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BWV 7

Christ unser Herr zum Jordan kam

Johannisfest, 24. Juni 1724, Nikolaikirche/​Thomaskirche

Liedautor: Martin Luther 1541


1. Oboe d’amore I/​II, konzertierende Violine I/​II, Streicher

Christ unser Herr zum Jordan kam

Nach seines Vaters Willen,

Von Sankt Johanns die Taufe nahm,

Sein Werk und Amt zu erfüllen;

Da wollt er stiften uns ein Bad,

Zu waschen uns von Sünden,

Ersäufen auch den bittern Tod

Durch sein selbst Blut und Wunden;

Es galt ein neues Leben.

2. Arie Bass Continuo

Merkt und hört, ihr Menschenkinder,

Was Gott selbst die Taufe heißt.

Es muss zwar hier Wasser sein,

Doch schlecht Wasser nicht allein.

Gottes Wort und Gottes Geist

Tauft und reiniget die Sünder.

3. Rezitativ Tenor

Dies hat Gott klar

Mit Worten und mit Bildern dargetan,

Am Jordan ließ der Vater offenbar

Die Stimme bei der Taufe Christi hören;

Er sprach: Dies ist mein lieber Sohn,

An diesem hab ich Wohlgefallen,

Er ist vom hohen Himmelsthron

Der Welt zugut

In niedriger Gestalt gekommen

Und hat das Fleisch und Blut

Der Menschenkinder angenommen;

Den nehmet nun als euren Heiland an

Und höret seine teuren Lehren!

4. Arie Tenor konzertierende Violine I/​II

Des Vaters Stimme ließ sich hören,

Der Sohn, der uns mit Blut erkauft,

Ward als ein wahrer Mensch getauft.

Der Geist erschien im Bild der Tauben,

Damit wir ohne Zweifel glauben,

Es habe die Dreifaltigkeit

Uns selbst die Taufe zubereit’.

5. Rezitativ Bass Streicher

Als Jesus dort nach seinen Leiden

Und nach dem Auferstehn

Aus dieser Welt zum Vater wollte gehn,

Sprach er zu seinen Jüngern:

Geht hin in alle Welt und lehret alle Heiden,

Wer glaubet und getaufet wird auf Erden,

Der soll gerecht und selig werden.

6. Arie Alt Oboe d’amore I/​II mit Violine I, Streicher

Menschen, glaubt doch dieser Gnade,

Dass ihr nicht in Sünden sterbt,

Noch im Höllenpfuhl verderbt!

Menschenwerk und -heiligkeit

Gilt vor Gott zu keiner Zeit.

Sünden sind uns angeboren,

Wir sind von Natur verloren;

Glaub und Taufe macht sie rein,

Dass sie nicht verdammlich sein.

7. Choral

Das Aug allein das Wasser sieht,

Wie Menschen Wasser gießen,

Der Glaub allein

die Kraft versteht

Des Blutes Jesu Christi,

Und ist für ihm ein rote Flut

Von Christi Blut gefärbet,

Die allen Schaden heilet gut

Von Adam her geerbet,

Auch von uns selbst begangen.

Auf den Samstag vor dem dritten Trinitatissonntag fiel 1724 der Johannistag, ein Festtag mit doppelter Kantatenaufführung – morgens Nikolaikirche, nachmittags Thomaskirche. Erneut nutzten Bach und sein Librettist die Chance, ein Lutherlied zu verwenden, nämlich das Katechismuslied zum allgemeinen Tagesthema Taufe (EG 202). Wieder wurde es eins zu eins von sieben Strophen in sieben Kantatensätze übertragen. In den umgedichteten Zwischensätzen ist Luthers Tauflehre in engem Anschluss an dessen Wortwahl teils prägnant komprimiert, teils stärker entfaltet.

Beim Eingangssatz wählt Bach trotz der altertümlichen dorischen Melodie einen völlig anderen Weg als am Sonntag zuvor.

Modernste, ambitionierte Konzertmusik erklingt, ein Violinkonzert, das auch ohne die Vokalstimmen aufführbar wäre. Der Solopart mit artikulatorisch genau bezeichneter Sechzehntel-Bewegung schält sich aus den Tutti-Passagen organisch heraus, manchmal nur von den Oboen d’amore mit signifikanten Figuren begleitet, manchmal zusätzlich mit einer Wasserwogen imitierenden Bewegung in den Streichern, dann auch im Continuo grundiert von der mit Punktierungen profilierten Motivik der Eingangstakte. Dieser Ouverturen-Topos lässt an die Eingangsmusik knapp zwei Wochen zuvor in der Nikolaikirche erinnern (BWV 20) und macht die Einsetzung der Taufe als herrschaftlichen Akt erlebbar. Die Virtuosität des Violin-»Concertino« symbolisiert spirituelles Vermögen, geistliche Vitalität Kraft der Taufe: es galt ein neues Leben. Bei den jeweils separat eingefügten Liedzeilen liegt die Melodie jetzt in der Mittelstimme des Tenors wie im Tenorlied der Renaissance, Symbol auch für das Mittlerhandeln Christi. Als »cantus firmus« setzt sie gut hörbar jeweils alleine ein, die Begleitstimmen sind unterschiedlich gesetzt, orientiert an den jeweiligen Worten oder imitatorisch die Melodie nachzeichnend. Das Zielwort Leben ist besonders entfaltet. Tiefsinnig sind zum Leben nötige Atempausen auskomponiert.

