Читать книгу Wenn zwei sich streiten, freut sich Brigitte - Käthe Lachmann - Страница 5

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1.

Es versprach, wieder ein freundlicher Tag zu werden. Brigitte stand in der Küche und schaute mit einem Becher Kaffee in der Hand aus dem Fenster. Alles sah wie frisch geputzt aus, die Blüten in ihrem kleinen Vorgarten leuchteten fröhlich bunt, und ihre Farben strahlten im Sonnenlicht. Gerade wollte sie zu einem gemütlichen Frühstück übergehen, da klingelte das Telefon.

Sie zog den Gürtel ihres Bademantels enger, als könnte man durch die Leitung sehen, dass sie noch nicht fertig angezogen war. Es war halb neun. Wer konnte das sein?

»Brettschneider?«, meldete sie sich und pustete in ihren Kaffee.

»Hallo, mein Name ist Berner-Hängeloh. Andreas Berner-Hängeloh. Ich habe Ihre Nummer von meinem Nachbarn, Herrn Semmering.«

»Ach, Herr Semmering, geht es ihm nicht gut?« Brigitte bekam einen Schreck. Schließlich war der Professor nicht mehr der Jüngste. Allerdings hatte sie ihn bisher nur bei Kleinigkeiten behandelt, er sprang sehr gut auf Bachblüten an und kam mit jeder Schürfwunde sofort zu ihr.

»Doch, doch, alles bestens, es ist nur so: Ich habe jemanden kennengelernt.«

Der Anrufer machte eine Pause.

»Das freut mich!«, sagte Brigitte, weil er es sehr fröhlich sagte. Sie beschloss, erst einmal freundlich abzuwarten und diesen verwirrten Menschen in Ruhe erzählen zu lassen, bevor sie sich ein Urteil bildete. Sie nippte an ihrem Kaffee. Herrlich, wenn der noch so heiß war, dass man sich fast den Mund verbrannte, aber eben nur fast. Das war die optimale Temperatur.

»Sie sind doch Paartherapeutin?« Herr Berner-Hängeloh klang jetzt etwas aufgeregt, und Brigitte genoss es, diese Frage mit einem eindeutigen »Ja, das bin ich!« beantworten zu können. Schließlich war sie inzwischen nicht mehr »nur« Heilpraktikerin, sondern seit der Prüfung vorgestern »Psychotherapeutin nach dem Heilpraktikergesetz mit Schwerpunkt Paartherapie«. Wie toll sich das anhörte!

»Können Sie uns helfen?«

»Wem denn?«

»Mir und der Frau, die ich kennengelernt habe.« Seine Stimme wurde ganz weich: »Sie ist wundervoll. Sie ist schön. Schlau. Witzig. Liebevoll.«

»Entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche, das ist ja alles sehr schön, aber wieso brauchen Sie denn Hilfe? Oder sollte ich besser fragen, wobei?«

»Nun«, der Herr am anderen Ende der Leitung räusperte sich, »ich möchte nichts falsch machen. Das ist die Frau meines Lebens. Mit ihr möchte ich alt werden.«

»Das klingt ja ganz wunderbar.« Brigitte setzte sich und nahm noch einen vorsichtigen Schluck. »Aber wo ist denn das Problem?«

»Nun, da gibt es keins. Also, noch nicht.«

Brigitte wartete einen Moment in der Hoffnung, dass sie endlich erfuhr, warum der Mann sie angerufen hatte. Der machte es aber auch spannend!

Es kam nichts. Also musste sie wohl weiterfragen: »Sie möchten eine Paartherapie? Und haben keine Probleme? Wieso wollen Sie das denn dann? Und, ganz wichtig: Wollen Sie das beide?«

»Wir haben noch nicht darüber gesprochen.«

»Das ist aber sehr elementar. Ich meine, natürlich können Sie auch alleine kommen–«

»Nein!«, unterbrach er sie mit lauter Stimme, dass es fast wie ein Hilfeschrei klang, bevor er ruhiger fortfuhr: »Das sollten wir schon zusammen machen, finde ich.«

»Ja, das denke ich allerdings auch. Dann besprechen Sie das doch mit Ihrer Frau«, sie zögerte, »oder Ihrer Partnerin. Und dann rufen Sie wieder an.«

»Sie … sie ist nicht meine Partnerin. Also, noch nicht. Jedenfalls nicht so richtig.«

Jetzt verstand Brigitte gar nichts mehr. O Gott, hatte Sibylle etwa auch manchmal mit solchen Psychopathen zu tun? Wie einfältig von ihr zu denken, dass es immer nur geordnete, normale Menschen waren, die sich an einen Paartherapeuten wandten. Es gab anscheinend, wie fast überall in der Gesellschaft, eben auch neurotische Nervensägen darunter, verstrahlte Egoisten und durchgeknallte Freaks.

