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Die Geburt des Lichts
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„…Baldur. Weil er noch schöner als Sols Gespann strahlt. Schau nur, Odin, wie alle voller Freude sind“, sagte Freya glücklich wie nie zuvor in ihrem Leben. Der Einäugige blickte sich im Raum und sah wie seine Kinder mit Lebenslust und Liebe aufleuchteten. Er küsste seinen neugeborenen Sohn auf das Haupt und legte ihn wieder in die Arme seiner Mutter.
„Baldur, alle Welten werden von deinem Licht erfahren“, sagte Odin, bevor er sich in seinen Wunschmantel einhüllte und acht Ringe Draupnirs zusammen mit einem Brocken aus Sols Gespann ins Nachtzelt platzierte.
*
Im Königshaus herrschte Unruhe. Seit einigen Stunden warteten die Freunde und Diener des Königspaars auf Neuigkeiten von der Geburt: Wird es ein Junge; wird es ein Mädchen? König Sigurd blickte hoch in den Himmel und sah, wie eine neue Sternenkonstellation dort oben funkelte, die Spitze heller als alle umliegenden Sterne. „Die Götter sind euch wohl gesonnen in dieser Nacht“, fügte sein Freund Jarl Erik Ragnarsson hinzu.
„Bahahaha, mein Sohn wird der größte König sein, den die Welt je gesehen hat“, antwortete der König.
„Jahaha“ lachte Gungnar Hjorsson und klopfte seinem Freund auf den Rücken, „Ich dachte, dass wolltest du immer sein. Wofür hab ich deinen Arsch denn sonst gerettet, jahahaha.“
„Du weißt, ich wollte es nie sein“, verteidigte Sigurd sich und blickte dabei auf Erik Ragnarsson. Eine Dienerin kam herein und bat den König, zu seiner Frau zu kommen. Er verabschiedete sich von seinen Freunden und ging ins Nebenzimmer. Er biss die Nabelschnur ab und nahm vorsichtig den blutbedeckten Säugling in die Hände. „Erik Sigurdsson…der größte König. Bahahaha.“ Draußen freuten sich die Untertanen, als sie den gesunden Schrei des Säuglings hörten und tranken auf seine Zukunft. König Sigurd setzte sich zu seiner Frau Brünhilda und gab ihr den kleinen Erik in die Hand, den sie in Leinen wickelten.
„Unser erster Sohn, Sigurd“, sagte die Königin und küsste ihr Kind auf die Wangen und aufs Haupt. Ein dünner Schopf brauner Haare schmückte es. Sein Duft erinnerte sie an vergangene Tage. „Wir lieben dich, Erik. Und die Götter ebenso.“
In der Stadt wurde ausgiebig die Geburt des Prinzen gefeiert. Auch Reisende und Wanderer versäumten nicht, die freien Speisen und Tränke zu kosten. „König Sigurd“, flüsterte ein Diener ihm ins Ohr, „draußen ist ein alter Greis, der um einen Platz am Feuer in deinem Haus bittet.“ Der König nickte und gestikulierte, er solle ihn zu ihm bringen.
Ein gebückter, weißbärtiger Mann trat vor ihm, nur ein blaues Auge schien aus dem Schatten seiner Kapuze. „Einäugig wie ich? Bahahaha. Kommt, setzt euch und feiert mit mir die Geburt meines Sohnes. Gebt dem Mann hier einen Becher Met und eine saftige Fleischkeule.“
Dankend nahm der Mann die Speisen an. Er hob seinen Becher und sprach: „Möge euer Sohn ein großer König sein wie Ihr. Sköll!“ Dann setzte er sich an einen freien Platz am Feuer.
Am nächsten Morgen fragte König Sigurd nach dem alten Mann, doch niemand schien ihn gesehen zu haben. „War es Odin?“ fragte seine Frau Brünhilda ihn, während sie den kleinen Erik stillte.
„Ob es nun Odin war oder nur ein hungriger, alter Mann: Er saß mit uns und wünschte unserem Sohn und mir Wohl. Bahahaha. Magst du es glauben: Ein größerer König als ich. Bei seinem Appetit wird er größer sein, ja, wenn nicht unbedingt höher“, lachte Sigurd.
