Читать книгу Hier kommt der Antipastidepp - Klaus Nüchtern - Страница 6
Ja, wir haben auch einen Pürierstab!
ОглавлениеZwar weiß ich nicht, womit ich mir den ehrenvollen Beitritt in den immer zäher anwachsenden Kreis der Vorwortschreiber Nüchtern’scher Kolumnensammlungen verdient hab (gleich sechs Vorwörter im ersten, maßvolle vier im zweiten, bloß drei im dritten Band …). Dass wir beim letzten Hausbesuch des Autors eine in Ebenholz und Messing eingerahmte Kolumne im Treppenaufgang vorweisen konnten, kam aber sicher ganz gut (sie handelt von der auf Seite 6 der „Kleinen Quittenkantate“ abgebildeten Königin der Zutraulichkeit).
Kolumnenbücher sind letztlich ja Sammlungen von Texten, die gewissenhafte Menschen ohnehin, wenn schon nicht gerahmt, dann zumindest in goldgeprägten Kunstleder-Optik-Ringmappen verstaut haben, um sie in einer stillen Stunde bei einem dampfenden kleinen Krug Grog vom Regal zu holen. Die – vermutlich auch anal – sehr freigiebige Kolumnenbuchkundschaft hingegen wirft literarische Kleinode regelmäßig achtlos ins Altpapier, um sie später – was kostet die Welt? – noch einmal im Mujimäßig minimalistischen Kartonumschlag zu erwerben. Das ist dann eben jene astreine A-Schicht, der zuliebe die Falter-Marketing-Scouts dieses Kolumnenbuch zielsicher nach dem Weihnachtsgeschäft rausbringen, wenn die Individualverschuldung am höchsten und die Kolumnenbuchkundschaft am elitärsten ist. Was das zynische Verhökern der Illusion urbaner Unkonventionalität an das leichtgläubige Early-Adaptor-Segment angeht, haben die einfach den Bogen raus.
Bei all dem Kalkül könnte Nüchtern aber niemand vorwerfen, dass er seine schreiberische Truman-Show nicht wirklich lebe. Alles, was er etwa auf den folgenden Seiten über die Vorgänge in seiner Küche behauptet, ist sowohl die nackte Wahrheit als auch der Zielgruppe präzise auf den Leib geschrieben: Ja, wir haben ebenfalls die champignonförmige Champignonbürste in der obersten Lade, zudem eine spermienförmige Gemüsebürste und sogar das ultimative Statusobjekt, den 500 Watt starken Pürierstab – zugegeben, den haben wir uns erst von Klaus abgeschaut.
Natürlich muss der größte Chronist des Karmeliterviertels mittlerweile die eine oder andere Auswirkung seiner galoppierend inflationären Medienprominenz auf seinen ehemals so erdigen Lebensstil nobel verschweigen, um sich von unsereins nicht allzu erkennbar zu entfremden. Zwar enthüllt er ganz nonchalant und nebenher seinen dekadenten Hang zu Zweitwohnung und Designerregal (die eine als Bücherlager, das andere mehr für schön). Andererseits suchen wir vergeblich nach einer Erwähnung jenes Hilferufs, den die zu ungesunder Stunde in der ehemaligen Pensionsversicherungszentrale gegenüber seines palastartigen Wohnzimmerfensters werkenden Bürosklaven – nach ihrer adelnden Erwähnung in einer der hier enthaltenen Kolumnen – gut sichtbar ins Fenster hängten: „Klaus, hol uns da raus!“
Nüchtern blieb hart und schwieg den Zwischenfall einfach tot.
Robert Rotifer