Da der Mann nichts mehr sagte, fragte Brigitte noch mal nach: »Erklären Sie mir das doch bitte etwas genauer, ich verstehe Sie im Moment noch nicht so recht …«

»Also, was ich sagen möchte, ist: Ich habe diese Frau kennengelernt …«

»Wann?«, grätschte Brigitte dazwischen, weil sie das Gefühl hatte, das könnte eine ziemlich wichtige Frage sein.

»Gestern.«

Brigitte verschluckte sich. »Gestern? Das ist nicht Ihr Ernst!«

»Doch, das heißt, wir haben uns schon Freitag kennengelernt. Eigentlich. Aber seit gestern haben wir ein Date. Wir waren zusammen auf diesem Achtsamkeitsseminar. Ich hab sie gesehen und war vollkommen hingerissen von ihr. Eine tolle Frau! Umwerfend hübsch. Und eine Ausstrahlung, einfach faszinierend. Wir haben uns immer wieder angelächelt. Und in den Pausen kurz miteinander geredet. Und gestern Abend, als das Seminar vorbei war, da hat sie gesagt, es sei schade, dass das Wochenende schon vorüber ist, und ob wir uns nicht wiedersehen wollen. Und ich, ich war völlig von den Socken! Sie will mich wiedersehen! Und nun möchte ich nichts falsch machen.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Und sie auch nicht.«

Brigitte überlegte, ob der Herr das mit dem Achtsamkeitsseminar vielleicht falsch verstanden hatte. Ein bisschen zu viel »hier und jetzt«. Und vor allem viel zu viel »jetzt sofort«.

»Äh, Sie haben schon über eine Beziehung gesprochen? Das geht aber sehr schnell bei Ihnen …«

»Finden Sie? Na ja, wir, also Jennifer und ich, wir denken, je früher, umso besser. Wir haben unsere Erfahrungen gemacht. Und wir wollen jetzt wirklich von Anfang an alles richtig angehen. Und dafür brauchen wir Ihre Hilfe! Sie sind unsere Frau! Das kann kein Zufall sein, dass Herr Semmering am Freitag noch von Ihnen erzählt hat!«

Inzwischen war der Kaffee natürlich kälter geworden. Aber dieses Gespräch war es allemal wert. Wie abgefahren!

Brigitte hakte noch mal nach: »Also, Sie haben noch vor dem ersten Date beschlossen, dass Sie Ihre eventuelle Partnerschaft gleich von einer Paartherapeutin begleiten lassen wollen, um sicherzugehen, Fehler aus vergangenen Partnerschaften nicht zu wiederholen? Und Sie haben das beide schon so miteinander ausgemacht?« So etwas hatte sie noch nie gehört. Was waren das für Leute?

Der Mann – Herr Berner-Hängeloh – zögerte. »Na ja, nicht so richtig. Also, Jennifer ist eine tolle Frau, und ich weiß, dass sie das bestimmt auch gut finden wird. Wir ticken da sehr ähnlich, das habe ich schon gemerkt ...«

»Aber das müssen Sie doch mit ihr besprechen! Und ich kann Ihnen auch gar nicht garantieren, dass mit meiner Hilfe alles klappt; ich kann Ihnen höchstens Denkanstöße geben und zur Seite stehen, wenn Schwierigkeiten auftreten, Ihnen andere Blickwinkel eröffnen – aber ich habe kein Geheimrezept für die ewige Liebe, falls Sie das suchen …«

Herr Berner-Hängeloh lachte: »Doch, genau das, was Sie beschrieben haben, genau das wollen wir. Also, will ich. Und sehr wahrscheinlich auch wir beide.«

Brigitte überlegte kurz: »Sie wissen, dass das keine Kasse bezahlt?«

»Ja, klar, ich habe mich informiert. Heißt das, Sie machen es?«

Sie war sich nicht sicher. Das wäre ihr erstes Paar. Und dann gleich eine so ungewöhnliche Aufgabenstellung. Sollte sie für besondere Fälle nicht etwas mehr Berufserfahrung haben? Andererseits bedeutete es Geld! Und Erfahrung sammeln! Und eigentlich klang er ja ganz nett.

Sie gab sich einen Ruck. »Sprechen Sie mit Ihrer Herzdame. Ob sie sich das auch vorstellen kann. Und dann vereinbaren wir einen Kennenlerntermin. Und wenn wir Ihre Idee dann weiterhin alle gut finden, legen wir los!«

»Danke! Das ist toll! Ich bin mir sicher, wir hören uns demnächst wieder! Ich melde mich bei Ihnen! Bis bald!«

»Ja. Bis bald.«

Oder auch nicht, dachte Brigitte. Die Frau würde sich wahrscheinlich gleich wieder von ihm verabschieden, wenn er ihr mit solchen Ideen kam. Das war wie vor dem ersten Date einen Ehevertrag aufzusetzen und das Baugrundstück fürs Eigenheim zu organisieren! Sie schüttelte den Kopf. Leute gab’s. Das musste sie gleich Fred erzählen. Aber jetzt machte sie sich erst einmal fertig und fuhr einkaufen. Damit sie heute Abend feiern konnten.

Wenn zwei sich streiten, freut sich Brigitte

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