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Kapitel 5
ОглавлениеKapitel 5
Zwei Monde leuchteten vom dunklen Himmel. Der Rechte war beinahe doppelt so groß wie sein Bruder, der ungefähr die Ausmaße des Erdmondes besaß. Er schien allerdings weiter entfernt von seinem Planeten zu sein, da sich keine Konturen auf ihm entdecken ließen. Der Erdmond sah durch die Krater, Gebirge und Täler auf seiner Oberfläche manchmal aus wie ein Gesicht. Derartige Spuren waren hier nicht zu sehen. Die Oberfläche der Monde wirkte glatt und eben. Allerdings war die des größeren keineswegs ganz glatt. In sternklaren, wolkenlosen Nächten ließ sich mit bloßem Auge erkennen, wie uneben, zerklüftet und rissig er war.
Wie ein riesiger Ball schwebte er am Nachthimmel. Um ihn herum lag ein Gürtel aus Licht, und um ihn herum war der Himmel voller Sterne. Natürlich sah er ganz anders aus als der Himmel, den sie kannten. Sie waren ja in einer fremden Galaxie, demzufolge gab es hier auch andere Himmelskörper zu sehen. Es schienen weitaus mehr Sterne zu sein, als die, die sie vom Nachthimmel der Erde kannten, Millionen mehr. Der Himmel war ein leuchtendes, wogendes Sternenmeer.
Sie waren soweit von der Erde entfernt, dass sie von der Sonne nicht einmal das kleinste Fünkchen Licht sehen konnten. Dennoch starrten sie alle zu einem bestimmten Punkt am Nachthimmel und glaubten offenbar, dies sei die Richtung, in der die Erde lag. Merkwürdigerweise blickten sie alle unwillkürlich dorthin und bemerkten erst später, dass die anderen in die gleiche Richtung blickten. Dann jedoch sahen sie sich an, als wäre es das Normalste der Welt. Und wahrscheinlich wäre es das auch gewesen (fünf Kinder, die gemeinsam in den Nachthimmel starren), wenn sie nicht alle fünf geträumt hätten. Sie träumten den gleichen Traum. Sie träumten von diesem Nachthimmel und vermuteten dabei die Erde in dieser Richtung.
Natürlich konnten sie das nicht wissen, denn jeder träumte diesen Traum für sich selbst. Doch selbst wenn sie es gewusst hätten, hätten sie sich nicht gewundert. Dass die Außerirdischen ihre Träume beeinflussen konnten, ahnten sie ja längst.
Langsam änderte sich die Perspektive. Sie standen an einem Meer, und das Wasser zu ihren Füßen war schwarz, bis auf die weißen, schaumigen Wellen, die an die Küste spülten. Aufbrausend und stürmisch war es. Als brächen dicke Baumstämme, so laut donnerte die Brandung ans Ufer. In ihren Ohren dröhnte es. Und inmitten dieses Infernos stand Oxo. Die mächtigen Wellen reichten ihm bis an die Schultern, und oft tauchte er ganz unter. Doch er stand da, völlig unbeeindruckt von den Wassermassen. Jetzt tauchte er wieder auf, denn eine besonders heftige Welle hatte ihn vollständig überspült. Dennoch sagte er, während er das geschluckte Wasser ausspuckte, ruhig: „Es geht los.“
Obwohl das Tosen und Toben alle Geräusche erstickte, drangen die drei Wörter deutlich bis zu ihnen durch: Es geht los.
In der Ferne, weit hinter dem Horizont, schwollen jetzt weitere Geräusche an. Ein Kreischen, ein Bersten, ein Explodieren.
Dann verschwamm das Traumbild zu einer Masse ohne Konturen.
Ein ansteigendes Heulen riss ihn aus seinem Traum. Zuerst sträubte Robin sich dagegen. Er wollte unbedingt wissen, was dieses Es geht los bedeutete. Wie ein Affe am Baum klammerte er sich daran fest. Um nichts auf der Welt (weder auf dieser noch auf einer anderen) wollte er aufgeben.