Zwanzig Jahre sind seit der Geburt von Erik Sigurdsson vergangen. Fünf Geschwister sind nach ihm gekommen. Seine zwei Schwestern Erika und Helga sowie der jüngste Sohn Björn waren daheim bei ihrer Mutter Brünhilda geblieben, während Erik und seine Brüder—Sigurd und Fjörnir—mit ihrem Vater auf einen Beutezug gingen. Es war das erste Mal, das der vierzehnjährige Fjörnir Sigurdsson mitkommen durfte. Ihr Vater, der König, wollte ihn nicht mitbringen, aber ihr letzter Schamane, der stets mit ihnen auf Raubzüge mitkam, war bei der letzten Überfahrt zur Heimat mit seinem Schiff in einen Sturm geraten und umgekommen. Erik hatte es miterlebt und fürchtete seither das Meer, nicht mal seinem schlimmsten Feind wünschte er einen solchen Tod, einem einsamen Tod von Jörmungand und ihrer Brut in den Tiefen des Meeres zum Fraß zu verderben. Sein junger Bruder Fjörnir wurde auf diesen Plünderungszug mitgenommen, weil er viel beim alten Schamanen Umber in ihrer Heimat in Sigurdssaal gelernt hatte und die Bräuche und Rituale kannte. Der Alte hatte sein Talent für die Runen so gelobt, dass er behauptete, Odin selbst hätte ihm diese Gabe geschenkt.
Das Meer war ruhig. König Sigurd hatte dem Wolfsprinzen die Verantwortung für die Schiffsfahrt für die Nacht übergeben. Den Beinamen „Wolfprinz“ verdiente sich Erik mit elf Jahren, als er mit seinen Freunden in den Wald gegangen war und dort ein einsamer Wolf sie angegriffen hatte. Erik schützte seine Freunde, kämpfte mit bloßen Händen gegen den Wolf und erwürgte ihn. Der Schädel des Wolfes wurde in einen Helm verarbeitet, den Erik seit seiner ersten Raubfahrt trug, und die restlichen Knochen wurden beim Schmieden seines Schwertes mit dem Eisen verschmolzen. Neidisch auf den Beinamen, wollte sein kleiner Bruder Sigurd ebenfalls endlich einen Beinamen kriegen. König Sigurd, ihr Vater, nannte ihn darauf den Fuchsprinzen, weil seine Haare rot waren wie der Pelz eines Fuchses. Der kleine Sigurd übernahm trotz des Witzes seinen Prinzennamen mit Stolz und trug zu jedem Wetter einen Fuchspelz auf den Schultern. Auch der jüngste Prinz Björn erhielt einen Beinamen. Er erhielt seinen Namen und Beinamen—der Bärenprinz—schon bei der Geburt, weil er ein unglaublich schweres und großes Neugeborenes war. Er war somit der erste Sigurdsson nach seinem Vater, welcher einen Beinamen erhalten hatte.
Es war eine mondbeleuchtete Nacht. Erik blickte in den Himmel und sah den hellen Stern der Konstellation Baldurs, der laut seinem Vater in der Nacht erschienen war, als er geboren wurde. „Wenn du dich jemals verirrst, folge diesem Stern. Er wird dich immer nach Hause führen“, waren die Worte von seiner Mutter Brünhilda vor Eriks erstem Raubzug. Sie segelten aber nicht nach Hause, sondern entgegen der Richtung des Sterns, in ein fremdes Land.
Erik schaute rüber zu den anderen Booten, wie ein Pack Wölfe die übers Land strichen. Der Wind war günstig und sie glitten übers Meer wie Adler am Himmel. Sein Bruder Fjörnir schnarchte und Erik musste lachen. Er musste vor acht Jahren ebenso grün gewesen sein. Damals war er alleine, morgen würden zwei seiner Brüder an seiner Seite mitkämpfen und in etwa zehn Jahren würde er seinen eigenen Sohn Ralph Eriksson auf einen Raubzug mitnehmen dürfen.
