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Kapitel 4

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Kapitel 4

Still, unglaublich still war das Weltall. Still und kalt.

Ihr Weg hatte sie längst aus dem Sonnensystem der Erde geführt. Den letzten bekannten Punkt hatten sie vor Tagen passiert: den Planeten Neptun.

Unglaublich, wie weit sie sehen konnten! Die ersten Tage hatten die Kinder nur immer hinter Yxynon gestanden und aus dem Cockpit heraus in den unendlichen Weltraum gestarrt. Aber mit der Zeit war es ihnen langweilig geworden. Es war ja immer dasselbe, und bei ihrer Geschwindigkeit ließ sich sowieso nichts Interessantes entdecken; noch bevor sie etwas ins Auge fassen konnten, waren sie vorbei.

Marcel war der einzige, der nach fast zwei Wochen Flug noch immer im Cockpit ausharrte. Er fand es unglaublich spannend, selbst wenn er so gut wie gar nichts erkennen konnte.

„Weißt du“, bemerkte Yxynon nach einigen Tagen, „dass wir nur wegen dir mit offenen Augen fliegen?“

„Offene Augen? Ich verstehe nicht.“

Yxynon stand aus seinem Pilotensessel auf und deutete auf die Scheiben, hinter denen sich der dunkle Weltraum öffnete.

„Ach so“, sagte Marcel und sah hinaus.

„Normalerweise sind unsere Augen geschlossen. Wir fahren einen Schild herunter.“

„Warum tut ihr das? Ist es gefährlich, so … so mit offenen Augen zu fliegen?“

„Nein, gar nicht. Wir fliegen schon seit vielen hundert Runden durch den Raum, sodass wir die Reise gar nicht mehr so interessant finden. Für uns ist das Ziel einer Reise viel interessanter.“

„Das Ziel“, wiederholte er träumerisch. Obwohl es wie eine Frage klang, war es keineswegs eine. Yxynon deutete es richtig. Ihm war Marcels verträumter Blick aufgefallen und er wusste, was das bedeutete. Er hatte auch einmal diesen Blick gehabt, nachdem er das erste Mal im offenen Raum ein Schiff gesteuert hatte. Seither waren viele Runden vergangen und seine Begeisterung hatte etwas nachgelassen. Dennoch fand er es immer noch aufregend.

Das Ziel, hatte er gesagt. Das Ziel. Wie viele fremde Planeten hatte Yxynon wohl schon gesehen? Wie viele fremde Kulturen und Völker? Dann frag ihn doch einfach, donnerte da eine Stimme in Marcels Kopf. Frag ihn, und du wirst es wissen!

Yxynon hatte bereits wieder auf seinem Sessel Platz genommen und beobachtete aufmerksam die Instrumente. Auf der guten alten Erde hatte Marcel schon Fotos von Flugzeugcockpits gesehen und von Raumschiffen. Aber hier sah alles anders aus. Es gab keine Instrumente. Zumindest keine im herkömmlichen Sinne. Zunächst war er fast erschrocken gewesen, aber schnell hatte er begriffen, dass er umdenken musste.

Vor Yxynons Pilotensessel schwebte eine Art Pult – so, dass der Pilot von seiner Position aus bequem darauf sehen konnte. Allerdings war auf den ersten Blick nicht zu erkennen, welche Funktion es hatte. Es war eigentlich nur ein grauer Block ohne Anzeigen, Knöpfe, Hebel oder Instrumente. Nichts, da war gar nichts. Nur ein grauer Block.

„Warum steht dieser komische Kasten da vor deiner Nase“, hatte Marcel gefragt.

Yxynon sah ihn lächelnd an, „Mit diesem komischen Kasten fliege ich das Raumschiff.“

„Was denn? Damit? Wie denn das? Ich kann mich ja irren, aber braucht man zum Steuern nicht wenigstens ein paar Knöpfe, Schalter, Anzeigen? Ich meine, irgendwas, mit dem du den Motor anmachst, die Richtung vorgibst, beschleunigst, bremst ... Ich sehe davon hier nichts.“

„Du irrst dich, mein lieber Freund. An diesem Multifunktionsterminal kann ich alles abfragen, was ich wissen will. Damit steuere ich alles im Schiff.“

„Aber wie? Ich … ich verstehe das nicht. Wie geht das?“ Er trat näher an das Terminal, seine Augen blickten ratlos.

