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Oppidum Ubiorum

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Tertia hielt die Hände verkrampft in ihrem Schoß und saß gerade wie ein Speerschaft in ihrem Sessel. Appius und Domitia hatten ihnen das Atrium überlassen und sich diskret zurückgezogen.

„Danke, dass du gekommen bist“, sagte Tertia steif. „Es geht um eine geschäftliche Vereinbarung, die uns beiden zum Vorteil gereicht.“

Lucius lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Ich höre.“

Sie war offensichtlich sehr angespannt, und er wollte ihr das Gespräch so angenehm wie möglich machen. Immerhin bewahrte sie Fassung.

„Du weißt, dass mein Vater und meine Brüder sehr im mos maiorum verhaftet sind. Für sie kommt nur eine Manusehe infrage.“

„Aber du unterstehst nicht deinen Brüdern“, wandte Lucius ein.

„Richtig, ich unterstehe nicht meinen Brüdern, aber ich habe kein Geld.“

„Was ist mit deiner Mitgift?“

„Die Klage wird von Novius eingereicht, aber es dauert, bis das entschieden wird. Wir sind zuversichtlich, dass die Mitgift zurückgezahlt wird.“

„Dann ist doch alles gut.“

„Nein. Novius fungiert erstmal als mein Treuhänder. Er bekommt das Geld und will es mir erst bei einer erneuten Hochzeit geben, das hat er schon angekündigt.“

„Ein reizender Kerl. Aber du willst keine weitere Ehe“, stellte Lucius fest und dachte einen Moment nach. „Oh.“ Nun verstand er. „Damit will er dich unter seinen Willen zwingen.“

Sie nickte schweigend.

„Du brauchst einen Patron, um zu klagen.“

Sie nickte wieder.

„Novius wird meinen Status als sui iuris anfechten.“

„Das kann er doch nicht. Du hast dreimal geboren“, ereiferte sich Lucius.

„Diese Regelung gilt für Rom, für die Provinzen aber nicht. Ich würde natürlich einwenden, dass Augusta Treverorum eine Colonie ist und damit die Regelung von Rom gilt“, sagte Tertia.

„Aber es würde einen erneuten Prozess nötig machen, der Geld verschlingen wird. Du sitzt in der Klemme“, sagte Lucius mitfühlend.

„Und da kommst du ins Spiel“, sagte Tertia.

„Was kann ich für dich tun?“, fragte Lucius. „Ein Darlehen vielleicht? Rechtsbeistand? Mein Bruder ist Anwalt.“

Tertia verzog das Gesicht, als ob sie in eine Zitrone gebissen hätte.

„Lucius, lass uns ganz offen reden. Wir haben vier Monate das Bett geteilt und du weißt mehr von mir als meine Brüder“, begann Tertia.

Lucius neigte zustimmend den Kopf.

„Du weißt auch, dass ich nicht einer romantischen Schwärmerei verfallen bin und in dir meinen Helden der Sage sehe, der mich aus dem Unrecht befreit hat“, sagte Tertia.

Lucius schluckte. Natürlich wusste er das, aber dies so unverblümt gesagt zu bekommen, war doch ein leichter Schlag.

„Du bist nicht unbedingt das Ideal aus Ovids Ars armotaria!“, fuhr Tertia erbarmungslos fort.

„Von was? Ovids Liebeskunst?“ Lucius sah sie erstaunt an. „Davon habe ich noch nie gehört.“

„Ovids Buch verbreitet sich hinter vorgehaltener Hand, und in den Bädern schwärmen die Frauen davon“, erzählte Tertia.

„Ah ja, und Ovids Ideal entspreche ich auch nicht. Wem entspreche ich dann?“

„Lucius!“, sagte Tertia mit leicht flehendem Unterton.

„Nein, ich will das jetzt wissen“, sagte Lucius und zwang sich zu einem Lächeln.

Tertia erwiderte es erleichtert. „Ich dachte schon, du wärest verstimmt.“

Jetzt wurde ihr Lächeln schelmisch, so wie er es kannte, und, wie er zugeben musste, liebte. „Wenn ich es freundlich umschreiben wollte, würde ich dich einen stürmischen Liebhaber nennen, wenn ich es weniger freundlich ausdrücken würde, ausgehungert.“

Das Lächeln gefror ihm im Gesicht. Ausgehungert! Natürlich war er, na gut, ausgehungert, aber das konnte man einem Mann doch nicht ins Gesicht sagen! Sie schien seine Erstarrung nicht zu bemerken, sondern sprach weiter.

„Aber es gibt zwei Dinge, eigentlich drei Dinge, die dich zum idealen Lebensgefährten machen.“

„Und welche?“, fragte er. „Ein Grund wird sein, dass ich keine Manusehe eingehen kann.“

Er verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln.

„Richtig.“

Tertia entspannte sich immer mehr.

„Der nächste Grund ist, dass du als Centurio so mit anderen Dingen beschäftigt bist, dass du dich nicht um die Belange zu Hause kümmern kannst. Du bist froh, wenn sich deine Lebensgefährtin darum kümmert.“

„Was wiederum für dich von Vorteil ist, da es dir eine gewisse Freiheit und Unabhängigkeit gäbe, auch finanziell, die du sonst nicht haben würdest“, ergänzte Lucius.

