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Vor dem Licht Ein neuer Freund

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Thor spaltete dem letzten fliehenden Joten den Schädel. Seit drei Jahren durfte er nun alleine durch die Welten reisen. Sein Vater Odin empfand, dass ein Junge abenteuerlustig sei und er wusste von Thor, dass ihm nichts zustoßen würde. Thors Stärke war bereits als kleines Kind gleichzusetzen mit der von seinem Vater.

Das Blut aus den Leichen des Ehepaares färbte den Schnee um sie rot. Jotunheim war ein kalter, trostloser Ort, indem der Winter nie aufzuhören schien; nur selten verirrten sich wärmende Strahlen, wenn Sol ihr brennendes Gespann vorbeizog. Deshalb blieb Thor an der Grenze zwischen Jotunheim und Midgard, damit die Asengeschwister, die Sonne und Mond über den Himmel zogen, ein Auge auf ihn werfen konnten.

Thor wischte seine Axt an den Leibfetzen eines der Toten sauber, als er einen Jungen aus einer Höhle kommen sah. Der Junge hatte schwarzes Haar und trug einen weißen Bärenpelz um seine Schultern. Seine Augen glühten rot. Thor schmiss seine Axt nach ihm, aber der Junge rollte frühzeitig zur Seite. Blitzschnell zog Thor eine weitere Axt von seiner Hüfte und warf es auf jenen. Abermals wich der Junge im Eisbärenpelz aus und rannte auf Thor zu. Odins Sohn nahm naheliegende Steine und warf sie nach ihm. Nach drei misslungenen Würfen war der Junge in Armreichweite, seine Augen brannten rot wie die Glut eines Holzblocks, kurz bevor es erlosch. „Hab dich!“ sagte der Junge, als er Thor am Arm antippte. Danach rannte er wieder von Thor weg, doch hielt ihn im Auge, sodass der Ase ihn nicht sogleich fing. Thor lachte, warf den Stein in der Hand zu Boden und rannte dem Jungen hinterher. Thors orange Haare wehten mit dem kalten Wind.

Thor und Loki spielten immer zusammen, wenn Thor wieder in Jotunheim war. Wegen seiner Stärke hatte Thor von seinem Vater die Aufgabe erhalten, Midgard, das Reich der Tiere, von den Wanderern des Eis zu schützen—Thors Vater sagte, dass jeder sein Reich erhalten hatte, damit es zu keinen Streitigkeiten komme; leider jedoch gäbe es immer welche, die sich nicht an die Regeln hielten. „Du, Loki: Willst du mich mal in Thorheim besuchen kommen? Da ist es nicht so kalt und ich kann dir meine Sammlungen zeigen. Ich habe sehr schöne Schwerter zum Namenstag geschenkt gekriegt. Dann können wir mal richtig gegeneinander kämpfen.“

„Hihihoh“, lachte Loki, doch dann sank sein Kopf. „Aber ich bin ein Jote…“

„Das macht nichts. Mein Vater hat einen guten Freund namens Mimir mal nach Asgard eingeladen, der auch ein Jote ist. Ich bin sicher, Vater wird nichts dagegen haben, wenn du kommst.“ Die roten Augen des Jungen strahlten und er fragte seinen Freund, wie er denn nach Thorheim komme. „Also erst gehst du in Richtung Midgard; du läufst dahin, wo Sol Midgard verlässt“, Thor zeigte mit seiner Hand nach Westen. „Dann hältst du Ausschau nach einem Baum im Felde, dessen Früchte keine Vögel anlocken. Dieser Baum hat ein Loch und blickst du dort hindurch, kannst du Bifröst sehen. Es ist die bunte Brücke im Himmel, die von Midgard nach Asgard führt. Bist du erstmal dort, wird Heimdall dir zeigen, wie du zu mir nach Hause kommst.“

„Gut. Ich komme dann in fünf Tagen, ja?“

Thor nickte und sie warfen sich wieder mit Schneebällen ab.

Loki fand Bifröst dank Thors Beschreibung problemlos. Pfeifend hüpfte er über die Regenbogenbrücke und blickte durch das bunte Glas: Unter ihm war Midgard und weit im Osten sah er sein Zuhause, wo er damals Thor getroffen hatte. Es schien ihm alles so winzig von dort oben. Das Tor zum Reich der Asen war eine Festung. Es war der Palast von Heimdall und er entschied, wer sein Haus betreten und hindurch nach Asgard schreiten durfte. Der kleine Junge im weißen Bärenpelz blickte hoch auf die gigantischen Eingangstore. Er hob seine Faust, um daran anzuklopfen, doch die Tore knarrten vorher auf. Heimdall erwartete ihn bereits, er erspähte ihn schon über Bifröst kommen. Der Wächter hielt einen Speer in seiner rechten Hand und sein rechtes Auge drehte ständig umher, ständig wachend. Dann fixierten beide braunen Augen auf Loki und er fühlte sich unwohl. „Thor hatte mir schon gesagt, dass ein Wanenjunge kommen würde. Thorheim liegt ganz im Westen. Geh durch die Eingangshalle durch und du gelangst nach draußen. Lauf geradeaus und du gelangst nach Idafeld. Dort steht Odins Palast Gladsheim, du biegst aber zuvor links ab und gehst den Pfad entlang bis du einen Palast siehst, der noch im Bau steht. Thor wollte dort auf dich warten.“