„Schau!“ Yxynon deutete mit einer Handbewegung darauf. „So machen wir das.“

Die Oberfläche des Pultes veränderte sich; plötzlich erschienen Anzeigen auf ihr. Wo eben noch die graue, nichts sagende Oberfläche gewesen war, waren jetzt jede Menge bunte Linien, Lichter und Symbole. Jetzt verstand er gar nichts mehr.

„Das sind die Armaturen, die du suchst. Das sind meine Anzeigen, meine Steuereinheiten, meine Instrumente.“

„Ich …?“

„Sie sehen nicht so aus, wie du es erwartet hattest, nicht wahr?“

„Das kannst du laut sagen. Sie haben überhaupt keine Ähnlichkeit mit solchen Anzeigen, wie ich sie von der Erde her kenne. In unseren Flugzeugen und Raumschiffen sieht das komplett anders aus.“

„Natürlich. Unser Planet hat eine ganz andere Entwicklung hinter sich als eurer. Unsere Technik befindet sich außerdem auf einem ganz anderen Niveau.“

Marcel beschimpfte sich im Stillen selbst. Das hätte er doch wissen müssen. Warum war er nicht von allein darauf gekommen? Du bist so ein Idiot, sagte er sich.

„Pass auf“, erklärte Oxo, „ich steuere das Schiff mit meinen Gedanken. Ich programmiere mit ihnen den Kurs, rufe an dem Terminal die Instrumente mit ihnen auf und überwache hier alle Vorkommnisse.“

„Alles an diesem Terminal?“

„Ja.“

„Einzig mit deinen Gedanken?“

„So ist es.“

„Das ist … echt beeindruckend“, meinte Marcel. Fragen zu stellen lohnte sich tatsächlich! Also stellte er gleich noch eine.

„Wie viele Völker hast du bislang kennen gelernt? Und Wie viele Planeten hast du schon besucht?“

Yxynon sah ihn vom Pilotensessel aus an und dachte einen Augenblick nach. „Nun, Planeten habe ich unzählige besucht. Sowohl bewohnte als auch unbewohnte. Das kann ich dir wirklich nicht genau sagen. Fremde Völker waren es sechsunddreißig.“

Marcel staunte mit offenem Mund. Sechsunddreißig! Wow! Wahnsinn! Er selbst hatte keine einzige … Stopp! Stopp! Stopp! So stimmte das ja jetzt nicht mehr. Mittlerweile hatte er sehr wohl eine fremde Rasse kennen gelernt, schließlich flog er gerade in ihrem Raumschiff zu ihrem Planeten. Aber sechsunddreißig? Junge, Junge, das waren echt viele!

„Mit vielen von ihnen trieben wir regen Handel. Sie besuchten uns, und wir besuchten sie. Mit manchen dieser Völker konnten wir das aber nicht. Teilweise fanden wir Welten, die noch zu unterentwickelt waren dafür. Einmal landeten wir auf einem Planeten, dessen Bevölkerung war noch so rückschrittlich, dass sie einander mit Steinen bewarfen. Sie hatten noch gar nichts, keine Landwirtschaft, keine Viehzucht, keine Industrie. Sie wohnten noch in Höhlen, aßen, was sie fanden, Beeren, Wurzeln, Früchte. Dieses Volk zu beobachten war sehr interessant, weil es noch so primitiv war. Für uns war es aber wie eine Reise in die eigene Vergangenheit. Vor vielen, vielen zehntausend Runden waren auch wir so.“

„Das war bei uns auch so.“

„Ich weiß.“

„Warum treibt ihr nicht mit allen Völkern, denen ihr begegnet, Handel? Ihr könnt ihnen euer Wissen anbieten, eure technischen Errungenschaften, euren Fortschritt.“

