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Gelassenheit

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Bibeltext der Woche: Matthäus 6, 34

12 Uhr mittags. Der Western-Klassiker. Will Kane alias Gary Cooper geht zum Duell. Ganz ruhig misst er die Schritte ab. Seine Hand zittert nicht, als er seinem Gegner gegenübertritt und die Waffen gezogen werden. Er ist gelassen, selbst angesichts des Todes. Gelassenheit in der Hollywood-Version. Das Urbild dafür stammt aus der Antike: Sokrates, zum Tode verurteilt, nimmt im Kreis seiner Freunde ohne Angst und gelassen den Schierlingsbecher.

Ist Gelassenheit eine christliche Tugend, so wie die Liebe oder die Geduld? Sie ist jedenfalls begehrt wie kaum ein anderer Wert. Gemeinsinn, Bescheidenheit oder auch Geduld haben es da schon schwerer, anerkannt zu werden. Ob Teenager, ob Managerin oder Großvater, alle schätzen sie gleichermaßen. So auch die Hausfrau. Gelassenheit kann sie körbeweise gebrauchen. Das fängt morgens an mit Kinderwecken und Frühstückmachen, die Großen in den Kindergarten bringen, Bürokram erledigen, Tagesplanung anfertigen, kochen, dann die Kinder wieder abholen, zum Mittagsschlaf hinlegen, und dann geht’s schon in den Nachmittag. Und am Ende des Tages braucht sie ganz besonders Gelassenheit.

Es gibt verschiedene Arten von Gelassenheit. Die erste erklärt mir Kevin. Er ist dreizehn: »Also, auf der einen Seite ist es cool sein, also die angesagten Klamotten tragen, die richtige Musik hören und dazu gehört auch zum Teil, nicht zeigen, dass man traurig ist oder dass man sich verletzt fühlt. Also, sich auch so’n bisschen verstecken.« Er nennt auch ein Vorbild dafür: James Bond. Dem verrutscht nie die Krawatte, der kann aus der dritten Explosion rauskommen, seine Haare sitzen immer noch und seine Gefühle zeigt er fast nie. Damit ist eine Art von Gelassenheit beschrieben, die tiefe Wurzeln in der abendländischen Tradition hat: Bei den Stoikern, der wichtigsten philosophischen Schule zur Zeit des Hellenismus, der späten Antike. Die Stoiker verbanden ihr sittliches Ideal mit Unerschütterlichkeit und Gleichmut. Der Mensch mit wahrhaft stoischer Ruhe versucht, seine Seele nicht ins Wanken zu bringen.

Aber schon Jugendliche, bei denen cool sein in bestimmten Phasen einfach dazugehört, wissen: Es muss noch etwas anderes geben. Damit kommen wir auf die zweite große abendländische Strömung zu sprechen. Sie geht zurück auf die deutschen Mystiker des Mittelalters, die ab dem 13. Jahrhundert wirkten. Sie sind die eigentlichen Erfinder des Wortes »Gelassenheit«. Meister Eckhart, der wohl Berühmteste unter ihnen, erwähnt es im 13. Jahrhundert zuerst. Die Mystiker meinten mit »gelassen sein« einen inneren Zustand. Zu ihm findet man durch eine bestimmte Frömmigkeit und Haltung gegenüber sich selbst, Gott und der Welt. Ihr Programm war, sich darin täglich zu üben. »Gehe aus dir selbst und lass dich.« Das Ich mit seiner Gier, seinem Klammern am Eigentum, den Wünschen, den Sorgen um die Zukunft wird gelassen, Gott gelassen. Dieses »sich Gott lassen« fällt zusammen mit der Vereinigung mit Gott, der sogenannten unio mystica.

Johannes Tauler, ein Schüler Meister Eckharts, sieht in Jesus das Ideal: Christus war vor allen Menschen der Allergelassenste. Doch stimmt das? War Jesus in jeder Hinsicht gelassen? Ich schaue mir an, wie Jesus geredet und gehandelt hat. Jesus hat sich ausgelassen gefreut und gefeiert mit Huren, mit Zollbeamten und Pharisäern. Gelassen in stoischer James-Bond-Manier war er nicht. Nach leid- und freudlosem Gleichmut hat er nicht gestrebt. Aber Jesus hat davon geredet, vor allem in der Bergpredigt, sich und sein Leben Gott zu überlassen. Mit Gott weiß Jesus sich eins. Jesus lebte im Vertrauen zu ihm.

Auch Gott selbst wird in der Bibel als leidenschaftlich und geduldig zugleich beschrieben. Der Grund, warum Gott beides ist, ist seine Liebe. Wer liebt, wirbt mit Leidenschaft um den anderen, ist zornig, wenn er sich abwendet, freut sich, wenn der andere umkehrt. Aber diese Leidenschaft Gottes ist nicht rücksichtslos. Ihre andere Seite ist die Geduld. Sie lässt den Menschen Zeit und Raum, lässt sie anders sein. Versucht sie nicht mit Gewalt zu überzeugen, sondern wirbt: durch anreden, locken, durch lieben. Diese Art Gottes ist ungeduldigen Menschen oft zu wenig, zu wenig machtvoll. Dietrich Bonhoeffer, Pfarrer und theologischer Lehrer, der wegen seines Widerstands gegen Hitler im April 1945 hingerichtet wurde, schreibt aus seiner Haft: Es gibt auch eine falsche Gelassenheit, die gar nicht christlich ist. Viele finden sich heute leider mit Zuständen ab, die geändert werden müssten.

Gegenüber der falschen Gelassenheit, die eher Gleichgültigkeit ist, streiche ich heraus, welche Art von Gelassenheit ich von Jesus lernen kann: Ich habe nicht alles selbst in der Hand, aber ich lege meine Hände auch nicht in den Schoß. Ich sehe die Dinge und Menschen in ihrer Eigenart und nehme sie an. Sie sind mehr als Material, mit dem ich etwas herstellen oder machen kann, sie haben ihr eigenes Sein und Recht. Ich kann Fremdes sein lassen, ohne mich aufzugeben. Unterschiede anerkennen, ohne mich zu verlieren. Gelassenheit ist nicht Nachgiebigkeit und Unentschlossenheit, sondern die Fähigkeit, den rechten Zeitpunkt abzuwarten und dann zu handeln.

Mein Bestes geben, ohne mich zu sehr zu ängstigen oder anzustrengen, das klingt nach einer gelassenen Lebensweise. Sie ist die Haltung, mit der wir das Leben, das Gott uns geschenkt hat, willkommen heißen und ergreifen.

In dir bin ich stark

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