Loki bedankte sich und ging durch die Eingangshalle. Am anderen Ende öffneten zwei riesige Asen die Tore und ein wärmendes Licht empfing ihn. Asgard eröffnete sich vor ihm. Saftig grün war das Gras, wolkenlos der Himmel. Selbst das Atmen schien ihn mehr mit Luft zu füllen. Am Horizont blitzte etwas Goldenes: Es müsste Gladsheim sein. Loki folgte dem Funkeln. Je näher er dem Gold kam, desto mehr sah er von Asgard. Imposante Häuser und prunkvolle Gärten tummelten sich über den ganzen Horizont. Eins war schöner als das andere, glänzender als die Regenbogenbrücke Bifröst, die er hierher überquerte. Er lief am ersten Palast vorbei, der ihn den Weg mit seinem blitzenden Dach zeigte, rüber zu einem riesigen Platz. Der Boden dort war bemalt und zeigte die Geschichte Odins und seiner Brüder Ve und Vili, wie sie Midgard aus dem Körper des Urvater der Joten, Ymir, geschaffen haben; Ve und Vili rissen ihm die Augen raus, während Odin ihn festhielt. Loki kannte die Geschichte, denn auch unter den Joten zollte man den Asen Respekt, wenn nicht unbedingt Wohlgefallen, aber er hatte sich Ymir immer größer vorgestellt.

Nach einem langen Marsch sah er den Palast im Bau und hielt Ausschau nach seinem Freund. In der Ferne sah er eine orange Fahne vom Haupt eines Jungen wehen und winkte ihm zu. Dieser begrüßte ihn mit einem Wurf eines Steins, dem er wie gewohnt auswich. Thor rannte zu ihm und wirbelte hinter sich eine riesige Staubwolke, sodass sich die Arbeiter am Palastbau vehement beschwerten. Thor berührte Loki an der Schulter, sagte „Du bist“ und rannte blitzschnell davon.

Nach einigen Stunden des Spielens kam Odin mit Heimdall an seiner Seite. Sie sahen wie Thor und der Junge mit Schwertern und Schilden gegeneinander kämpften. „HALT!“ hallte der tiefe Bass Odins durch Asgard. Thor ließ gehorsam sofort mit dem Kämpfen ab, Loki sah aber darin seine Chance und schlug Thors Schwert aus seiner Hand. Als er für den letzten Schlag ausholen wollte, griff Odin ihn am rechten Arm und drückte so fest, dass er die Waffe fallenließ. Blut floss aus der Stelle, wo die Fingernägel eindrückten. Loki blickte hoch auf den blondbärtigen Mann mit den blauen Augen. Lokis Knie zitterten. Es war das erste Mal, dass er Angst um sein Leben verspürte. „Ein Jote…Was hast du dir dabei gedacht, Thor?“

„Er ist mein Freund, Vater!“

Odin ließ Loki los und sprach gutmütig: „Wir können keine weiteren Joten hier aufnehmen.“

„Und dennoch stehst du hier! Und er auch!“ erwiderte Loki und zeigte auf Heimdall.

Heimdall hob seinen Speer, doch Odin lachte und wies dem Wächter, sich zurückzuhalten. Odin ballte seine rechte Faust, bis seine Nägel in seine eigene Handfläche schnitten und Blut herausfloss. Er packte mit der blutigen Hand die Wunde an Lokis Arm. Der Junge blickte in die blauen Augen Odins und bemerkte, wie sich dessen rechtes Auge von blau nach rot färbte. „Loki“, sagte Thor und zeigte auf Lokis rechte Auge, „Dein Auge ist blau.“

Odin ließ ihn los. Loki kniete sich vor das liegende Schwert und betrachtete sein Spiegelbild in der polierten Klinge. Er hatte nun ein blaues und ein rotes Auge. „Du hast nun Asenblut in dir“, erklärte Odin. „Du hast mein Blut in dir. Du darfst jetzt hier bleiben und keiner wird dir mein Gastrecht nehmen. Komm, Heimdall. Lass die Jungs weiterspielen.“ Odin kehrte ihnen den Rücken und ging zurück nach Gladsheim. Heimdall blickte skeptisch auf den Jungen, der Odin mit weiterem Jotenblut verschmutzt hatte, bevor auch er zurück zu seinem Wachposten in Himinbjörg ging. Wieder hatte der Allvater diese Joten aufgenommen. Zuvor hatte Odin dasselbe Blutmischen mit Mimir ausgeführt. Odin war willkommen zu den Joten, da seine Mutter Bestla selbst eine Jotin war. Auch sein Sohn Thor hatte eine Jotin zur Mutter, genannt Jörd. Heimdall mistraute der hinterhältigen Art der Joten, da er sie besser verstand als alle anderen—der Ase war selbst erschaffen worden von neun Jotinnen, neun Hexen; geschaffen worden, um ihnen als Wächter zu dienen.

Am Abend sammelten sich alle Asen und feierten die Aufnahme Lokis in ihre Reihen. Der Junge gefiel vielen dank seiner witzigen und verspielten Art, dem ständigen spielen von Streichen und erzählen von Witzen. Bevor der Met, welcher aus der Ziege Heidruns Euter gemolken wurde, ausgeschenkt wurde, brachte die Asin mit dem erdgleichem Haar jedem eine Himbeere und legte sie auf die Teller. „Nur eine Beere?“ fragte Loki seinen Freund Thor verwundert.

„Haha, natürlich nicht. Das richtige Festmahl kommt gleich. Idun sammelt Früchte und Nüsse über ganz Asgard, die uns Lebensenergie spenden. Deshalb sieht mein Vater immer noch so jung aus, obwohl er schon hunderte Jahre alt ist.“ Loki schaute auf den bärtigen Mann, den sie Allvater nannten. Ein rotes und ein blaues Auge…so wie er es nun hatte.

Ragnarök

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