„Oh nein, das können wir nicht. Wir können nur Kontakt aufnehmen, wenn sie mehrere Kriterien erfüllen. Zum einen müssen sie bei der Raumfahrt schon soweit fortgeschritten sein, ihr eigenes Sonnensystem zu verlassen. Allerdings nicht mit einem Flug, der ein ganzes Leben dauert, sondern allerhöchstens wenige … wie sagt man bei euch? Minuten? Natürlich muss es auf diesem Planeten eine gemeinsame Regierung geben. Bestenfalls ist es sogar ein vereinigter Planet. Im Falle einer Staatenbildung, wie bei euch, wo es noch viele verschiedene Länder gibt, ist ein Kontakt oder gar ein Handel ausgeschlossen.“

„Aber warum?“

„Nun, ganz einfach: Wenn wir mit einem Land handeln, mit einem anderen aber nicht, entsteht ein Ungleichgewicht, das diesen Planeten im schlimmsten Fall in einen Krieg stürzen kann.“

„Oh, ich verstehe. Das hatte ich nicht bedacht …“

„Und zu guter Letzt muss ihr technischer Fortschritt ungefähr dem unseren entsprechen. Auch das ist wichtig. Wir wollen nicht, dass ihre Technik und ihre Wissenschaft einen rasanten Sprung erfährt, mit dem sie selber nicht klarkommen und für den sie auch noch nicht bereit sind.“

„Okay, darum weiß also unsere Welt nichts von eurer.“

„Genau, ihr seid … ihr seid noch nicht soweit.“ Yxynon sah Marcel durchdringend an. „Bitte versteh! Wir müssen diese Regeln einhalten, sie sind das oberste Gebot.“

„Aha“, sagte Marcel und verschränkte die Arme vor der Brust. „Euren Wissenstand wollt ihr nicht mit uns teilen, aber unsere Hilfe braucht ihr? Erklär mir das mal! Warum einmal so und einmal so? Warum sind wir, wenn es darum geht, euch zu helfen, plötzlich ebenbürtig? Wenn es aber um den Wissensaustausch geht, sind wir es nicht?“

„Weil das zwei verschiedene Dinge sind. Eure Hilfe wollen wir, weil ihr die Auserwählten seid. Den Wissensaustausch aber müssten wir mit den Wissenschaftlern eures Planeten durchführen. Und da gibt es jene Gebote, die dagegen sprechen.“

„Und wenn wir uns nun querstellen?“ Marcel presste die Arme noch fester auf die Brust.

„Ich verstehe nicht.“ Dennoch rutschte Yxynon unruhig auf seinem Sessel herum. Er schien es sehr wohl zu verstehen.

„Wenn wir jetzt sagen, wir helfen euch doch nicht? Schließlich wollt ihr ja auch nichts für uns tun!“

„So stimmt das nicht. Wir wollen sehr wohl etwas für euch tun. Das ist überhaupt kein Problem. Aber wir können es nicht für die gesamte Menschheit. Versteh doch: Ihr seid noch nicht soweit. Es würde zu einem Ungleichgewicht führen. Es würde die ganze Erde ins Chaos stürzen.“

„Wir würden lernen, damit umzugehen“, antwortete Marcel trotzig.

„Doch auch das würde nichts ändern. Stell dir nur mal vor, ein Mensch aus dem Mittelalter würde plötzlich in eure technisierte Welt kommen. Es würde ihn vollkommen überfordern.“

„Und doch könnte er es lernen. Wir würden es lernen.“

„Es ist dennoch nicht dasselbe. Ihr müsst den Weg selbst gehen, der euch dorthin führt. Nur so lernt ihr, damit umzugehen. Ihr müsst Niederlagen einstecken, Triumphe feiern und umkehren, wenn ihr in einer Sackgasse steckt. Nur so entsteht echter Fortschritt.“

„Aber wir …“

„Nein, Marcel“, die Unruhe, die ihn kurz gepackt hatte, war verschwunden, „es ist so. Wir können und werden eurem Planeten nicht helfen. Es tut mir leid. Und wenn ihr jetzt meint, ihr könnt uns nicht mehr helfen, tja, dann ist es eben so. Dann brauchst du es nur zu sagen und wir fliegen euch zurück zur Erde.“

„Nein, so war es nicht gemeint. Wir stehen zu unserem Wort. Auch wenn ihr uns nicht helfen wollt …“

„Versteh doch! Es geht nicht.“

„Aber …“

„Kein aber, Marcel. Ich kann eurem Planeten nicht helfen. Wir können ihm nicht helfen.“

Marcels Gesicht wurde aschfahl. Die Endgültigkeit in Yxynons Stimme war ihm nicht entgangen. Und als sich dieser sogar wieder umdrehte und auf seine Instrumente blickte, begriff er, dass die Diskussion beendet war. Für Yxynon war das letzte Wort gesprochen.