Die Sonne ging im Osten auf und wärmte ihnen die Rücken. Erik befahl einen Raben freizulassen. Die schwarzen Federn hoben hoch in die Luft, bevor der Vogel schnurstrakst nach Süden flog. Erik blickte links und rechts. Alle Seemänner waren hellwach und folgten dem Rabenflug. Sein Vater stand hinter ihm und legte seine Hand auf seine Schulter. „Heute wird ein guter Tag“, verkündete der König. Dann pissten sie über die Bootskante, wobei einige Tropfen Fjörnir weckten. Eifrig schüttelte er den Kopf und sah nur, wie die anderen auf dem Boot ihn auslachten. „Deswegen steht man auf, sobald Sol ihren Wagen zieht“, scherzte König Sigurd und setzte sich wieder. Ihm wurden die ersten Eier gebracht, die die Hühner auf dem Boot gelegt hatten. Er klopfte das obere Ende auf und saugte das Innere heraus. „Nimm du das Zweite, Fjörnir. Heute wirst du zum Mann.“ Fjörnir ahmte seinen Vater nach, jedoch schüttelte er den Kopf beim Hinunterwürgen des Dotters. „Bahahaha. Heute Abend wird es schon wieder ein Fest geben, mein Junge.“ Er gab seinem Jungen den Beutel mit Quellwasser und bediente sich selber mit einem Biergefüllten.
„Land voraus, König!“ rief einer am Bug. Erik ging zu ihm, kletterte auf die Kante und hielt sich am Vorsteven, welcher wie ein Wolfskopf geschnitzt war—das Boot war ein Geschenk seiner Eltern. Erik blickte zurück zu seinem Vater, ein Grinsen verzierte beide ihre Gesichter.
Sie zogen die Segel in Küstennähe ein und ruderten zum Strand. Fjörnir sprang vom Boot. Das kalte Wasser biss sich bis in die Knochen, doch er sammelte sich und zog das Boot mit seinen Kameraden auf den Kiesstrand. Der Wind hatte sich gelegt. Bis auf das Packen der Ausrüstung ertönte nichts am Strand, kein Tier alarmierte ihre Ankunft, kein Wort wurde gesprochen; sie waren nicht auf ihrer ersten Überfahrt und wussten ihre Rollen zu erfüllen. Nur Fjörnir packte ahnungslos irgendwo mit an, wo Erik mithalf. Der König wies fünf Leute bei den Booten zu bleiben; der alte Greis unter ihnen nahm es mit gesenktem Haupt an—seine Tage des Kampfes waren vorüber.
Erik Sigurdsson führte die eine Hälfte der Truppen durch den Wald, sein Vater die anderen. Sie waren bereits zweimal an diesem Strand angelegt und kannten den Weg zur nächsten Gemeinde und Plätze zum Campieren. Sechs Jäger trennten sich von der Gruppe. Nach zwei Stunden heiterem Marsches waren sie wieder still vorangeschritten. Sie waren nun soweit gelaufen, dass sie einem verirrtem Jäger oder Pilzsammler begegnen könnten. Ihre Jäger waren bereits mit einem Reh und zwei Hasen zu den Booten zurückgekehrt. Die Beute war kaum ausreichend für ein Festmahl, aber sie hatten schließlich noch nicht geplündert.
Erik hob seinen Arm und seine Einheit stoppte wortlos. Die hinteren Krieger sahen nicht weshalb, aber in der Ferne war eine Lichtung zu erkennen. Als sie niemanden erkennen konnten, gingen sie weiter voran. Aus der Lichtung erstreckten sich zertrampelte Pfade und freigeräumte Wege. Eine Gemeinde müsste in der Nähe sein! Erik hob erneut seinen Arm. Jeder stoppte umgehend und der Wald verstummte. Da hörten sie zwei Kinder. Er blickte zu seinem Bruder Sigurd, der verständlich nickte, sein Haar schien mit dem Fuchspelz eins zu sein. Er pirschte sich mit seinem Cousin Leifi Olafsson nach vorn. Nach einigen Minuten kamen sie zurück und der Marsch ging weiter. Die Kinder lagen tot in den Büschen, ihre Körbe mit Pilzen wurden mitgenommen.
Blutig tränkte die Sonne die Welt rot. Ein Botschafter vom Trupp des Königs kam ihnen entgegen. Der König und seine Männer standen bereit, die Gemeinde von der anderen Seite anzugreifen. Sie würden losstürmen, sobald das erste Gebäude brannte. Erik überließ diese Aufgabe wieder seinem Bruder und ihrem Cousin Leifi. Er gab ihnen Feuersteine und verabschiedete sich nickend.
