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Wertvolle Erfahrungen
ОглавлениеBibeltext der Woche: Johannes 20, 21 – 23
Es gibt einen Sonntag im Kirchenjahr, der heißt Laetare. Da geht es um Freude, um einen Grund zur Freude. Denn Freude macht glücklich. Und Glück suchen wir, weil es so vieles gibt, was uns unglücklich machen kann.
Im Sprichwort heißt es, das Glück der Erde sei auf dem Rücken der Pferde zu finden. Das Pferd darf, wenn es ein gutes Reitpferd ist, keinen eigenen Willen haben. Es wird besessen, geritten. Reiten im Sinne von selbst bestimmen darf es nicht.
Wie komme ich auf das Reitpferd? Nun, Martin Luther hat uns Menschen mit Reittieren verglichen. Denn wir Menschen seien in unserem Handeln keineswegs so frei, wie wir meinen. Wir seien nicht unsere eigenen Besitzer, sondern würden mal von Gott, mal vom Satan geritten. Der Mensch ist in diesem Bild Luthers jedenfalls nicht Herr seiner Taten, sondern jemand, der nur sehr mit Vorbehalt sagen darf, er lebe, weil er in vielem tatsächlich gelebt wird.
Die Hirnforscher müssen eigentlich die helle Freude an Martin Luthers Metapher für den Menschen haben. Sie sagen heutzutage nämlich immer häufiger, der Mensch sei gar nicht frei in seinen Entscheidungen, sondern weitestgehend festgelegt durch die in seinem Gehirn gespeicherten Erfahrungen, und zwar durch Erfahrungen, die aus frühen Phasen der Menschheitsgeschichte stammen und im Erbgut weitergegeben werden, aber auch durch Erfahrungen, die im eigenen Leben gemacht worden sind. Frei sei er nicht.
Diese Hirnforscher haben etwas Wichtiges erkannt. Wir sind und werden geprägt durch unsere Vor- und Umwelt. Wir haben Geschichte, Mitmenschen, andere Mitgeschöpfe. Keiner von uns lebt als Erster auf der Erde. Und keiner lebt sein Leben lang allein, ohne Berührung mit anderen. Robinson Crusoe ist eine Illusion. Und schon gar kein anzustrebendes Ziel: Ist es nicht ein Segen, dass wir Großeltern und Eltern haben, Lebenspartner und -partnerinnen, Freundinnen und Freunde, mit denen wir uns über unsere Lebenserfahrungen austauschen können? Und dass es Bücher, Romane gibt, andere Welten, die erfunden werden und uns von Möglichkeiten berichten, die wir noch nicht ergriffen haben? Welch ein Glück! Zum Glück sind wir, wenn wir ins Leben hineinwachsen, nicht frei von den Erfahrungen anderer vor uns, neben uns und denen, die wir selbst gemacht haben.
Doch hat das Miteinander auch seine Schattenseiten. Denn wo Menschen zusammenkommen, verletzen sie einander. Das Leben ist eine Gemeinschaft, und wir sind darin sowohl Täter und Opfer. Jeder und jede von uns. Da haben Versuche, in allem gerecht sein zu wollen und niemandem etwas schuldig zu bleiben, keinen Sinn. Da hat nur eines Sinn: Diese Realität menschlichen Lebens anzuerkennen und uns das einzige Gegenmittel zuzuführen, das es gibt: einander in Liebe aushalten. Denn lieben, sagt die deutsche Sprache, die so viel weiß von uns, lieben heißt, jemanden leiden können.
In einer Gesellschaft von Menschen, die einander immer wieder leiden machen, ob sie es wollen oder nicht, brauchen wir Menschen, die uns Leidenmacher leiden können. Denn jemand, der uns leiden kann, nur der heilt auch unsere Leiden. Von Gott kann man vieles sagen, und ist auch unendlich vieles gesagt worden. Wichtig ist davon, dass er uns leiden kann. Wenn irgendetwas an der Jesusgeschichte uns einen Grund zur Freude gibt, dann dies, dass er uns liebt. Er ist nicht der Leidenmacher, sondern er ist der Leidenkönner. Deswegen, weil Gott uns leiden kann, weicht Jesus in seiner Passion dem Leiden nicht aus. Er kann uns wirklich leiden. Dass wir es glauben, dazu gibt es das Evangelium von der Liebe Gottes. Und es muss immer wieder erzählt werden, damit wir es in unser Lebensgedächtnis hineinnehmen: Zu allem Leiden, was wir erinnern, sollen wir gewissermaßen hinzuerinnern, dass Gott uns, also Opfer und Täter, leiden kann. Sie sollen einander vergeben: Der, der dich verletzt hat, von Gott geliebt auch er, der, den du verletzt hast, von Gott geliebt auch er. Das tröstet im Gewissen.
Von Gott geliebt. Hier liegt unser eigentlicher Grund zur Freude. Seine Liebe ist es, die echte Freude in uns hervorruft!