Einige Augenblicke blieb er neben ihm stehen, beobachtete ihn, wie er die Instrumente abfragte und überlegte, ob er gehen sollte. Einfach umdrehen und gehen. Wie ein trotziges Kind. Das Dumme war nur, er verstand diesen Standpunkt durchaus. Er verstand ihn und konnte demzufolge auch nicht enttäuscht sein.

Mit einem Ruck wendete er seine Gedanken in eine andere Richtung. Schließlich flogen sie mit einem Raumschiff durchs All!

„Wie schnell fliegen wir eigentlich, Yxynon?“

„Zur Zeit mit sechsundneunzigfacher Lichtgeschwindigkeit. Warum?“

„Was? Wie schnell?“ Marcel glaubte, sich verhört zu haben.

„Sechsundneunzig Mal schneller als das Licht.“

Wahnsinn, dachte Marcel, das Licht legt dreihunderttausend Kilometer in der Sekunde zurück und wenn wir jetzt sechsundneunzig Mal schneller sind, dann bedeutet das ja, dass wir … ich hab keine Ahnung, das muss ich erst einmal nachrechnen!

Yxynon kam ihm zuvor. „Das sind knapp achtundzwanzig Millionen Kilometer in der Sekunde. Wir fliegen extra so langsam, um euch an diese Geschwindigkeit zu gewöhnen.“

„Langsam? Hä, ich muss mich wohl verhört haben! Das Sechsundneunzigfache der Lichtgeschwindigkeit nennt ihr langsam? Was ist dann rasend schnell für euch?“

„Ab dem Tausendfachen sprechen wir von Hyperlicht. Das ist schnell.“ Und Yxynon starrte ihn an, als verstünde er nicht. Marcel starrte zurück, allerdings aus einem anderen Grund.

„Willst du mir erzählen, wie könnten tausend Mal schneller als das Licht sein?“

„Um genau zu sein, einhunderttausend Mal so schnell. Das ist das Maximum an Geschwindigkeit, zu dem wir in der Lage sind.“

Einhunderttausend Mal schneller als das Licht. Und das in einer einzigen Sekunde! Das Universum wirkte plötzlich gar nicht mehr so riesig.

„Wie ist das möglich?“

„Tut mir leid, das kann ich dir nicht sagen. Das musst du schon unsere Wissenschaftler fragen. Diejenigen, die diese Antriebe entwerfen.“

„Meine Güte“, dachte Marcel laut, „hunderttausend Mal schneller als das Licht! Unsere Raumschiffe schaffen gerade mal knapp sechsunddreißigtausend Kilometer in der Stunde. Das ist schon beachtlich, zumindest für unsere Verhältnisse. Jetzt verstehe ich langsam, warum ihr eure Technik nur mit ebenbürtigen Partnern teilen wollt! Davon sind wir noch … Millionen Lichtjahre entfernt.“

„Ihr werdet es eines Tages auch schaffen, da bin ich sicher. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.“

„Mal was anderes, du sagtest eben, wir fliegen nicht schneller, damit wir uns daran gewöhnen können. Warum? Was passiert, wenn wir das nicht tun?“

„Mach dir keine Sorgen.“

„Ich mache mir keine Sorgen. Ich bin nur neugierig.“

„Bis zum Hyperlicht ist es durchaus möglich, im Wachzustand zu sein. Ab dieser Geschwindigkeit aber muss man in einen künstlichen Schlaf versetzt werden. Die Auswirkungen auf den Körper sind nicht zu unterschätzen.“