Doch das Heulen wurde lauter, durchdringender, und der Traum wurde immer unschärfer, schwächer. Er stöhnte laut– und wusste dabei nicht einmal, ob er tatsächlich stöhnte oder es nur im Traum war. Das Stöhnen wurde leiser. War es vielleicht doch nur in seinem Traum gewesen? Er wusste überhaupt nichts mehr, und eine Unruhe packte ihn. Was war hier nur los? Irgendetwas stimmte nicht!
Er warf sich wild herum, wie um etwas abzuschütteln, als hätte ihn etwas Gefährliches eingehüllt, das er unbedingt loswerden musste.
Mit einem Mal war er wach. Die Erinnerung an den Traum begann bereits zu verblassen, und das ohrenbetäubende Heulen schwoll an zu einer Lautstärke, die in den Ohren schmerzte.
Und dann ging alles ganz schnell. Ohne zu überlegen schnellte er aus dem Bett. Normalerweise trödelte er nach dem Aufwachen immer noch ein bisschen rum, zögerte das Aufstehen um ein paar Minuten raus, aber nicht jetzt. Wie von der Tarantel gestochen sprang er aus dem Bett.
Der Raum war eingehüllt in einen Schleier aus rotem Licht. Doch das bemerkte er nur eine Sekunde, dann gewann seine Angst die Oberhand. Irgendetwas stimmte hier nicht. Die heulende Sirene, das rote Licht, etwas war geschehen!
Ohne einen weiteren Gedanken sprang er in Jeans und T-Shirt. Dann rannte er auf den Korridor. Auch hier war dieses rote Licht. Und dieses laute Heulen.
Seine Angst wuchs immer mehr. Ihm war heiß, er schwitzte und sein Herz schlug wie wild in seiner Brust. Er glaubte, dessen Schläge bis hinauf in die Stirn zu spüren. Dennoch bewahrte er einen kühlen Kopf. Hinterher sollte er sich nicht einmal selbst erklären können, wie ihm das gelungen war. Trotz seiner Panik dachte er besonnen und absolut ruhig über seine Situation nach. Er analysierte sie und wog sein weiteres Vorgehen genau ab. Und er tat es ohne Hektik oder Stress.
Dieses rote Licht, dieses verdammte rote Licht, und dazu diese heulende Sirene! Was war geschehen? Waren sie mit einem Kometen kollidiert? Nein, das war unwahrscheinlich, denn dann wäre das Raumschiff pulverisiert worden. Nein, es musste etwas anderes passiert sein. Nur was? Ängstlich machte er sich auf den Weg zu den Quartieren der anderen.
Die Korridore wirkten schmaler als sonst. Entweder wegen des infernalisch brüllenden Alarms oder wegen des roten Lichtes. Er hatte den Eindruck, als liefe er durch eine enge Röhre, die sich vor ihm immer stärker verjüngte. Wie sollte er sich durch dieses Nadelöhr quetschen? Wie, zum Geier? Doch er lief weiter, durchquerte Korridor um Korridor und erreichte schließlich die Quartiere von Jenni und Nicole. Die Türen standen offen, und seltsame Laute drangen nach draußen, als finde dort ein Kampf statt. Selbst durch den Alarm hindurch hörte er ein Schnaufen, als würde sich jemand schnell bewegen … oder angestrengt kämpfen.
Robin beschleunigte seinen Schritt. Er musste den Mädchen helfen! Mit Heldenmut hatte das wenig zu tun; er wollte nur nicht, dass ihnen etwas geschah.
Nach wenigen Schritten hatte er die erste Tür erreicht, doch das Zimmer war leer. Die Geräusche kamen aus dem Nachbarzimmer. Er rannte weiter. Die merkwürdigen Geräusche wurden lauter, aber jetzt sah er, dass sie nicht von einem Kampf herrührten.
Nicole und Jenni diskutierten mit Oxo, gestikulierten dabei wild mit den Armen. Ihre Gesichter waren angespannt.
„Wir müssen das so machen, es ist eure einzige Chance!“, kam es gerade von Oxo.
„Das ist doch verrückt!“, sagte Nicole.
„Ihr werdet alle umkommen!“, jammerte Jenni.
„Was ist hier los?“, wollte Robin wissen.
