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Das Kind in Ketten
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Fahnen mit dem Walknoten—drei verflochtene Dreiecke—flogen an den drei Palästen am Idafeld. Folkwang war vollständig errichtet worden und Freya seither im vollen Gange ihre Hälfte der Armee der Götter in Wissen und Magie auszubilden. Die Einherjer in Walhalla hingegen, kriegerisch in ihrer Natur, suchten einen Wettstreit gegeneinander, dem Odin zustimmte, denn die Gefallenen bräuchten ständiges Training, um nicht aus ihrer Form zu fallen. Ihr einziger Grund Odins für ihr Weiterleben war schließlich der eventuelle Krieg, der laut der Prophezeiung der Nornen kommen sollte. Was neun ist, wird eins. Odin würde alles in seiner Macht tun, damit die letzte Welt Asgard sein würde.
Täglich kämpften die Einherjer und täglich musste die Walküre Hildr und ihre Schwestern die Toten erwecken. Die Kämpfe waren brutal und intensiv, niemand schenkte seinem Gegenüber auch nur eine Sekunde Gnade noch Reue. In dem sonst gewaltfreien Asgard floss wieder Blut. Dies ging nicht spurlos an Fenrir vorbei. Seit Odin den Dichtermet nach Asgard schmuggelte, war er ruhelos, da der Wolf das Blut in der Luft roch. Nun floss Blut täglich und färbte die Wiesen im Idafeld schwarz. Den Wolf zu bändigen stellte eine immer schwierigere Herausforderung für Tyr da. Der Instinkt des Tieres gewann die Überhand und Fenrir rannte zu den kämpfenden Einherjer. Sie kämpften, doch selbst die Stärksten erlagen erbärmlich den Fängen des Wolfes. Es benötigte die Gebündelte Kraft Thors, Tyrs und Odin, um Fenrir still zu halten, damit Skadi ihn mit einem Giftpfeil zum Schlafen bringen konnte. „Mit der Dosis dieses Gifts könnte ich tausende Joten das Herz still legen, ganz zu Schweige von Einschlafen“, kommentierte Skadi im Rat der Asen, dem sie wegen ihrer ständigen Hilfe beiwohnen durfte.
„Wir können den Wolf nicht länger frei herumlaufen lassen. Wer weiß, was er als Nächstes tut? Es ist ein Biest, ein Monster, und Monster gehören tot!“ zürnte Freya, deren Auserwählten schmachhaft gegen Fenrir verloren hatten.
„Er ist immer noch mein Sohn!“ rief Loki zornig und trat seinen Stuhl weg beim Aufstehen.
„Freya hat aber Recht“, sprach Tyr und begründete: „Wir wissen nicht, was Fenrir als nächstes tun wird. Ich bin alleine nicht mehr im Stande, ihn im Zaum zu halten.“
„Wir werden ihn nicht töten“, entgegnete Odin. Er wog seine Optionen ab: Würde ein gigantischer Wolf ihm mehr nützen oder eine schier endlose Zahl an Kriegern? Er wollte Beides. „Wir legen Fenrir in Ketten.“
„NEIN!“ schrie Loki.
„Es ist fürs Beste. Thor, Tyr, wir halten ihn wieder fest, sollte er erwachen. Hermod, du wirst ihm die Ketten anlegen.“
Fenrir erwachte und streckte seine Beine gähnend. Tausende Kettenglieder sprangen auf als wären sie Weizensprossen. Der Wolf schüttelte sich und warf dabei die restlichen Eisenfragmente ab. Der Wolf hechelte Odin lächelnd an, der zwischen den sprachlosen Asen stand. „Ich habe es euch doch gesagt“, brach Odin das Schweigen und näherte sich dem Wolf, „Fenrirs Stärke (Der Wolf neigte seinen Kopf zur Seite und spreizte seine Ohren) lässt sich nicht von einfachen Eisenketten bändigen. Was sagst du, willst du ihnen deine ganze Kraft präsentieren?“ Der Wolf hechelte glücklich und heulte darauf. Odin schickte seinen Sohn Hermod die stärksten Ketten in Asgard zu bringen.
Beim Anlegen der Ketten blieb Fenrir gänzlich ruhig und half ihnen sogar, indem er seine Beine hob. Nicht eine Sekunde nach dem Verschließen der Kette zerbrach Fenrir sie. Er sprang umher und heulte auf, endlich spielte jemand wieder mit ihm.
