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2. Willkommen im Paradies

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Der Umzug in sein neues Zuhause gestaltete sich erstaunlich undramatisch.

Obgleich er absolut nicht einverstanden war mit dem, was sein Sohn über ihn verfügt hatte, leistete er keinen Widerstand, sondern ließ alles über sich ergehen.

Anfangs hatte er sich aufbäumen wollen, vermutlich ein letztes Mal in seinem Leben, hatte er etwas pathetisch gedacht, hätte vielleicht einen Tobsuchtsanfall simulieren können, aber dann wären die Männer mit den weißen Jacken gekommen und hätten ihn dorthin gebracht, wo er noch viel weniger gerne sein würde.

Auch Tabletten, in wenigen Tagen gesammelt und von anderen Patienten zusammengebettelt, würden ihm zu einem theatralischen Abgang verhelfen und vielleicht seinen Sohn in Schwierigkeiten bringen, doch das würde nur seine Freiheit ganz erheblich einschränken.

Das Altersheim – seien wir ehrlich und nennen das Kind beim Namen – würde ihm nicht erspart bleiben, auch wenn er sich noch so dagegen sträubte. Andere hatten für ihn die Entscheidung getroffen, und er würde unter ständiger Beobachtung stehen, wenn er Schwierigkeiten machte. Und er könnte es dem Personal nicht einmal verdenken.

Er könnte Essen und Trinken verweigern. Das würde ihm im Augenblick nicht einmal schwer fallen. Aber man würde ihn künstlich ernähren, und das war ihm noch mehr zuwider.

Und so saß er nun, nicht glücklich, aber doch gefasst auf dem Rücksitz eines Krankenfahrzeugs für Sitzendtransporte, wie es im Amtsdeutsch so schön heißt.

Die Innenstadt von Hannover hatten sie hinter sich gelassen, Linden erkannte er von früher, den Ricklinger Kreisel.

Dann musste er wohl eingenickt sein.

Als er aufwachte, passierten sie gerade die letzten Häuser Hamelns.

Also hierher hatte es ihn verschlagen?

Eigentlich hätte er jetzt aufmerksam sein sollen, doch die Aufregungen gestern und heute Morgen waren wohl zu viel. Er nickte wieder ein und wachte erst auf, als der Wagen anhielt, die Straße kreuzte und in eine breite, von hohen Platanen gesäumte Auffahrt bog.

In sanften Bögen schlängelte sich die Straße den Berg hinan und endete auf einem weitläufigen Platz vor einem dreiflügligen schlossartigen Gebäude.

Der breite Mittelflügel wurde beherrscht von einem Säulenportal, zu dem eine weit ausladende Sandsteintreppe empor führte. Rechts und links der zweiflügligen Tür gestatteten hohe Fenster den Blick in eine weitläufige Halle, von der sich wohl der Zugang zu den Seitenflügeln öffnete.

In ihnen schienen mehrere Räume untergebracht zu sein, deren Funktion von außen nicht erkennbar war.

Die beiden Obergeschosse waren ähnlich aufgebaut, ihren Mittelpunkt bildete wie auch im Erdgeschoss eine Halle.

Donnerwetter, entfuhr es Alexander Fromm. Mit einem derartigen Luxus hatte er nicht gerechnet. Hatte sein Sohn sich also nicht lumpen lassen.

Zwei freundliche Frauen, die ältere in einem schlichten grauen Kostüm, die andere, jüngere, in einem weißen Kittel mit trotz der Kälte kurzen Ärmeln, und ein Mann, wohl der Hausmeister oder Hausdiener, standen zum Empfang bereit. Lächelnd, voller unaufdringlicher Freude, wie es schien, über den Besuch.

Die Schwester oder Pflegerin, jedenfalls die in dem weißen Kittel, hakte Fromm unter. Leicht wie eine Feder hing sie an seinem Arm, und führte ihn die wenigen Schritte zur Treppe und dann die Stufen empor. Er hätte sie auch ungestützt gehen können, hätte keine Hilfe gebraucht, aber dann spürte er die leichte Erregung in seinem alten Körper, und er wies die Begleitung nicht fort.

Vorweg war schon das graue Kostüm gegangen, hatte die prunkvolle Eingangstür weit geöffnet und ließ Fromm mit seiner Begleitung eintreten. Ihnen folgte der Hausmeister mit zwei Koffern, wohl seinen. Den einen kannte er, in ihm lagen seine Kleidung und persönlichen Artikel, die er im Krankenhaus hatte. Irgendwer hatte ihn ihm gebracht, vielleicht sein Sohn. Der andere war ihm gänzlich unbekannt. Was er beinhaltete, wusste ich nicht, auch nicht, wie er in den Krankentransportwagen hineingeraten war.

