte« sie in die ostdeutschen Betriebe hinein, denn jeder Pfennig, den diese brauchten, konnte nur von der Treuhand kommen. Wie eine »Konzernmutter« hielt sie alle Fäden in der Hand, war aber nicht verantwortlich, wenn etwas schiefging.

Vor diesem Hintergrund relativierte sich der Paragraph 2, Punkt 6, des Treuhandgesetzes: »(6) Die Treuhandanstalt hat die Strukturanpassung der Wirtschaft an die Erfordernisse des Marktes zu fördern, indem sie insbesondere auf die Entwicklung sanierungsfähiger Betriebe zu wettbewerbsfähigen Unternehmen und deren Privatisierung Einfluss nimmt. Sie wirkt darauf hin, dass sich durch zweckmäßige Entflechtung von Unternehmensstrukturen marktfähige Unternehmen herausbilden und eine effiziente Wirtschaftsstruktur entsteht.«

Festzuhalten bleibt also: In den Monaten vor und dem ersten halben Jahr nach der Einheit dachte man an einen Umbau der DDR-Wirtschaft, nicht an deren Kahlschlag. Lothar de Maizière resümierte dazu im Nachhinein über die Rolle der Treuhand: »Sie hatte ein unerreichbares Ziel.«

So sahen es die Leute mit dem Geld in der Hand wohl schon früher. Das belegen ihre Aktivitäten. Danach blieb der Treuhand nur noch, ihre Polemik an die Realität anzupassen. Nun hieß es: »Privatisierung ist die beste Sanierung.« Und: Die Anstalt habe drei Aufgaben in der Rangfolge ihrer Bedeutung: »Schnelle Privatisierung – entschlossene Sanierung – behutsame Stilllegung«.

Leben nach der DDR

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