„Was geschieht denn mit mir, wenn ich bei dieser Geschwindigkeit wach bin?“

„Oh, die Auswirkungen können ganz unterschiedlich sein. Obwohl man selbst nichts von der Geschwindigkeit bemerkt, kommt es häufig zu Müdigkeit, Benommenheit, gesteigerter Aggression, Desinteresse oder Leichtsinn. Das kann teilweise soweit gehen, dass man das eigene Leben für Kleinigkeiten riskiert. Des Weiteren können die Organe plötzlich ihre Funktion einstellen, und auch die Sprachfähigkeit geht verloren.“

„Und woher wisst ihr das?“

„Weil die ersten Hyperlichtflüge damals natürlich im wachen Zustand gemacht wurden. Dabei kam es aber immer wieder zu Katastrophen, bei denen ganze Schiffe zerstört wurden. Die gesamte Crew starb. Fortan forschten unsere Wissenschaftler angestrengt, wie sie diese körperlichen Auswirkungen in den Griff bekommen konnten. So kamen sie nach einigen Anläufen auf die Schlafkammern, und seither ist der Hyperflug nur dann möglich, wenn die Mannschaft in den Schlaf gefallen ist.“

„Ein richtiger oder ein künstlicher?“

„Natürlich ein künstlicher. Niemand kann mehrere Tage durchgehend schlafen. Die Astronauten liegen während des gesamten Flugs in ihren Schlafkammern. Sie erwachen erst, wenn der vorprogrammierte Zielpunkt erreicht und das Raumschiff unter Hyperlicht gegangen ist.“

„Haben wir solche Kammern an Bord? Ich würde sie wirklich gern sehen.“

„An denen ist nichts Besonderes. Es sind nur weiße Kisten, in die man sich legt, nicht mal sehr bequem.“

„Das macht nichts. Haben wir denn welche an Bord?“

„Ja …“

Marcel merkte, dass Yxynon am liebsten das Thema gewechselt hätte. Irgendetwas schien ihn zu bremsen. Er redete auf einmal nicht mehr so frei.

„Kann ich sie sehen?“

„Äh … ein andern Mal, okay?“

„Warum nicht gleich?“

Wieder rutschte Yxynon unruhig auf seinem Sessel herum. Marcel hatte keine Ahnung, ob sein Gegenüber schwitzen konnte, aber wenn ja, musste er Rotz und Wasser schwitzen. Yxynon war unruhig, richtig aufgeregt. Er konnte seine Hände nicht stillhalten, sein Blick schwankte wild herum, und auch sein Kopf kippte mal nach links, mal nach rechts. Merkwürdig. Hatten er und die beiden anderen etwas zu verbergen? Und wenn ja, was? Angefangen hatte es mit der Erwähnung der Schlafkammern. Aber warum? Immerhin hatte er doch selbst damit angefangen. Hätte er das getan, wenn da irgendwas nicht stimmen würde? Wohl kaum. Nein, es musste was anderes sein. Nur was?

Oder hatte es vielleicht doch damit zu tun?

Oh Mann, jetzt wusste er gar nichts mehr! Es wurde immer verwirrender.

Yxynons Unruhe übertrug sich auf ihn. Sein Herzschlag wurde schneller, seine Hände ballten sich zu Fäusten und sein Blick hetzte wild herum. Schweiß lief in Strömen. Er hatte das Gefühl, dass seine Wäsche ihm förmlich am Leib klebte.

Was hatte es mit diesen Schlafkammern auf sich? Es musste etwas mit ihnen zu tun haben. Da bestand kein Zweifel. Sie waren der Grund für diese plötzliche Verschlossenheit. Warum nur? Warum?

Er wandte den Blick von Yxynon ab, hob den Kopf und blickte durch die Cockpitscheiben nach draußen. Allerdings stellte er schnell fest, dass es dort draußen nichts zu sehen gab. Die Geschwindigkeit ließ alles verschwimmen, als flögen sie durch einen schwarzen Tunnel. Ab und zu raste ein heller Lichtpunkt auf sie zu: entfernte Sonnen, die auf sie zuschnellten und einen Wimpernschlag später auch schon wieder verschwunden waren.

Nachdenklich sah er Yxynon an.