„Nicht als eine Frau meines Standes.“ Tertia nickte. „Ich wusste, dass du dies verstehst.“

„Ja, ich bin sehr verständnisvoll“, sagte Lucius, und hob drei Finger. „Was ist der dritte Grund?“

„Der dritte Grund ist, dass meine Kinder, ich meine, unsere Kinder, materiell gut versorgt sein werden“, erläuterte Tertia. „Der Sold eines Centurio ist so hoch, dass unser Sohn der dritten Censusklasse angehören würde, und unsere Tochter würde eine ordentliche Mitgift bekommen. Sie kann gut verheiratet werden.“

„Du vergisst, dass dem Sold ein gewisses Berufsrisiko anhaftet.“

Lucius bemühte sich immer noch, den Sarkasmus nicht allzu sehr durchklingen zu lassen.

„Ja, dieses Risiko bin ich bereit einzugehen. Ich bin nicht mehr die Jüngste und zweimalige Witwe“, erklärte Tertia tapfer.

„Nicht mehr die Jüngste? Du bist nur zwei Jahre älter als ich.“

„Ja, aber als Frau bin ich schon seit zehn Jahren im gebärfähigen Alter und habe auch nur noch zehn Jahre“, erklärte Tertia.

Sie beugte sich vor, zeigte wieder ihr schelmisches Lächeln und legte ihre Hand auf seinen Arm. „Je länger du lebst, desto besser für mich.“

Lucius holte tief Luft und bemühte sich, vorsichtig auszuatmen.

„Nun, das sind natürlich für dich drei ausgezeichnete Gründe.“

Er bemühte sich, seine Stimme unter Kontrolle zu halten, bemerkte aber, dass sie zitterte. „Was sind die Vorteile für mich?“

„Für dich?“

Sie sah ihn ehrlich überrascht an.

„Ich dachte, die liegen auf der Hand. Ein warmes Bett, in das du dich legen kannst. Jemand, der die Götter um Schutz für dich bittet. Ancus verwendet das Bild der Seeleute gerne“, erklärte sie. „Ich bin das Licht, dass dir leuchtet, wenn du auf See bist, und dir zeigt, wo dein Hafen ist.“

Wie poetisch, dachte Lucius, und verzog das Gesicht. „Ich bin in der Legion nicht bei der Marine.“

„Dann bin ich eben das Herdfeuer, das auf dich wartet“, sagte sie ungeduldig.

Lucius wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Diese Unverblümtheit, mit der sie diesen Vorschlag machte und ihre offensichtliche Erwartung, dass er ihn begeistert annahm, hatten ihn kalt erwischt. Gleichzeitig setzte sie seine Fähigkeiten als Liebhaber herab. Ausgehungert!

„Du brauchst gar nicht die verletzte Eitelkeit zu spielen. Oppidum Ubiorum ist als vicus entstanden. In den Tavernen weinen genug Legionäre in ihren Wein und sehnen sich nach einem Busen, an den sie ihr müdes Haupt legen können, und einem Heim, in das sie zurückkehren können. Die meisten bumsen sich durch alle Bordelle, aber insgeheim sehnen sie sich nach einem festen Platz, und ich glaube nicht, dass ein Centurio da anders ist.“

Sie sah ihn herausfordernd und wütend an.

Lucius zog es vor, zu schweigen. Natürlich suchte ein Centurio auch diesen Platz, aber er war gerade nicht bereit, ihr dies einzugestehen.

„Du kannst natürlich auch auf eine sechzehnjährige Hure warten, mit großen Titten und noch größeren Augen, die dich anhimmelt, nur auf dein Geld scharf ist und keinen Hafen bietet. Ich habe mir das weitere Vorgehen gut überlegt. Ich werde meinen Brüdern sagen, dass ich keiner Ehe meine Zustimmung geben werde, bevor das mit der Mitgift nicht geklärt ist. So gewinnen wir Zeit für die Vorbereitungen.“

Lucius machte den Mund auf, um sie zu fragen, von was für Vorbereitungen sie da redete, aber er überlegte es sich anders.

„Du bietest mir das concubinatus an, weil du sonst keinen kennst“, brach es aus ihm heraus.

„Ich kenne nicht so viele Männer, das stimmt, aber von denen bist du mir der Liebste.“

Sie sagte das so treuherzig, als ob sie ihm ein großes Kompliment gemacht hätte. Vielleicht hatte sie das auch, in einem hatte sie ja Recht: Er scherte sich nicht um Frauen, und daher wusste er auch nicht, was diese dachten. Aber seinen Stolz hatte er trotzdem. So darauf herumtrampeln, wie Tertia das gerade gemacht hatte, durfte keine Frau. Sollte er ihr sagen, dass sie sich verrechnet hatte? Ein Sohn wäre sowieso nicht sein Sohn, und damit auch nicht römischer Bürger. So sah es nämlich aus. Ruckartig stand er auf.

„Ich muss mir dein verlockendes Angebot durch den Kopf gehen lassen“, sagte er lahm.

Tertia sah ihn enttäuscht an.

„Ich gebe dir Bescheid. Das wird aber bis nach dem Feldzug warten müssen. Wir brechen morgen auf.“

Ohne sich um ihre gekränkte Miene zu kümmern, verließ er den Raum.

Unter Waffen schweigen die Gesetze

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