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Der komische Alte. Eine anrührende Geschichte vom Ende des Lebens

Seit ihrem sechzehnten Lebensjahr schreibt Marjana Gaponenko Gedichte und Prosa in deutscher Sprache. Das eigenwillige Deutsch fällt an ihrem ersten Suhrkamp-Roman sogleich auf: ausladend und schwelgerisch, radikal romantisch, weder hohes Pathos noch kapriziöse Wortschöpfungen scheuend, vor Stilbrüchen nicht zurückschreckend – eine ungewöhnliche Kunstsprache, die sich seltsamerweise leicht und angenehm liest. Obwohl die Autorin nichts Angenehmes erzählt, sondern sich – grundiert von aufmerksamer, einfühlsamer, ja zarter Menschenfreundlichkeit – in die letzten Lebenswochen eines alten Mannes hineinfabuliert.

Luka Lewadski, emeritierter Professor der Zoologie mit Schwerpunkt Vogelkunde und lebenslanger Musikliebhaber, sechsundneunzig Jahre alt, noch ganz rüstig, aber auch schon mal ohne sein überlebensnotwendiges Gebiss in die Innenstadt trippelnd, hat gerade erfahren, dass nichts mehr zu machen ist: unheilbares Lungenkarzinom. Chemotherapie? Unsinn! »Das Bedürfnis, im Luxus zu sterben, in dem er nie gelebt hatte, breitete sich in Lewadski wie ein Scheunenfeuer aus … Ich lasse den Krebs Krebs sein, dachte er, für den zahle ich keine müde Kopeke. Stattdessen fliege ich nach Wien.« Mit den Wiener Großtanten hatte er schon als Kind im schönsten Hotel der Stadt Sahnetorten verspeist, ehe er im Goldenen Saal des Musikvereins noch ganz andere Genüsse kennenlernen durfte. Gesagt, getan. Der Grandseigneur aus Lemberg steigt im Hotel Imperial ab. Habib, ein aus Palästina stammender Jungwiener, kümmert sich um ihn, und Bekanntschaft mit einem gleichaltrigen Hotelgast ist schnell geschlossen. Lewadskis fast ein ganzes Jahrhundert mittel- und osteuropäischer Geschichte umfassendes, in originellen Träumen und aufschlussreichen Erinnerungen ausgebreitetes Leben geht, nicht ohne geradezu slapstickreife Szenen, in einer Luxussuite mit Butlerservice, im benachbarten Musikverein und in der opulenten Hotelbar höchst stilvoll dem Ende zu. Mit erstaunlicher Souveränität setzt Marjana Gaponenko ihrem Helden ein herzergreifendes und zugleich überaus komisches Denkmal. Wie bitte? Wer diese Martha ist? Ach was! Lesen Sie selbst!


Marjana Gaponenko: Wer ist Martha? Roman. Berlin 2012: Suhrkamp Verlag. 239 S.

KAISERSCHMARRN, RÖSCHTI UND ANDERE SCHMANKERL

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