„Kannst du bitte den Sichtschirm schließen?“

Nach einigen Sekunden verstand er endlich: Auf dem Steuerpult wechselten die Anzeigen und Instrumente, dann drückte er einen Knopf, der vorher noch nicht da gewesen war (unglaublich, dieses System!), und dann senkte sich der Sichtschirm.

Außerhalb des Raumschiffs rasten jetzt ganze Sonnensysteme vorbei, ohne dass es hier drinnen jemand registrierte, größere und kleinere. Vielleicht waren sogar bewohnte darunter? Vielleicht entwickelte sich auf einigen von ihnen Leben, selbst wenn es nur Bakterien sein würden. Doch die meisten würden wohl auch in einer Milliarde Jahre noch tote Planeten sein …

Marcel hatte die letzten Sekunden genutzt, um etwas zu verschnaufen, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Er hatte seine Gedanken schweifen lassen, aber nun war es an der Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen.

„Okay, Yxynon, was ist mit den Schlafkammern? Nun sag schon!“

„Was soll mit ihnen sein?“ fragte er und es gelang ihm sogar, seine Stimme unbefangen klingen zu lassen. Das verwirrte Marcel. War er auf dem Holzweg? Irrte er sich doch, was die Schlafkammern anging? Vermutete er etwas, wo gar nichts war? Waren seine Nerven, seine Phantasie durch die Ereignisse der letzten Tage so überspannt, dass er überall Zweideutigkeiten vermutete?

Nichts da, sagte er sich. So schnell gebe ich nicht auf!

„Ich glaube, du weißt genau, was mit ihnen ist.“

Flüchtig meinte er etwas in Yxynons Gesicht wahrgenommen zu haben. Nur einen Augenblick hatte es gedauert, ein Zucken der Muskeln in der rechten Gesichtshälfte, ein kurzes Flattern des Nasenflügels. Nicht zuletzt der verstohlene Blick nach rechts. Oh ja, er war auf der richtigen Fährte. Irgendetwas war mit diesen verdammten Schlafkammern!

„Hör mal“, begann er, „entweder sagst du es mir jetzt oder ich trommle die anderen zusammen. Und ich weiß nicht, ob die dann immer noch sagen, dass sie euch helfen. Vertrauen ist uns Menschen sehr wichtig. Verstehst du? Du hast die Wahl.“

Yxynon begann sich zu winden. Marcel registrierte es zufrieden. Er sah ihn herausfordernd an, sagte aber kein weiteres Wort.

„Na schön. Da du ja anscheinend keine Ruhe gibst, werde ich dir die Schlafkammern zeigen.“ Er tippte einige Befehle in sein Steuerpult, dann erhob er sich.

„Folge mir.“

Die Gänge im Raumschiff sahen alle irgendwie gleich aus: kahle, viereckige Röhren, aus denen in unregelmäßigen Abständen Türen irgendwo hinführten. Ab und an erreichten sie auch Schleusen, die sich leise öffneten, wenn sie sich ihnen näherten. Marcel hatte immer noch Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden; es sah alles gleich aus. Schon ein paar Mal hatte er sich verlaufen und war irgendwo herausgekommen, nur nicht da, wo er hingewollt hatte.

Endlich standen sie vor den Schlafkammern – und Marcel war verwirrt. Es waren kastenartige, weiße Gebilde, ähnlich wie ein Sarg. Sie waren rundherum geschlossen; nur von oben konnte man in sie hineinsehen. Ein Raumfahrer hatte in ihnen Platz. Sie waren fest in den Boden eingelassen, nur der Deckel schien beweglich zu sein. Wortlos drehte sich Marcel um und suchte Yxynons Blick. Nur einen Moment später sahen sie einander in die Augen.

„Das sind sie“, unterbrach Yxynon das Schweigen.

„Aha“, entgegnete Marcel, um etwas zu sagen. Er kam sich plötzlich albern vor und kindisch.

„Siehst du? Es ist alles in Ordnung mit den Kammern. Wir nutzen sie nur momentan nicht. Den Grund dafür sagte ich ja bereits.“

„Damit wir uns an die Geschwindigkeit gewöhnen können.“

„Genau.“

Marcel kam sich mit jeder Sekunde dümmer vor. Wie hatte er nur annehmen können, dass etwas nicht stimmte? Nur weil Yxynon verlegen gewirkt hatte, glaubte er, einer Verschwörung auf der Spur zu sein. Wie dumm!

