Читать книгу Arztstrafrecht in der Praxis - Klaus Ulsenheimer - Страница 38

aa) Therapiefreiheit und medizinischer Fortschritt

Оглавление

90

Gibt es mehrere medizinisch anerkannte Heilmethoden oder haben sich noch keine Standard-Behandlungsregeln durchgesetzt, geht ein „Schulenstreit“ nicht zu Lasten des behandelnden Arztes, vielmehr hat die Judikatur stets den Grundsatz der Therapiefreiheit als notwendiges Korrelat des medizinischen Fortschritts anerkannt und damit dem Arzt in medizinischen Fragen einen gewissen Freiraum eingeräumt. Schon in einer frühen Entscheidung des Reichsgerichts lesen wir:

„Die Kurierfreiheit gilt – vorbehaltlich der sondergesetzlichen Ausnahmen – grundsätzlich für Krankheiten aller Art, auch für schwere Krankheiten, ferner für ernst gemeinte – nicht auf Schwindel hinauslaufende – Heilverfahren aller Art; die allgemeinen oder weitaus überwiegend anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst genießen grundsätzlich keine Vorzugsstellung vor dem von der Wissenschaft abgelehnten Heilverfahren ärztlicher Außenseiter oder nichtärztlicher Heilbehandler“. [113]

Auch der Bundesgerichtshof ist dieser Linie gefolgt. Wörtlich heißt es u.a. in einem Urteil aus dem Jahre 1991:[114]

„Die Anwendung nicht allgemein anerkannter Therapieformen und sogar ausgesprochen paraärztlicher Behandlungsformen ist rechtlich grundsätzlich erlaubt. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies schon deswegen der Fall sein muss, weil sich eine Beschränkung der Methodenfreiheit aus Rechtsgründen als Hemmnis des medizinischen Fortschritts bzw. als Stillstand der Medizin[115] darstellen würde“.

Jedenfalls aber folgt dies aus dem „Selbstbestimmungsrecht eines um die Tragweite seiner Entscheidung wissenden Patienten“. Denn da dieser das Recht hat, „jede nicht gegen die guten Sitten verstoßende Behandlungsmethode zu wählen, kann aus dem Umstand, dass der Heilbehandler den Bereich der Schulmedizin verlassen hat, nicht von vornherein auf einen Behandlungsfehler geschlossen werden“.

Arztstrafrecht in der Praxis

Подняться наверх