Während er sich noch den Kopf über sein Gepäck zerbrach, obgleich es ihn eigentlich gar nicht interessierte, querten sie die Eingangshalle, einen wenig anheimelnden Raum mit dem angestaubten Charme des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts, dem man durch zwei kleine Sitzgruppen etwas Gemütlichkeit zu verleihen versucht hatte.

Sie gingen daran vorbei und steuerten direkt auf die breite Tür eines Aufzuges zu, der sie in den zweiten Stock brachte.

„Hier haben Sie Ihr Appartement“, sagte ‚das Kostüm’ und tackerte den langen Flur entlang.

An einer der vielen Türen blieb sie stehen und schloss auf.

„Bitte!“

Sie ließ Fromm eintreten.

„Ich hoffe, es gefällt Ihnen. Wir haben schon Ihre persönlichen Dinge eingeräumt.“

Sie ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen, als wollte sie sich davon überzeugen, dass auch alles da wäre.

Sie schien zufrieden.

Ein kurzes Nicken in Richtung ihres neuen Gastes, und sie ging.

„Soll ich Ihnen beim Auspacken Ihrer Koffer helfen, oder möchten Sie erst noch ein wenig ausruhen, bevor es das Mittagessen gibt? Ich würde dann am Nachmittag kommen, wenn Sie es wünschen.“

Fromm war einverstanden.

Obgleich er auf dem Weg geschlafen hatte, hatte ihn die Fahrt doch angestrengt.

Ein wenig Ruhe würde ihm gut tun.

Das Zimmer, Appartement war wirklich stark übertrieben, war alles in allem vielleicht dreißig Quadratmeter groß, gemessen an seiner Altbauwohnung in der List zwergenhaft.

Man betrat es durch einen Flur mit einer Art Teeküche. Ein Zweiplattenherd mit untergebautem Kühlschrank, eine Spüle, ein Hängeschrank von gleicher Breite und ein schmaler Hochschrank, das war es, aber immerhin, es war wenigstens etwas.

Der Hängeschrank enthielt, soweit er so schnell sehen konnte, zwei Gedecke, einige Gläser und eine Kasserolle.

Der Kühlschrank war vergleichsweise üppig bestückt: je zwei Fläschchen Piccolo und Bier, einige Flaschen Saft und Mineralwasser, ein Becher Joghurt.

Auf der anderen Seite des Ganges befand sich das recht geräumige Duschbad, natürlich behindertengerecht ausgestattet, mit einer schönen großen Dusche mit Glastrennwand, Toilette mit Aufsatz und Waschbecken. Den Aufsatz würde er ablehnen. Schließlich konnte er sich noch ohne große Schwierigkeit setzen.

Gerne hätte er die verschiedenen Strippen abschneiden lassen, die überall an den Wänden herunterhingen, doch die sollten wohl der Sicherheit dienen und würden bleiben müssen.

Der Wohnraum war etwas gewöhnungsbedürftig.

Eine Wand nahmen das Bett, seine Kommode und ein Kleiderschrank aus dem Bestand des Hauses ein. Vor dem großen Fenster gruppierten sich sein geliebter Ohrensessel und zwei kleinere wohl auch hauseigene Sessel um einen kleinen runden Couchtisch.

Recht unmotiviert wirkte der quadratische Tisch an der dritten Wand nahe dem Fenster. Viel machen konnte man an ihm nicht, vielleicht einmal eine Kleinigkeit essen, die man sich in der Teeküche aufgewärmt hatte, oder eine Tasse Kaffee trinken. Mehr ganz sicher nicht.

In der Mitte der dritten Wand, der Kommode gegenüber, stand sein Lieblingsstück, sein Sekretär.

Wenigstens den hatte man ihm gelassen! Und ihn anständig gestellt.

Seine Bilder hatte man noch nicht aufgehängt. Sie standen aufrecht gestapelt in einem Bananenkarton. Man wollte ihm wohl die Freiheit gewähren, sie nach seinem Geschmack zu platzieren. Hammer, Zange und eine Handvoll Nägel lagen auf dem Tisch.

Es klopfte.

„Herein!“

Die nette Schwester, die ihn empfangen hatte, öffnete vorsichtig die Tür und schob ihren Kopf herein.