Sigurd Sigurdsson ließ die Einheit des Wolfsprinzen weiter im Wald lauern, während er und sein bester Freund Leifi Olafsson ins Dorf schlichen. Unbemerkt gelangen sie in eine Scheune, wo Leifi einem Burschen, der den Mist säuberte, die Kehle durchschnitt und außer Sichtweite trug. Die Tiere waren glücklicherweise draußen und keiner wurde alarmiert, um nach ihnen zu sehen. Sigurd kletterte hoch und schmiss Heu hinunter. Sie verteilten das trockene Gras in der Scheune. Drei Klick‘s mit den Steinen und Funken sprangen über. Leifi pustete das Heu in seiner Hand, bis es ordentlich aufglühte und letztlich Feuer fing, dann legte er es in den größten Haufen. Sigurd schnappte sich ein Bündel und hielt es über der Flamme, kletterte damit hoch und zündete das restliche Heu auf dem Dachboden an. Bevor der Rauch sich ausbreiten konnte, waren sie wieder zurück bei Eriks Einheit. „Saubere Arbeit“, sagte er.
Sie harrten einen Moment im Schatten der Waldkrone, bis die hölzerne Scheune in Brand stand und die Dörfler aufschrien. Sie gingen raus, rannten. „Räuber!“ schrie ein Dorfbewohner und zeigte auf die stürmenden Wikinger. Er entkam den Pfeilen und alarmierte die Kapelle. Als die Glocken schlugen, war die Gemeinde von beiden Seiten gestürmt worden. Todesschreie und die Schreie der Räuber hallten durch das Dorf. Einige wenige Tapfere verteidigten ihre Familie mit ihrem Werkzeug oder mit Waffen, wenn sie vermögend genug waren. Sie wurden zu den ersten Opfern—nur Wertvolles wurde beschützt.
„Auf dem Pferd! Schießt ihn runter!“ befahl Erik, doch die Pfeile trafen den Reiter nicht und er entkam. Das Gemetzel fuhr fort, als Erik seinen Vater aufsuchte.
König Sigurd hatte keine Waffe gezogen, sondern stand einige Meter hinter seinem Sohn, Fjörnir. „Links im Haus“, rief er zu ihm. Fjörnir folgte den Worten seines Vaters und trat die Tür einer Hütte ein. Eine Frau mit ihren zwei Kindern kauerte in der Ecke und schrie—er kannte ihre Sprache nicht, aber war sicher, sie wollten, dass er sie am Leben ließe. „Sie flehen um die Gnade ihres einen Gottes, nicht um deine. Pass auf!“ Ein junger Knabe sprang aus der Ecke hervor und schlug mit einem Stock auf Fjörnir ein. Er spürte nichts von den Schlägen, sein Lederharnisch absorbierte die Hiebe. Fjörnir schlug mit seinem Schild das Gesicht des Jungen ein und er fiel umgehend zu Boden. Seine Mutter schrie beim Anblick der blutigen Nase ihres Kindes. Sie stellte sich auf und schob ihre Kinder hinter sich. Sie stammelte weiter und bewegte ihre Hand von Schulter zu Schulter, Kopf zur Brust.