„Wir müssen ihn leider töten“, sagte Odin mit schwerem Herzen dem Rat der Götter. Obwohl der Wolf ihm nun Kopfschmerzen bereitete so hatte er dennoch eine Verbindung mit diesem entwickelt. Er hatte sich vorgestellt, dass er den Krieg mit Fenrir gemeinsam kämpfen würde. „Mit jedem vertanem Tag wird er größer wachsen und irgendwann wird kein Gift ihn beruhigen können.“ Viele stimmten ihm zu.
„Nein, bitte, lasst es mich noch einmal versuchen“, entgegnete Loki. „Ich werde zu den Zwergen fliegen und nachfragen, ob sie mir eine Kette schmieden können. Sie können doch sonst alles.“
„Du kriegst neun Tage, Loki“, willigte Odin ein.
In Nidavellir ging Loki—verkleidet—zu Ivaldirs Enkeln. Er sagte ihnen, dass niemand die Härte Ivaldirs geschmiedeten Speers Gungnir in eine dünne und lange Form wie ein Haar schmieden könnte. Die Zwerge überzeugten vom Gegenteil und schmiedeten Gleipnir, eine hauchdünne Kette, dessen Glieder, nach ihrem Eigenlob zu urteilen, gegossen waren aus dem Laut eines Katzenschritts, dem Bart einer Frau, den Wurzeln eines Berges, dem Atem eines Fisches und der Spucke eines Vogels. Als Loki die Kette an sich nehmen wollte, verlangten die Zwerge ihre gebührende Entlohnung. Darauf erwiderte der Täuscher, dass er erst von der Stärke Gleipnirs überzeugt werden müsste und wollte Odin und Thor bitten, mit ihren Waffen die Kette zu versuchen zu zerstören; dafür müsste er die Kette jedoch erst nach Asgard bringen. Würde die Kette niemals brechen, so würde er sie entlohnen. Verärgert, aber verständnisvoll stimmten die Zwerge Lokis Bedingung zu.
In Asgard erwarteten die Götter und Fenrir ihn bereits. „Verzeih mir, mein Sohn“, dachte sich Loki, als er zu ihnen ging. Fenrir sah die Trauer in den Augen seines Vaters und sprang stets fort, als sie ihm die Kette anlegen wollten. Er wehrte sich vehement und durchschaute die Lüge seines Vaters, dass sie ihn losbinden würden, sollte er es nicht schaffen, die Ketten zu brechen.
„Fenrir, wenn du deine Stärke nicht beweisen willst, dann geht das in Ordnung“, sagte Tyr und näherte sich dem Wolf. „Hier, es ist wieder Zeit etwas zu essen.“ Tyr streckte seine Hand mit einer von Iduns Beeren drin liegend aus. Fenrir war skeptisch, roch an der Hand und schleckte mit einem Zungenstrich die Beere von Tyr. In dem Moment, als die Zunge seine Hand berührte, packte Tyr jene und rief: „Jetzt!“ Die Götter warfen blitzschnell die haardünne Kette um den Wolf. Seine Zunge im festen Griff Tyrs, kauerte und winselte er. Bevor Fenrirs Maul gefesselt war, biss er die Hand, die ihn fütterte, ab und riss Tyr dabei den Arm von der Schulter. Das Schloss der Kette wurde geschlossen und vernarbte sich mit den anderen Gliedern. Gleipnir hielt, was die Zwerge versprachen: Die Kette widerstand der enormen Kraft des Wolfes.
„Freya kann dir den Arm wieder herzaubern“; sagte Thor zum Verwundeten. Odin schüttelte den Kopf und erzählte ihnen, dass Seidr nicht auf Asen wirkte.
„Es ist schon gut“, entgegnete Tyr, „es ist ein kleiner Preis für meine Unwahrheit.“
Fenrir konnte sein Maul weit genug öffnen, um zu heulen. Um dies zu unterbinden, banden sie ein Schwert an seine Zähne, das ihn schnitt, sollte er sein Maul zum Heulen schließen. Sein Maul füllte sich mit Speichel und Schaum—ein abartiger Gestank—und floss heraus. Fenrir wurde von Odin in eine weitentfernte Ecke Helheims getragen, wo sein Gejammer keinen in Asgard stören konnte. So verharrte der Wolf, gebunden, angekettet, verraten.
Freya sehnte sich nach dem Triumph über die Monsterbrut Lokis wieder nach ihrem Ehemann. Sie würden ein drittes Kind kriegen. Sie nannten ihren dritten Sohn…