„Haben Sie alles gefunden?“

Was er gefunden haben sollte, wollte er fragen, doch er ließ es. Sie hatte keine derartige Unhöflichkeit verdient. Und mit dem Personal sollte man sich besser gut stellen.

Ob sie ihn in den Speisesaal führen dürfte, fragte sie, nachdem er ihre erste Frage einfach überhört hatte, und zauberte ein hinreißendes Lächeln auf ihr Gesicht.

Alexander Fromm war knurrig und schlecht gelaunt. Er hasste dieses Haus, das er nicht kannte, er hasste es, wie ein Tattergreis behandelt zu werden, er hasste es, von seinem eigenen Sohn abgeschoben worden zu sein, auch wenn das Haus sicher nicht das schlechteste war.

Er hasste einfach alles!

Aber da war auch diese nette Schwester, die ihn schon beim Empfang an die Hand genommen hatte, ihn wie selbstverständlich in sein Zimmer geführt hatte, die ihm nicht mit irgendwelchem dummen Geplapper auf die Nerven gefallen war, die sich diskret zurückgezogen hatte, um ihm Zeit für sich zu geben, und jetzt wieder da war und ihm anbot, ihn in den Speisesaal zu führen.

Trotzdem, er wollte nicht, war bockig. Und doch ließ er es zu, dass sie seinen Arm fasste und ihn ungeheuer sanft den Flur entlang führte. Ihr Druck war kaum zu spüren, fast nur eine leichte Berührung, von der er sich jeden Augenblick befreien könnte, wenn er es nur wollte.

Doch er wollte es nicht.

Im Gegenteil, er genoss es, an ihrer Seite zu gehen.

„Möchten Sie lieber den Aufzug oder die Treppe nehmen?“, fragte sie und ließ ihm Zeit zum Überlegen. Sie schien unendlich viel Zeit zu haben.

„Kommen Sie, den Blick von hier oben in die Halle sollten Sie sich gönnen“, sagte sie, als er noch unentschlossen war, und führte ihn an ihrer leichten Hand zu der breiten Treppe, die in die Eingangshalle führte.

Es war eigenartig, aber von hier oben wirkte die Halle viel größer, viel edler als von unten, als er sie das erste Mal betreten hatte.

„So, da wären wir“, flüsterte sie und öffnete die Glastür zum Speisesaal.

Der Speisesaal vermittelte noch ganz den Glanz der vergangenen Jahrhunderte.

Üppige Lüster hingen von der hohen Decken und ließen den Saal in sanftem Licht erstrahlen. Überall an den Wänden, die von alten Tapeten mit Jagdmotiven oder galanten Szenen geziert wurden, brach sich das Licht der vielen Kristalle.

Auf dem edlen Parkett waren Tische und Stühle, Fromm vermutete Chippendale, zu Gruppen zusammen gestellt, alle weiß eingedeckt.

Vor den Fenstern, die fast bis an den Boden reichten, hingen luftige, fast transparente Vorhänge und bewegten sich leicht, wenn jemand an ihnen vorbei ging.

An einer Längsseite hatte man Nischen aus Blumenkübeln und niedrigen Bücherregalen gebildet, in denen Vierertische mit leichten Sesseln aufgestellt waren, eigentlich eine Platzverschwendung, die man aber jederzeit korrigieren konnte.

Hierher konnte man sich nach der Mahlzeit für eine Tasse Kaffee zurückziehen.

Die Schwester führte Fromm, immer noch sanft seinen Arm haltend, quer durch den Raum und hielt erst am linken oberen Rand des zweiten Achtertisches an.

„Das wäre Ihr Platz“, lächelte sie.

Er war froh, dass ihn niemand besonders beachtete.

Er fühlte sich fremd, irgendwie sinnlos in diesem Raum, auch wenn er sich Mühe gab, einladend zu wirken.

Er hatte keinen Hunger.

Das letzte Essen lag ihm immer noch wie ein Stein im Magen, und er konnte sich nicht vorstellen, jemals wieder Hunger zu haben.

Jedenfalls nicht hier!

Er hatte etwas ganz Anderes erwartet. Einen Speisesaal mit dem Jugendherbergscharme der Neunziger, mit resopalbedeckten Tischen, damit man die Saucenflecken leichter beseitigen und das Gemüse ohne Schwierigkeit in die Schüssel zurückfüllen konnte.

