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Globalisierung in den 1990er- und 2000er-Jahren

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Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden die Volkswirtschaften der Welt für mehr als ein Jahrzehnt immer stärker miteinander verflochten. Länder auf der ganzen Welt begannen, Freihandelsabkommen zu schließen, und die Motoren des globalen Wachstums waren vielfältiger denn je. Die relative Bedeutung Europas nahm ab, und sogenannte Schwellenländer, wie Südkorea und Singapur, aber auch größere, wie Brasilien, Russland, Indien, Südafrika und natürlich China, rückten in den Vordergrund. (Es gibt keine offizielle Definition von Schwellenländern, da es sich um eine Klassifizierung handelt, die von bestimmten privaten Finanzinstitutionen vorgenommen wird, aber ein gemeinsames Merkmal ist, dass es sich um nicht-westliche Volkswirtschaften handelt, die oft überdurchschnittliche Wachstumsraten haben oder hatten, was ihnen helfen könnte, im Laufe der Zeit den Status eines Industrielandes zu erlangen oder wiederzuerlangen.)

Auf diese Weise wurde die Globalisierung – ein Prozess wachsender gegenseitiger Abhängigkeit zwischen den Volkswirtschaften der Welt, der sich in zunehmenden Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalströmen ausdrückt – zu einer dominierenden wirtschaftlichen Kraft. Die Globalisierung des Handels, gemessen am Anteil des internationalen Handels am weltweiten Bruttoinlandsprodukt, erreichte im Jahr 2001 mit 15 Prozent ihren bisherigen Höchststand, nachdem sie im Jahr 1945 (dem »Jahr Null«) mit 4 Prozent ihren Tiefststand hatte.

Auf dieser Globalisierungswelle surften auch namhafte schwäbische Unternehmen. »China stand bei ZF ganz oben auf der Agenda«, so Siegfried Goll, damals ein bekannter ZF-Manager, in der Firmenchronik.22 »Die Entwicklung unserer Geschäftsbeziehungen begann bereits in den 80er-Jahren, zunächst über Lizenzverträge. Als ich 2006 in den Ruhestand ging, hatten wir nicht weniger als 20 Produktionsstandorte in China.« »Das erste Joint Venture wurde 1993 gegründet«, heißt es in den firmeneigenen Aufzeichnungen, und 1998 war »die Position von ZF in China so gefestigt, dass erstmals eine eigene chinesische Tochtergesellschaft gegründet werden konnte: ZF Drivetech Co. Ltd. in Suzhou.«

Für einige ging diese Globalisierung jedoch zu schnell und zu weit. 1997 erlebten mehrere asiatische Schwellenländer eine schwere Finanzkrise, die zu einem großen Teil durch unkontrollierte finanzielle Globalisierung oder den Fluss von heißem Geld, also internationalem Investorengeld, das auf der Jagd nach Rendite, gelockerten Kapitalkontrollen und Anleihespekulationen von einem in ein anderes Land fließt, verursacht wurde. Zur gleichen Zeit setzte im Westen eine Anti-Globalisierungsbewegung ein, da multinationale Unternehmen mehr Kontrolle über die nationalen Volkswirtschaften erlangten.

Auch Ravensburger blieb von der Gegenreaktion nicht verschont. 1997 kündigte die Unternehmensleitung an, sie wolle »einen ›Standortsicherungsvertrag‹ umsetzen, als ›Präventionsmaßnahme zur Erhaltung der nationalen und internationalen Wettbewerbsfähigkeit‹ «, so European Observatory of Working Life (Europäische Beobachtungsstelle für das Arbeitsleben) in einer späteren Fallstudie zu dieser Angelegenheit.23 Das Ergebnis war das sogenannte Ravensburger Bündnis, in dem das Unternehmen seinen Mitarbeitern Arbeitsplatzsicherheit im Gegenzug für Zugeständnisse bot.