Bevor Fjörnir ausholen konnte, stürmte ein anderer Wikinger herein. „Bitte, König, lasst sie mir lebend.“ Fjörnir schaute zu seinem Vater, der stumm nickte und hinausging. Bevor Fjörnir die Hütte verließ, blickte er ein weiteres Mal hinein: Die Frau wurde weinend an die Wand gepresst, ihre Kleidung zerfetzt. Ihre Kinder hockten weinend in der Ecke und schauten machtlos zu, wie ihre Mutter vergewaltigt wurde. „Fjörnir, komm!“ befahl sein Vater und sie gingen weiter. Sein Bruder Erik kam ihnen entgegen, seine Rüstung und sein Schwert waren blutbespritzt. Er erzählte ihrem Vater, dass ein Reiter entkommen ist. „Drei Gruppen von zwei Mann an jedem Pfad aus der Stadt. Sie sollen den Pfad unbemerkt beobachten.“ Erik ging los und sammelte die nächsten Männer, die gerade unbeschäftigt waren. Fjörnir und König Sigurd gingen zum Zentrum, von wo Glocken geläutet hatten. Vor der größten Hütte in der Gemeinde sammelte sich ein großer Teil der Einheiten. Stolz prahlten sie mit dem Gut, dass sie bereits gefunden hatten, oder erzählten von den resistenten Knaben, die sie erlegt hatten. Der König ging zuerst zu seinem Sohn Sigurd Sigurdsson und betrachtete die frische Schnittwunde, die durch seine linke Wange ging. „Endlich siehst du nicht mehr aus wie deine Mutter. Bahahaha.“ Ihrem Gelächter schlossen sich die Versammelten an. „Du und Fjörnir gehen als erste rein.“
„Danke, Vater. Komm, Bruderherz!“ Sigurd stellte sich an die linke Torhälfte, Fjörnir an die Rechte. „THOR!“ schrie Sigurd und sie traten gemeinsam das Tor auf. Vor ihnen erstreckte sich ein Durchgang, links und rechts reihten sich Bänke, auf denen einige saßen oder davor knieten. Am anderen Ende des Gebäudes prunkte ein hölzernes Kreuz, davor stand ein Mann in sauberen, teuren Roben. Ein Altar streckte sich, welches einiges Gold– und Silberschmuck hielt. Sigurd ging gelassen durch, keiner bemühte sich ihn in irgendeiner Weise zu stoppen. Stattdessen führten sie dieselbe Bewegung aus wie die Mutter in der Hütte und tippten sich auf Schultern, Stirn und Brust. Fjörnir dachte, es wäre eine Art Zauber, aber als er sah, wie Sigurd dem Mann in den teuren Roben mit seinem Schwert den Bauch durchstach, wusste er, dass ihr Ritual keinen Effekt hatte. Endlich besann sich jemand, Sigurd anzugreifen. Fjörnir rannte los, um seinen Bruder zu schützen. Sein Arm hob sich und streckte den Fremden nieder—so wie er es daheim trainiert hatte. Sein Schwert schnitt problemlos durch die rechte Bauchseite des Mannes und er brach zusammen. Schreie echoten durch den großen Raum. Der Mann am Boden zappelte noch einige Minuten, selbst nachdem die anderen Wikinger den Raum von jeder Kostbarkeit leergeräumt hatten. Allein aus der Hütte ihres Gottes nahmen König Sigurds Männer über vierzig Gefangene.
Fjörnir schaute auf den leeren Altar, eine Sache ließen seine Leute zurück. Er fühlte die Oberfläche: Leder verziert mit gold–gelbenen Runen. Er öffnete das Buch und strich über die Runen, über die Bilder. Das Pergament fühlte sich rau an und dennoch strich er gerne darüber. Er glitt an der Seite des Papiers und zuckte zurück. Ein unangenehmer Schmerz pochte von seinem Finger, Blut tropfte heraus. „Schau nur wie mächtig ihr Gott ist“, scherzte Erik, der seinen Bruder beobachtet hatte. „Ich wusste, dass dich ihre Runen faszinieren würden. Dies (Erik hob das Buch) ist das Wort ihres Gottes. Aber jedes Wort unterliegt dem Eisen. Komm jetzt, Vater will etwas verkünden.“
Sie gingen hinaus, ihre Landsleute hatten sich bereits versammelt. Oben auf einem Dach standen zwei Raben und schauten ihnen auf ihren hohen Plätzen zu. König Sigurd befahl seinen Leuten, diese Nacht ausgiebig zu feiern, denn in einigen Tagen würde der wahre Kampf stattfinden. „Esst, wie ihr noch nicht gegessen habt; trinkt, wie ihr noch nicht getrunken habt, aber lasst den Met für unsere Verwundeten; und bereitet die Opfer für die Götter vor!“