Und mit Stühlen, nicht gerade einem Ausbund an Komfort. Helle Kiefernholzbeine wurden zusammengehalten durch rote Plastiksitze und Rückenlehnen, alle abwaschbar und stapelbar. Er hatte solche Stühle mal in dem Katalog eines großen Möbelhauses gesehen, und die hatte er hier erwartet.

Diese Einrichtung passte nicht zu seiner Erwartung, und im Augenblick machte selbst das ihn nicht glücklich.

Die ersten Mitbewohner betraten durch die breite Schiebetür an der Stirnseite den Saal, einzeln die meisten, überflogen mit einem leeren Blick den ihnen bekannten Raum, entdeckten den Fremden, der ihnen schon beim Frühstück angekündigt worden war, nahmen aber keinerlei Notiz von ihm, als gäbe es ihn gar nicht.

Langsam strebten sie zu ihrem Platz.

Das alles lief gespenstisch leise ab, wie nach einem festen Plan, fast wie ein Uhrwerk.

Wen würde es an seinen Tisch, an seine Seite verschlagen? Die Alte mit dem langen Putenhals, an dem eine einreihige Perlenkette baumelte, oder der Dicke oder vielleicht der knorrige Lange. Der wäre ihm der Liebste, wenn er wählen dürfte!

Er durfte nicht wählen!

Eine Allerweltsperson steuerte auf den Stuhl neben seinem zu, zog ihn mit einem Ruck zurück, sagte kurz, fast militärisch knapp: „Guten Tag!“, stellte sich in den schmalen Zwischenraum zwischen Stuhl und Tisch, ging etwas in die Knie und zog den Stuhl exakt bis in seine Kniekehlen vor, so dass sein Gesäß mitten auf das Sitzkissen platziert wurde. Das geschah mit einer derartigen Akkuratesse, wie Fromm sie noch nie gesehen hatte.

Der Mann beugte sich ein wenig nach links vor, als wollte er seinen Nachbarn in ein vertrauliches Gespräch ziehen, warf aber nur einen Blick auf seine Serviettentasche und nahm sie auf, als er sich davon überzeugt zu haben schien, dass es seine war.

„Man muss immer aufpassen. Die sind manchmal sehr nachlässig und verwechseln die Servietten.“

Fromm nickte.

Ja, das könnte er sich ohne weiteres vorstellen, bei so vielen Leuten, sagte er, obgleich er nicht wusste, ob sein Nachbar ihn wirklich angesprochen hatte.

Nichts wäre ihm unangenehmer gewesen, als ein Gespräch zu beginnen, das nicht gewünscht war.

Und seinem Nachbarn schien in der Tat nichts daran zu liegen, sich mit Fromm zu unterhalten.

Schweigend entfaltete er seine Serviette, legte sie sorgfältig auf den Schoß, wartete schweigend und kerzengerade auf seinem Stuhl sitzend, dass ihm der Teller mit einer wässrig aussehenden – und ebenso schmeckenden – Suppe gefüllt wurde.

Vorsichtig tauchte er den Löffel ein, vermied sorgfältig, dass die kleinen Sternchennudeln über den Rand schwappten, füllte ihn bis zur Hälfte und führte ihn zum Munde. Nachdem er die Brühe kurz angepustet hatte, um sie abzukühlen, probierte er sie und versenkte den Löffel gleich wieder auf dem Tellerboden.

„Wer soll das essen?“, schimpfte er und schob seinen Teller von sich.

Der Mann, verdammt noch mal, imponierte Fromm!

Schade nur, dass er während des ganzen Essens keinen weiteren Laut mehr von sich gab.

Wie übrigens all die anderen auch, die im Laufe der nächsten Minuten ihren Platz eingenommen hatten und geduldig auf das Essen warteten.

Wer Fromm ebenfalls imponierte, eher den Atem raubte, waren die Serviererinnen.

In keinem Hotel, das er in seinem langen Leben bereist hatte, und er kannte viele und nicht gerade die schlechtesten, hatte er eine derartige Häufung von jungen hübschen Frauen gesehen, alle ausgestattet mit den edelsten Proportionen, endlos langen Beinen und schlankem knackigem Po, mit Brüsten, die jeden Mann noch im Schlaf verfolgen, mit einem Gesicht so voller Liebreiz, dass man das Essen vergaß.