Yxynon ahnte seine Gedanken „Es war richtig, dass du gefragt hast. Du warst wachsam und vorsichtig. Dafür musst du dich nicht schämen. Im Gegenteil, du kannst stolz sein. Du hast Mut bewiesen.“

„Ich …“ Marcel wusste nicht, was er sagen sollte.

„Können wir wieder ins Cockpit? Das Schiff fliegt zwar automatisch, ich sitze aber gern hinter meinem Pult, wenn es das tut.“

„O … okay.“

Marcel war jetzt alles recht. Yxynon hätte auch sagen können, lass uns raus in den Weltraum gehen und ein bisschen über die Außenhaut des Schiffs spazieren.

„Sag mal“, begann Marcel, nachdem sie sich im Cockpit ein paar Minuten angeschwiegen hatten, „fliegt neben dir noch jemand dieses Raumschiff?“

„Ich bin der einzige.“

„Aber was passiert, wenn du nicht hinter dem Pult sitzt?“

Mit einem Schmunzeln sah Yxynon ihn an. „Ich bin zwar der Pilot, aber der Großteil meiner Arbeit bezieht sich darauf, den vorprogrammierten Kurs zu überwachen.“

„Also kann auch auf dich verzichtet werden.“ Das klang wesentlich gröber, als Marcel es beabsichtigt hatte. Er war erleichtert, als Yxynon fortfuhr, ohne auf die Anfeindung zu reagieren.

„Nein, nein“, meinte er lachend, „so einfach ist es nun auch wieder nicht! Zuerst müssen die Flugdaten programmiert werden, dann überwache ich die einzelnen Phasen des Fluges, die Instrumente, den Antrieb, den aktuellen Status aller Systeme. Auf den Piloten kann keinesfalls verzichtet werden.“

„Ist es schwer, das zu lernen? Ich meine, wie lange brauchtest du, bis du das alles konntest?“ Jetzt war die Neugier wieder zurück.

„Mehrere Runden, Marcel. Ich musste viele Runden lernen.“

„Oh“, entgegnete Marcel enttäuscht.

„Warum fragst du?“

„Ich dachte, ich …ich …“

„Du möchtest das Raumschiff auch mal steuern, stimmt’s?“

„Ich …“, krächzte Marcel. Seine Augen strahlten so hell, wie es gewiss keine Sonne im Universum geschafft hätte. „Ich … das wäre …“

„Warum sagst du das nicht einfach?“

„Ich …“ Sein Stottern wurde schlimmer. Sollte das denn so einfach sein? Brauchte er wirklich nur zu fragen?

Wie zur Antwort erhob sich Yxynon und bot Marcel den Pilotensessel an.

Nervös ließ er sich darauf nieder. Yxynon zeigte ihm, welche Anzeigen wichtig waren, welche Instrumente er im Augenschein behalten musste und wie er das Pult vor sich einsetzen konnte. Während Marcels Herz raste, ihm der Schweiß ausbrach und seine Finger zitterten, steuerte er das Raumschiff. Er steuerte es durch die Unendlichkeit des Alls, durch weit entfernte Sonnensysteme, zwischen Planeten und Sternen hindurch. Natürlich steuerte er es nicht wirklich selbst, denn es flog ja seinen einprogrammierten Kurs, aber da er auf dem Pilotensitz saß und die Instrumente nach Belieben abfragen konnte, war es so, als flog er tatsächlich. Das Gefühl war unvergleichlich, mit nichts zuvor Erlebtem zu vergleichen. Es war mehr als nur Glück oder Spaß. Er war glücklicher als je zuvor in seinem Leben. Er hatte das Gefühl, hierher zu gehören. Hierher, in den Pilotensessel, in dieses Raumschiff, auf Kurs zu diesem Planeten. Es war … es war sein Schicksal.

Als Marcel ein paar Stunden später in sein Bett kroch, fiel es ihm schwer, einzuschlafen. Er erinnerte sich noch einmal an alles. Und plötzlich wusste er, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Es war seine Bestimmung. Er gehörte hierher.

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