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2. Begründete Furcht

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Eine Furcht im Sinne der Definition aus § 3 Abs. 1 AsylG meint die subjektive seelische Verfassung des Betroffenen, die sodann begründet, also durch objektive Tatsachen gerechtfertigt sein muss.[13] Bei der Beurteilung dieses Umstandes hat sich eine subjektiv-objektive Betrachtungsweise durchgesetzt. Nach dieser kommt es darauf an, ob in Anbetracht der objektiven Umstände bei einem vernünftig denkenden und besonnenen Menschen in der Lage des Flüchtenden eine Verfolgungsfurcht hervorgerufen werden kann.[14] Indizien für die Beurteilung dieser Frage können dabei sowohl eine bereits (nachweislich) erlittene persönliche Verfolgung oder die bereits stattfindende Verfolgung von Verwandten oder Angehörigen (welche auf eine Gruppenverfolgung hinweist) darstellen.

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Lesen Sie die zitierte Norm!


In diesem Zusammenhang ist auch der sogenannte interne Schutz bzw. inländische Fluchtalternative zu beachten (vergleichen Sie die Ausführungen oben, Rn. 88). Bezieht sich die Furcht vor Verfolgung nicht auf das gesamte Staatsgebiet des Herkunftsstaates, bestehen also Fluchtmöglichkeiten innerhalb des Territoriums dieses Staates, so befindet sich der Flüchtende gerade nicht wegen seiner Furcht vor Verfolgung im Ausland. Für diesen speziellen Fall ist aber § 3e AsylG zu beachten. Als einschränkendes Kriterium wird nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG darauf abgestellt, ob von dem Flüchtenden vernünftigerweise erwartet werden kann, sich in dem sicheren Teil seines Herkunftslandes niederzulassen.[15]

Hinweis

Dies kann aber dann nicht erwartet werden, wenn in diesem Gebiet eine Hungersnot herrscht (es mangelt bereits am wirtschaftlichen Existenzminimum). Allerdings ist dies wiederum kein tauglicher Ausschlussgrund, sofern die Hungersnot im gesamten Herkunftsstaat wütet, denn die Hungersnot per se ist kein Verfolgungsgrund.[16]

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Dementsprechend ist eine umfangreiche Sachverhaltsaufklärung nötig, die regelmäßig auch eine Prognoseentscheidung erforderlich macht. Allerdings sind die zuständigen Stellen hierbei in ihrer Entscheidung nicht völlig frei. Um willkürliche Entscheidungen zu verhindern, müssen diese nachvollziehbar sein. Trotz des grundsätzlich gewährten Entscheidungs- und Prognosespielraums der zuständigen Stellen muss eine gerichtliche Überprüfung möglich sein. Auf Grund dessen ist dann aber die Frage zu klären, welchen Maßstab man zur Entscheidung heranzieht. Nach der Rechtsprechung des BVerwG kommt es auf eine Verfolgung des Betroffenen mit „beachtlicher Wahrscheinlichkeit“ zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Schutzantrag an.[17]

URIQ-Klausurtipp

Beachten Sie den Zeitpunkt, auf den die Rechtsprechung abstellt. Es kommt gerade nicht auf den Zeitpunkt der Flucht aus dem Herkunftsland an, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung im Verwaltungsverfahren über den Schutzantrag

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Der Versuch, das Merkmal der beachtlichen Wahrscheinlichkeit mit statistischen Werten zu untermauern, wurde mittlerweile aufgegeben. Eine von der Rechtsprechung entwickelte Praxis, eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 50% zu fordern (inhaltliche Gleichsetzung einer beachtlichen mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit) wurde auf Grund der rein objektiven Betrachtungsweise wieder aufgegeben.[18] Letztlich ist jeder Fall so individuell, dass die objektiven Faktoren nur einen Aspekt der finalen Entscheidung sein können und somit in eine Gesamtabwägung einfließen müssen. Insoweit hat sich die nationale Rechtsprechung auch der des EGMR angepasst. Dieser fordert innerhalb einer Gesamtabwägung ein „real-risk of being subjected to treatment“.[19]

Hinweis

Vor diesem Hintergrund ist die Lektüre von Literatur und Rechtsprechung vor dem 1.12.2013 mit Blick auf die Definition von begründeter Furcht mittlerweile veraltet. Vor dem genannten Stichtag enthielt der Gesetzestext des § 3 Abs. 1 AsylG den Zusatz „aus begründeter Furcht“ nicht. Demnach war eine rein objektive Betrachtungsweise ausdrücklich maßgeblich, weil als Flüchtling derjenige angesehen wurde, der Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt war. Diese Interpretation des Fluchtbegriffs stand aber im Widerspruch zur GFK und dem Unionsrecht. Durch die nationale Gesetzesänderung wurde mit dem oben genannten Stichtag eine subjektiv-objektive Betrachtungsweise eingeführt.[20]

Aufenthalts- und Asylrecht

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