Am Abend wurde Fjörnir zu seinem Vater geordert. Er hatte eine Hütte mit Steinwänden für sich beansprucht. Sigurd gab seinem Sohn ein Becher gefüllt mit Met. „Du sagtest, es ist nur für die Verwundeten.“
„Soll ich dir erst eins Überbraten, damit du es trinkst, bahaha.“ Fjörnir trank einen tiefen Schluck vom süßen Wein und schaute das knisternde Holz im Herd an. „Trink aus und geh dann ins Zimmer nebenan. Du bist nun ein Mann.“ Fjörnir leerte den Becher und gab ihn seinem Vater zurück. Er öffnete die Tür zum Nebenzimmer und sah eine junge Frau am Bettrand sitzen, die Decke über ihre Schulter gezogen. Sie weinte leise in ihre Hände. Eine Hand schlug an die offene Tür. Es war die von König Sigurd. Er rief etwas in der Sprache des Landes und die Frau stoppte ihr Weinen. Sie warf die Decke aufs Bett und enthüllte ihren blanken Körper. Sigurd stupste seinen Sohn tiefer ins Zimmer und schloss die Tür. Sie hatte strubbeliges schulterlanges Haar. Ihre Haut war dunkel wie die eines Bauernweibs, doch ihre Brüste und Hüfte waren bleich, im Mondlicht wirkten sie noch weißer als frischer Schnee. Sie wendete ihr Gesicht von ihm. Er beobachtete sie einige Augenblicke. Die Haut um ihre Nippel prickelte auf. Ihr Körper zitterte.
Ein Schlag an der Haustür. Die nackte Frau blickte auf und Fjörnir sah nun, dass sie blaue Augen hatte. Er erkannte, dass sie nur etwas älter als er gewesen sein müsste. Er ging einen Schritt zu ihr und sie zuckte sofort von ihm weg. Vorsichtig näherte er sich dem Bett, nahm die Wolldecke und hüllte sie wieder damit ein. Ihr Körper zitterte nicht mehr, ihre Augen jedoch umso stärker.
Ein Klopfen an der Zimmertür. „Fjörnir“, es war die Stimme seines Bruders Sigurd, „wie lange brauchst du denn noch? Wir wollen auch noch ran.“ Der König lachte im Hintergrund.
Das Mädchen schüttelte den Kopf, als hätte sie die Worte des Nordmannes verstanden. „Ich bin wieder weich, danke“, erwiderte Fjörnir. Die zwei Sigurds lachten. Das Lachen des Königs verdumpfte—er ging raus. Fjörnir schob das Mädchen beiseite und setzte sich ans Bett, seine Stiefel auszuziehen. Er war halbwegs mit dem Lösen der Laschen zu Ende, als das Mädchen sich niederkniete und ihm half. Die Sohle war vermischt mit Dreck und Blut, doch im schwachen Kerzenlicht sah sie es nicht. Nachdem sie seine Stiefel ausgezogen hatten, zeigte er auf das Fenster hinter ihr, wo einige einsame Augen vom Lagerfeuer hereinspannten. Sie hielt fest an der Wolldecke und schloss das Fenster. Nur die Flammen der Kerzen erleuchteten noch das Zimmer. Fjörnir legte sich mit dem Rücken aufs Bett, seine Hände hinterm Kopf. Das Mädchen legte sich ihm abgewandt daneben aufs Bett.
Ein Schlag an der Tür, das Mädchen erschrak. „Immer noch nicht? Kuscheln kannst du mit deiner Frau. Los, raus jetzt, Fjörnir!“ rief Sigurd durch die Tür. Das Mädchen warf die Decke über Fjörnir und legte sich über ihn. Ein Augenblick darauf trat Sigurd herein. „Wieder weich geworden?“ lachte der Fuchsprinz beim Anblick seines Bruders mit der Irin auf ihm.
„Wenn ich deine Fresse sehen muss“, konterte Fjörnir, doch tatsächlich war er alles andere als weich geworden. Er spürte die Wärme des Mädchens ihn bemächtigen.
„Ich such mir dann jemand anderes. Morgen ist auch noch ein Tag“, und damit verabschiedete sich Sigurd und ließ die Tür hinter sich zufallen. Fjörnirs Hände tasteten unter der Decke und sie glitten über die straffe Hüfte des Mädchens. Sie wich zurück, doch er drückte sie zu sich. Er setzte sich hoch und warf sie mit dem Rücken aufs Bett. Wollust überkam ihn.
*