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Wir werden Peruaner

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Ein funktionierendes Missionsspital weckt Begehrlichkeiten. Es ist beliebt, gut ausgestattet, sauber und ordentlich. Was liegt näher, als dass der Staat es einfach nationalisiert und die Ausländer des Landes verweist! Solch ein Schreckensszenario gehört nicht etwa in das Reich der Fantasie, sondern ist in vielen Ländern mit großer Regelmäßigkeit eingetreten. Das, was Missionare im Namen der Liebe Christi unter größten Opfern aufgebaut haben, kann durch ein einziges Dekret der Regierung zunichtegemacht werden.

Wie ließe sich dieser potenziellen Gefahr begegnen? Ich machte mir so meine Gedanken. Vielleicht wäre es ratsam, wenn meine Frau und ich die peruanische Nationalität annehmen würden? Niemand dürfte uns dann rechtmäßig aus dem Land vertreiben. Da ich als Präsident der peruanischen Gesellschaft „Asociación Civil Religiosa Diospi Suyana“ vorstehe, wären wir nicht nur eine peruanische Körperschaft, sondern Tina und ich sogar peruanische Staatsbürger.

Anfang 2009 zog ich in der Einwanderungsbehörde Limas meine ersten Erkundigungen ein. Die Sachbearbeiterin Gladys Barboza nahm sich meines Falles an und stellt mir gleich eine Frage. „Wie viel verdienen Sie in Peru?“

„Meine Frau und ich leben von einem Spenderkreis in Deutschland“, antwortete ich vorsichtig.

Frau Barboza blieb hartnäckig. „So geht das nicht, Sie müssen hier im Land ein Gehalt beziehen, sonst können Sie keine peruanischen Staatsbürger werden!“

Auf der Suche nach einer Lösung bewegten wir uns bald im Kreis. Natürlich erzählte ich der Beamtin von Diospi Suyana. Ich packte entsprechende Pressereportagen aus meiner Tasche und zeigte ihr im Laptop eine kleine Zusammenfassung unserer Arbeit.

„Das ist ja interessant!“ Die Dame vor mir war sichtlich bewegt und sagte: „Wenn das so ist, dann sollten Sie ohnehin die Staatsbürgerschaft wegen herausragender Dienste für die Nation bekommen!“

Ich nickte treuherzig und wollte gerne wissen, wie so ein Prozedere denn vor sich ginge.

„Das kriegen wir schon hin“, beteuerte Señora Barboza, „ich helfe Ihnen dabei!“

Hätte ich gewusst, wie lang und steinig dieser Weg werden würde – ich glaube, ich hätte das ganze Vorhaben schnell aufgegeben.

Erst einmal verschaffte mir die freundliche Fee einen Termin bei der Direktion der Einwanderungsbehörde. Mit einigen Bildern im Notebook versuchte ich einen guten Eindruck zu machen, während Gladys Barboza ihr Verslein aufsagte: „Dafür verdienen die Johns die Ehrenstaatsbürgerschaft!“

Niemand hatte gegen diesen Vorschlag etwas einzuwenden und der entsprechende Antrag wurde an das Innenministerium übermittelt. Gut Ding will Weile haben. Die Wochen gingen ins Land und ich wurde schon etwas mutlos. Doch dann arrangierte Frau Barboza für mich dankenswerterweise eine Audienz bei Frau Dr. Susy Villegas im Innenministerium. Diese Beamtin hätte auf das Verfahren einen großen Einfluss, ließ sie mich wissen, und deshalb solle ich ihr doch mal im Laptop erläutern, was es mit Diospi Suyana auf sich habe. Barboza kam höchstpersönlich gleich mit.

Nach meinen vielen bunten Bildern meldete sich Frau Barboza zu Wort: „Señora Villegas, dafür haben die Johns die Ehrenstaatsbürgerschaft aber wirklich verdient, meinen Sie nicht auch?“

Die Doktorin nickte: „Doch, das sehe ich genauso, ich werde es dem Innenminister vorschlagen!“

Nun begann der lange Behördenweg durch die verschiedenen Abteilungen des Innenministeriums. Manchmal schien es, als sei die Akte verschwunden. Doch dann tauchte sie irgendwo wieder auf. Und eines schönen Tages hatte der Innenminister das notwendige Dokument wirklich unterschrieben. Wie ich später hörte, hatte ihm eine gewisse Rechtsanwältin namens Elena Juscamaita nach eingehender Untersuchung der Rechtslage dazu geraten.

