Читать книгу Giordano Bruno - Märtyrer der Gedankenfreiheit - Klaus Scherzinger - Страница 11
1.4. Humanismus und die Anfänge subjektivistischer Philosophie
ОглавлениеDie Wiedergeburt der Philosophie fällt nicht nur mit den Anfängen der modernen Naturwissenschaft zusammen, sondern auch mit den Anfängen neuer philosophischer Disziplinen, für die metaphysische Fragen in den Hintergrund rücken, weil sie sich mit dem Menschen, seiner Lebenssituation und seinen Existenzbedingungen befassen wollen. Die Philosophie wird humanistisch, entdeckt das Subjekt und verschiedene Hinsichten auf das Subjekt.
Auch Brunos Denken bezeugt dieses neue Interesse am Menschen: Während die UPE-Schrift noch eine naturphilosophisch-metaphysische Schrift ist, ist die ein Jahr später erschienene HL-Schrift von ganz anderem Charakter. Die UPE-Schrift bezeugt, welche Gestalt ein metaphysisches Weltbild annehmen kann, wenn das Denken keine Rücksicht auf theologische Dogmen nehmen will, die HL-Schrift dagegen wendet sich der Lebenssituation des nach Glück und Wahrheit strebenden Menschen zu. Mit ihr beginnt etwas durchaus Neues in der Philosophie: die philosophische Frage danach, was es bedeutet, Mensch zu sein. Gemeint ist die Frage nach der Konstitution unseres Weltverhältnisses, nach der „typischen Seinsgestalt, der inneren Struktur und Dynamik“28 dieses Verhältnisses, aber auch nach dem typischen Seinsgefühl, das mit ihm verbunden ist.
Es geht der HL-Schrift also nicht bloß um eine formale Bestimmung des Wesens des Menschen, wie sie von der Metaphysik ja auch geleistet wird, etwa durch die aristotelische Metaphysik, die den Menschen als „animal rationale“ als vernunftbegabtes Lebewesen fasst, vielmehr zielt sie mit ihrem Erkenntnisinteresse auf das Herz des Menschen. Sie beschreibt und will verstehen, wie es für uns Menschen ist und zuweilen sein kann, unser wie auch immer bestimmtes Wesen sein und erleben und durchleben zu müssen. Das Thema der HL-Schrift ist also eher ethisch, anthropologisch, lebensphilosophisch und existenzialistisch, denn metaphysisch zu nennen, auch wenn es sich – aufs Ganze der brunianischen Philosophie gesehen – einfügen lässt in seine Metaphysik, bzw. mit seiner Metaphysik zusammen ein faszinierendes Ganzes bildet.