Wie eine Prozession traten sie aus einer Nebentür, aus der das Klappern von Tellern und Töpfen drang, stöckelten, Servierwagen vor sich herschiebend auf die Tische zu, hielten in der Mitte inne, beugten sich, verheißungsvoll lächelnd, leicht vor und gewährten jedem, der es wünschte, einen atemberaubenden Einblick in die Tiefe ihres weißen Kittels, während sie die Teller abräumten.

Gerade wollte Fromm den warmen Duft, der ihrem Dekolletee entströmte, wie ein Ertrinkender in sich aufsaugen, da servierten sie das Hauptgericht, zwei Scheiben Rinderbraten in dicker brauner Sauce, ein Klacks Rotkohl, drei Kartoffeln.

„So ist das immer“, sagte der Nachbar und stocherte auf seinem Teller herum, schob das Fleisch von der einen Seite zur anderen, dass es von allen Seiten in der Sauce gebadet wurde.

„Erst machen sie einem den Mund wässrig, lassen einen in ihrem Duft baden, und dann das! Servieren nur Sauce.“

Er machte eine Pause, aus der die tiefste Enttäuschung sprach, derer ein Mensch fähig war.

„Können sie nicht endlich mal das Versprechen einlösen?“

Sein Nachbar nickte mit dem Kopf in die Richtung, in der sich die letzte Serviererin entfernte.

Auch sie ging kerzengerade, kaum merklich schwangen ihre Hüften, und dann wurde sie von der Küchentür verschlungen.

„Dafür nehme ich selbst das Essen in Kauf“, sagte er, und nach einer Weile fuhr er fort: „Und auch all das andere hier.“

Während Fromm noch überlegte, was sein Nachbar wohl gemeint hatte, sagte er: „Ich heiße übrigens Gustav Preuss.“

Während das Geschirr klappernd wieder abgeräumt wurde und in der Küche verschwand und man auf den Nachtisch wartete, den Höhepunkt fast jeden Mittagessens, begannen die ersten leisen Gespräche. Jetzt hatte man Zeit, verpasste nichts, auch nicht den Nachschlag, der gerne gewährt wurde.

Man wartete geduldig und voller Erwartung.

Augenblicklich verstummte das Raunen im Speisesaal, als die Wagen, voll beladen mit den Dessertschälchen, herein geschoben wurden.

„Bestimmt wieder Vanillepudding mit Schokoladensauce“, mutmaßte Gustav Preuss, „vielleicht auch mit Obst aus der Dose. - Ganz besonders lecker sind die tiefgefrorenen Himbeeren. Aber die gibt es nur an besonderen Feiertagen.“

Sehnsüchtig sah er ihrer zuständigen Serviererin entgegen, und der Grund war jetzt sicher Vanillepudding und nicht die überhaus süße kleine Person, die ihn servierte.

Als Fromm sah, wie verzückt sein Nachbar diese alberne Nachspeise genoss, schob er ihm sein Schälchen zu.

„Ich bin Alexander“, sagte er wie zur Entschuldigung oder Begründung.

„Gustav“, stellte Preuss sich noch einmal vor und zog den Teller zu sich heran.

Nachdem er auch seinen zweiten Pudding verschlugen hatte, legte er seinen Teelöffel in das leere Schälchen, wischte sich den Mund und verstaute die sorgfältig zusammengefaltete Serviette in der Serviettentasche.

Mit einer weit ausholenden Geste, die den ganzen Speisesaal umfasste, wandte er sich wieder Fromm zu.

„Sehen Sie sich in diesem Raum mal um. Was sehen Sie hier?“

Als Fromm nicht gleich antwortete, fuhr er fort: „Lauter alte Leute, alle fast scheintot. Und warum sind hier lauter Gruftis? Weil wir nicht mehr in der Gesellschaft der Jungen gelitten sind. Früher, ja, da waren wir willkommen, als sie uns brauchten. Aber jetzt machen wir nur Umstände, und sie haben für uns einen Platz gesucht weit ab vom Schuss.“

Er lachte bitter.

„Wir sollen einen schönen Lebensabend haben, sagen sie, und das hier wäre wie ein Paradies, gerade richtig für uns, wir hätten uns das schließlich verdient. Aber ganz ehrlich, in Wirklichkeit geht es denen nur darum, dass wir auch beim Sterben keine Umstände machen.“

Ob Alexander Fromm hier bleiben würde, würde sich noch zeigen.

Noch jedenfalls war er nicht davon überzeugt.

Und nur die hübschen Serviererinnen anzustarren, war zwar reizend, aber ob das auf die Dauer ausreichen würde?

Wie im Paradies

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