Obwohl der Vertrag von den meisten Arbeitnehmern akzeptiert wurde, führte er auch zu einer Verschlechterung der Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehungen. Die Industriegewerkschaft argumentierte, dass dies gegen die Tarifverträge der Branche verstoße und unnötig sei, da das Unternehmen wirtschaftlich gut dastehe. Letztlich führte der heiß umkämpfte Vertrag dazu, dass alle Parteien ihr Verhältnis zueinander neu überdachten. Die Gewerkschaft, die in dem Familienunternehmen typischerweise schwach war, wurde stärker, und die Geschäftsleitung ging künftig konstruktiver mit ihrem Betriebsrat um.

In Deutschland führten ähnliche gesellschaftliche und unternehmerische Spannungen rund um Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und die Integration der neuen Bundesländer schließlich Anfang der 2000er-Jahre zu einem neuen Sozialpakt mit neuen Gesetzen zu Mitbestimmung, Minijobs und Arbeitslosengeld. Doch das neue Gleichgewicht war für einige weniger vorteilhaft als zuvor, und obwohl Deutschland danach zu einer Phase mit hohem Wirtschaftswachstum zurückkehrte, wurde die Situation für viele andere moderne Volkswirtschaften bald prekärer.

Ein erstes Warnzeichen war der Dotcom-Crash Ende 2000 und Anfang 2001, als Amerikas Technologiewerte in den Keller stürzten. Aber der größere Schock für die US-Gesellschaft und das internationale Wirtschaftssystem kam später im Jahr 2001. Im September dieses Jahres sahen sich die USA mit dem größten Angriff auf ihr Land seit dem Angriff auf Pearl Harbor im Zweiten Weltkrieg konfrontiert: den Terroranschlägen vom 11. September. Dabei wurden Gebäude getroffen, die sowohl das wirtschaftliche als auch das militärische Zentrum Amerikas darstellten: die Zwillingstürme des World Trade Center in Manhattan und das Pentagon in Washington, DC.

Ich war an jenem Tag in New York auf einem Arbeitsbesuch bei der UN, und wie jeder dort war ich zutiefst erschüttert. Tausende Menschen starben. Die Vereinigten Staaten kamen zum Stillstand. Als Zeichen der Solidarität organisierten wir im darauffolgenden Januar unser Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums in New York – das erste, das außerhalb von Davos stattfand. Nach dem Dotcom-Crash und 9/11 gerieten die westlichen Volkswirtschaften in eine Rezession. Für einige Zeit war der Weg des Wirtschaftswachstums durch Handel und technologischen Fortschritt in der Schwebe.

Doch die Saat für einen erneuten Wirtschaftsaufschwung war bereits gelegt worden. China, das bevölkerungsreichste Land der Welt, hatte sich nach 20 Jahren Reform und Öffnung zu einer der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften entwickelt, wie die verstärkte Präsenz von ZF zeigte, und trat 2001 der Welthandelsorganisation bei. Was andere Länder an wirtschaftlicher Dynamik verloren hatten, gewann China und übertraf es sogar. Das Land wurde zur »Fabrik der Welt«, holte hunderte Millionen seiner eigenen Bürger aus der Armut und war auf seinem Höhepunkt für mehr als ein Drittel des globalen Wirtschaftswachstums verantwortlich. Davon profitierten nicht nur die Rohstoffproduzenten von Lateinamerika bis zum Nahen Osten und Afrika, sondern auch die westlichen Verbraucher.

Währenddessen begannen die verbliebenen sowie neuen Technologieunternehmen auf den Trümmern des Dotcom-Crashs den Grundstein für eine vierte industrielle Revolution zu legen. Technologien wie das Internet der Dinge (IoT, Internet of Things) rückten in den Vordergrund, und maschinelles Lernen – heute als »künstliche Intelligenz« bezeichnet – erlebte ein Revival und gewann schnell an Zugkraft. Mit anderen Worten: Handel und Technologie waren wieder einmal die beiden Motoren des globalen Wirtschaftswachstums. Im Jahr 2007 hatten die Globalisierung und das weltweite Bruttoinlandsprodukt neue Höchststände erreicht. Aber es war das letzte Hurra der Globalisierung.

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