Die umgedichteten Sätze beginnen mit einer Arie. Durch Begleitung der Bassstimme nur mit Continuo betont Bach die Appellstruktur. Wie ein Prediger tritt der Sänger auf. Seinen vielen Wortwiederholungen kann man sich nicht entziehen. Die Continuo-Diktion imitiert bekräftigend die Deklamation des Appells Merkt und hört, ihr Menschenkinder. Abwärts fließende Tonketten simulieren das Ausschütten einer Hand Wasser in ein (Tauf-)Becken. Die Bassinstrumente stehen so für das schlecht (schlichte) Wasser bei jeder Taufe, der Sänger repräsentiert die für Luther entscheidende Dimension von Gottes Wort und Gottes Geist, welche nur die Reinigung der Menschen von ihrer Sünde gewährt. Die von Bach notierten Töne ergeben die Zahl 1435 = 35x41, der Sünder BACH (14) reklamiert so kraft seiner Taufe die Reinigung von Sünden (41). In Jesaja 35 ist – mit einigen Wasser-Bildern – das endzeitliche Heil für die »Erlöseten des Herrn« verheißen. Das fünftönige Taufwassermotiv im Continuo erklingt 141 Mal, eine Inversionszahl, die in Luthers Sinn das simul iustus (41) et peccator (14) (zugleich gerecht und Sünder) des Getauften JS-BACH (41) verkörpert.

Das Tenor-Rezitativ akzentuiert mit den Spitzentönen a´´ die aller Welt vernehmbare Klarheit der Offenbarung Gottes durch sein Wort, hebt die zitierte Gottesrede aber nicht eigens musikalisch hervor. Die Stimme Gottes bei Jesu Taufe (Matthäus 3,17 »Dies ist mein lieber Sohn …«) erweitert der Librettist mit Passagen aus dem Glaubensbekenntnis (»descendit de coelis … et incarnatus est«), welche Christus als den Heiland profilieren. Die 128 = 27 Töne dieses Rezitativs korrespondieren mit den 128 Takten des Eingangssatzes. Die Siebener-Potenz entspricht herkömmlicher Geist-Symbolik (7).

In der Mitte der Kantate steht eine besonders kunstvoll gestaltete Arie. Die zwei konzertierenden Violinen, die im Eingangssatz unisono agierten, spielen jetzt mit dem Continuo ein ausgewogenes Trio in der triolischen Faktur des 9/​8-Taktes, während der Tenor überwiegend in »binärer« Achtel-Deklamation singt. Mit exponiertem Quartintervall e´´– a´´ erschallt heroldhaft Des Vaters Stimme ließ sich hören. Mit mächtiger Stimme wird die Taufe Jesu vor aller Ohren als vollmächtiges Handeln Gottes offenbar, was auch die den gesamten Tonraum umgreifenden Melismen auf getauft unterstreichen. Dies hat Gott klar mit Worten und mit Bildern dargetan, hieß es im Rezitativ. Die Musik zeigt klarste Deklamation und präzise Sinnbildlichkeit. Die triolische Bewegung der Instrumente, mit der Artikulation zwei plus eins spezifiziert, illustriert als Flügelschlagen die im Text genannte Taube, vertrautes Symbol für den Gottesgeist als dritter Person der Trinität. Diese Arie (mit 147 = 3x72 9/​8-Takten und 2000 Instrumentaltönen) ist in musikalischer Gestalt ein genau ausgearbeitetes Gemälde der in der Taufe des irdischen Jesus (Zweierzahl, binäre Gliederung der Vokalstimme) wirksamen göttlichen Trinität (Dreier- und Siebener-Symbolik). Gegen die Da-capo-Arienform wiederholt der Sänger am Ende nochmals die Intention solch deutlicher Lehre: damit wir ohne Zweifel glauben. Er singt dazu 112 Töne, Äquivalent von CHRISTUS wie SYMBOLUM. Letzteres ist in Bachs h-Moll-Messe der Titel für das Glaubensbekenntnis, das als solches ja Taufbekenntnis ist.

Beim Zitat von Christi Taufbefehl (Markus 16,15 f.) im folgenden Rezitativ fügt Bach dem Bass als Stimme Christi den »Heiligenschein« der Streicherbegleitung hinzu (wie später in der Matthäus-Passion). So wird Christi Wort an die Gemeinde stärker gewichtet als Gottes Stimme bei der Taufe Jesu (Satz 3). In der anschließenden Arie fällt der Alt ohne instrumentale Einleitung sogleich ein mit der Pointe: Menschen, glaubt doch dieser Gnade, dass ihr nicht in Sünden sterbt. Die (als hohe Männerstimme vorgestellte) Altstimme ist Symbol des Glaubens. Hier repräsentiert sie speziell die Korrelation von Glaube und Taufe zur Überwindung der Sünde: »Wer da gläubet und getauft wird, der wird selig werden« (Mk 16,16). Der in Luthers sechster Strophe thematisierte Fluch der Erbsünde hat den Librettisten nicht interessiert. Er akzentuiert die frohe Botschaft, dass sie nicht verdammlich sein und Bach lässt sehr vergewissernd davon spielen und singen. Alle Beteiligten haben in ihren Partien Inversionszahlen als Symbol der Umkehrung der Schuld zum Heil: 232 Töne im Alt, 747 Töne in den Instrumenten, insgesamt 979, wobei 97 die Zahlensumme aus GLAUBE und TAUFE ist.

Der abschließende Choralsatz zeigt auffallend viele Achteldurchgänge in den Stimmen. Dieses Fluidum entspricht der Wasser/​Flut- Metaphorik. Die Gesamtzahl der Töne ergibt die Symbolzahl 448 = 4x112 (SYMBOLUM/​CHRISTUS).

Dein ist allein die Ehre

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