Man legte die Akte dem Ministerrat vor und schließlich lag die dicke Mappe auf dem Schreibtisch des peruanischen Staatspräsidenten Alan García. Er kannte uns persönlich, da er Tina und mir am 26. April 2008 bereits eine Audienz im Regierungspalast gewährt hatte. Seine Frau Pilar Nores war immerhin die Patin unseres Spitals. Gerne setzte auch er seine Unterschrift auf das Dokument und leitete den Vorgang an das peruanische Parlament weiter.

Jetzt war plötzlich Sendepause. Nichts geschah, nichts bewegte sich und niemand im Kongress nahm sich der Sache an.

Ich wandte mich in meiner Not an Robert Hernán Seminario, den persönlichen Rechtsberater des Staatschefs. Er war gerne bereit, mir zu helfen. Einige Anrufe seinerseits und am 20. April 2010 empfing mich der Präsident des Kongresses, Dr. Alva Castro. Er saß in einem vornehmen Büro hinter seinem Schreibtisch und hatte nichts dagegen, dass ich mein Notebook neben seinen Akten auf dem Tisch aufbaute. Keine 15 Minuten vergingen und Dr. Castro war total im Bild.

„Wir hätten über ihren Fall schon längst abstimmen sollen. Morgen gebe ich Ihnen die Gelegenheit zu den Spitzenpolitikern am runden Tisch zu sprechen!“

Ein Sprichwort sagt: „In Peru können alle ganz schnell sein, wenn es zu spät ist!“ Glücklicherweise war es gar nicht zu spät, aber jetzt kam wirklich Bewegung in die Angelegenheit.

21. April. Um 16 Uhr führte man mich in einen Sitzungssaal, in dem bereits etwa zwanzig führende Politiker der im Kongress vertretenen Parteien auf mich warteten. Viel Zeit hatte man mir nicht eingeräumt, aber irgendwie gelang es mir doch, an die 100 Bilder im Sinne einer Blitzpräsentation über die Leinwand huschen zu lassen. Ich betonte in meinem Vortrag, dass Gott und nicht wir der wahre Architekt des Missionsspitals sei.

22. April am Nachmittag. Ich befand mich gerade auf der Heimreise nach Curahuasi und die Sonne färbte die Landschaft bereits in ein warmes Rot, da klingelte mein Handy. Eine Mitarbeiterin von Dr. Alva Castro meldete sich.

„Dr. John, haben Sie Zugang zu einem Fernseher?“, fragte die Dame. „Soeben wird Ihre Ehrenstaatsbürgerschaft im Kongress besprochen. In wenigen Minuten werden alle Parlamentarier abstimmen!“

Die Abstimmung verlief über alle Parteigrenzen hinweg einmütig. Das Parlament entschied, meiner Frau und mir die Staatsbürgerschaft für herausragende Dienste für das peruanische Volk zu übertragen. Wie man uns mitteilte, wird so eine Auszeichnung im Schnitt nur einmal alle fünf Jahre verliehen.

Eine merkwürdige Geschichte, finde ich. Eigentlich hatten wir uns nur um die peruanische Staatbürgerschaft bemühen wollen, wie andere Einwanderer auch. Aber am Ende zogen Ministerrat, Staatschef und Parlament am selben Strang und wir wurden in einer Sitzung des Kongresses geehrt, die Fernsehkanal 7 sogar live in Peru ausstrahlte.

Immer wenn meine Frau und ich die peruanische Grenze überqueren, erscheint auf dem Bildschirm des Grenzbeamten neben unserem Namen die rot-weiß-rote Flagge Perus. Niemand wird uns je des Landes verweisen dürfen, denn wir sind frei, genauso wie es die peruanische Nationalhymne ausdrückt. Und was ist mit unserer deutschen Staatsbürgerschaft? Die durften wir behalten, weil das Auswärtige Amt in Berlin unseren Beibehaltungsantrag genehmigte.

Familie John besteht aus fünf Mitgliedern. Meine Frau und ich sind Peruaner. Natalie kam in Südafrika zur Welt und könnte sich, wenn sie wollte, in eine Südafrikanerin verwandeln. Florian erblickte in Ecuador das Licht der Welt. Ohne Probleme würde man ihm in Quito einen ecuadorianischen Pass ausstellen. Nur unser Sohn Dominik ist waschechter Deutscher und darauf kann er stolz sein.

Gott hat uns gesehen

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