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Identität ist Luxus. Überlebenskämpfe und Liebeslügen im fernen Korea

Die Romanautorin und Essayistin Anna Kim ist heute eine respektierte Repräsentantin der österreichischen Gegenwartsliteratur. Leben in zwei oder noch mehr Sprachen ist für die 1977 in Südkorea geborene Wienerin seit jeher normal. Sie schreibt, das hat sie mit vielen aus den unterschiedlichsten Gründen von irgendwoher in den deutschen Sprachraum eingewanderten Kollegen gemeinsam, eine angenehm klare und verständliche deutsche Prosa, bei der andere Sprachen bisweilen inspirierend mitflüstern mögen. Das gilt auch für ihren jüngsten Roman, mit dem sie uns in ein Land entführt, von dessen bewegter, oft dramatischer und von Gewalt geprägter Geschichte im 20. Jahrhundert der hiesige Normalleser nicht allzu viel wissen dürfte: Korea. Bis vor Kurzem noch ein bitterarmes Land, immer eine stolze Nation, oft ein Land im Aufbruch – weltpolitisch gesehen aber nur eine kleine Halbinsel zwischen China, Japan und Russland, deren Geschicke auf verheerende Art und Weise durch die Machtgelüste und Ideologien der Supermächte bestimmt wurden. Ein uns sehr fremdes und sehr fernes Land. Die erzählten Ereignisse sind inzwischen Geschichte, und Kims Figuren sind heute kaum mehr denkbar. Warum sollte man Die große Heimkehr lesen? Lion Feuchtwanger schrieb 1935, dass man »die Linien eines Gebirges aus der Entfernung besser erkennt als mitten im Gebirge« und dass ein gegen das immer drohende »Versinken in die Geschichtslosigkeit« (Karl Marx) anschreibender historischer Roman »glaubwürdiger, bildhaft wahrer, folgenreicher, wirksamer, lebendiger« sei »als eine saubere, exakte Darstellung der historischen Fakten«. Ob das auch für Anna Kim gilt?

Der fast achtzigjährige, in der südkoreanischen Metropole Seoul lebende Yunho Kang bekommt Besuch – eine junge Übersetzerin, die offenbar als Kleinkind einer Kinderfrau übergeben wurde und dann irgendwie nach Deutschland gelangte, hat sich aufgemacht ins fremde und doch nicht völlig unvertraute Land ihrer Geburt. Yunho hat gerade einen Brief aus Richmond, Virginia, erhalten, durch den er vom Tod einer alten Freundin erfährt – Eve Moon war und ist die große Liebe seines Lebens. Berührt von diesem Echo aus vergangenen Tagen beginnt Yunho damit, seine Geschichte zu erzählen. Und schon sind wir mittendrin im Schlamassel von Repression, Gewalt und Schmerz. Denn dieser Yunho ist deformiert und traumatisiert durch die ungemein chaotischen und oft lebensgefährlichen Jahre nach der japanischen Kolonialherrschaft (1905–1945) und dem Koreakrieg (1950–1953). Sein bester Jugendfreund war Johnny, der Sohn des Direktors seiner Dorfschule, und diese Freundschaft entwickelte sich zu einer sehr besonderen Dreiecksgeschichte. Denn bald kam die schöne und geheimnisvolle, Lucky Strikes rauchende und mit amerikanischen Offizieren flirtende Eve ins Spiel. Die Zeiten waren politisch aufgeheizt: Yunhos Bruder wurde verdächtigt, für die nordkoreanischen Kommunisten zu arbeiten, die bei ihrem Vormarsch nach Süden Terror und Zerstörung brachten, und Johnny hatte sich der gnadenlos antikommunistischen, halb kriminellen Nord-West-Jugend zugewandt, die für den den Amerikanern genehmen südkoreanischen Diktator Syngman Rhee die Drecksarbeit erledigte.

KAISERSCHMARRN, RÖSCHTI UND ANDERE SCHMANKERL

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