Читать книгу Arztstrafrecht in der Praxis - Klaus Ulsenheimer - Страница 29
c) Standard und Leitlinien
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Im jüngeren medizinischen Schrifttum wird der Begriff des „Standards“ teilweise als zu streng empfunden, weshalb man zunehmend von „Leitlinien“ spricht, „um mehr Bewegungsfreiheit zu bekommen“.[50] Aus haftungsrechtlicher Sicht ist dies jedoch ein Irrtum oder Missverständnis. Denn die Rechtsprechung stellt zur Bestimmung des gesetzlichen Terminus „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ (§ 278 BGB) auf den „Facharztstandard“ oder den gleichbedeutend verstandenen Begriff des „Standes der Wissenschaft“ ab. Ausdrücklich betont der BGH,[51] dass „Leitlinien von ärztlichen Fachgremien oder Verbänden nicht unbesehen mit dem zur Beurteilung eines Behandlungsfehlers gebotenen medizinischen Standard gleichgesetzt werden“ dürfen. Denn dieser wird „nicht, jedenfalls nicht allein“ durch Leitlinien, Richtlinien oder Empfehlungen der zuständigen medizinischen Fachgesellschaft oder sonstiger Gremien wie der Bundesärztekammer geprägt. „Vielmehr beurteilt sich die – bei der regelgerechten Behandlung – zu beobachtende Sorgfalt nach dem medizinischen Wissensstand zur Zeit der Behandlung“.[52] Derartige Richtlinien, Leitlinien oder Empfehlungen „können diesen Erkenntnisstand […] nur deklaratorisch wiedergeben, nicht aber konstitutiv begründen“,[53] sie haben keine Rechtsnormqualität.[54] Leitlinien sind zwar „regelmäßig eine zu beachtende Erkenntnisquelle“, doch fügt etwa das OLG Köln mit Recht einschränkend an, „allerdings nur dann, wenn sie den maßgeblichen Facharztstandard für den zu begutachtenden Fall mit seinen individuellen Gegebenheiten wiedergeben“.[55] Der Arzt muss deshalb, „um den erforderlichen Erkenntnisstand zu erlangen, die einschlägigen Fachzeitschriften des entsprechenden Fachgebiets, in dem er tätig ist, regelmäßig lesen“[56] und sich stetig zeitnah[57] fortbilden.