Nicole und Jenni blieben stehen wie zur Salzsäule erstarrt. Jenni hatte die Hände auf Oxos Schulter abgelegt und Nicole ihre abwehrend vor sich gehalten. Und Oxo, der den Kopf leicht geneigt hielt und die Schultern hängen ließ (als täte ihm irgendetwas sehr leid, was er jedoch nicht ändern konnte), blickte ihn mit großen Augen an.
„Was ist hier los?“, wiederholte Robin.
„Wir sollen …“, begann Jenni, wobei ihre Stimme überging in ein Schluchzen.
„Wir sollen in die Schlafkammern!“, beendete Nicole den Satz für ihre Freundin. In dieser Sekunde kamen endlich auch Mike und Marcel herein.
„Was?“, schaltete sich Marcel ein. Er hatte nur den halben Satz gehört, aber schon dabei schrillten seine Alarmglocken. Da waren sie wieder, die verdammten Schlafkammern! Er hatte doch gleich gewusst, dass damit irgendwas nicht stimmte …
Jenni nahm die Hände langsam von Oxos Schultern und fuchtelte wild vor seinem Gesicht herum.
„Wie ich den beiden bereits erklärt habe, müsst ihr in die Schlafkammern gehen. Nur so habt ihr eine Chance.“
Marcel hatte also recht behalten. Sie verfolgten ihn. Yxynon hatte es gewusst, es ihm aber verheimlicht. Jetzt begriff er, warum sie so ein Geheimnis um die Kammern gemacht hatten. Warum war er nicht früher darauf gekommen? Es war doch so offensichtlich: fünf Schlafkammern. Und sie waren zu fünft. Er selbst, Mike, Nicole, Jenni und Robin. Fünf Kinder. Aber was würde mit den anderen geschehen? Mit Yxynon, mit Oxo, mit Ixin? Was war mit denen? Würden denn …?
„Was ist hier passiert, zum Teufel? Was bedeutet dieser Alarm?“ Robin schrie fast.
„Eine Explosion“, erklärte Oxo, „wir hatten eine Explosion an Bord.“
„Was?“, stöhnte Jenni. „Wie kann das geschehen? Ich denke, es ist sicher?“
„Eine Bombe“, antwortete Oxo.
Die nächsten Augenblicke sagte niemand etwas. Nur der Alarm heulte weiter und das rote Licht zuckte gespenstisch über ängstliche Gesichter.
Robin war der erste, der seine Sprache wieder fand.
„Eine … Bo … Bombe?“ Auch wenn es nur ein Stottern war, immerhin war es etwas. „Wie kommt eine … eine Bombe … an Bord?“
„Hier … Bombe … wie …“ Jenni hingegen schaffte nur ein Unzusammenhängendes Stammeln.
„Wir hatten Glück. Wir waren weit unter Hyperlicht, sonst wäre das Raumschiff zerrissen worden. Yxynon versucht es jetzt Notzulanden.“
„Eine Notlandung? Auf einem fremden Planeten?“
Panik schwang in Jennis Stimme mit.
„Es ist alles in Ordnung, Jenni. Wir kennen diesen Planeten, auf dem wir runtergehen. Er befindet sich in unserem Heimatsonnensystem.“
„Sind wir etwa schon da?“
„Ja, das sind wir. Das Raumschiff wurde bereits gebremst, als die Bombe explodierte.“
„Und was ist mit Yxynon? Geht es ihm gut?“
In den letzten Tagen war so etwas wie eine Freundschaft zwischen Marcel und Yxynon entstanden. Marcel spürte eine tiefe Sympathie für den Raumschiffpiloten, fast wie zu einem großen Bruder. Er machte sich Sorgen um ihn.
„Keine Angst, es geht ihm gut. Wir hatten alle viel Glück. Wenn die Bombe früher explodiert wäre …“ Er stockte. Dieses Szenario wollte er vor den Kindern nicht weiter ausbreiten. „So aber können wir jetzt auf diesem Planeten notlanden. Dazu müsst ihr aber in die Schlafkammern gehen!“
„Okay“, entgegnete Marcel, „und was ist mit euch?“
„Mit uns? Ich verstehe nicht…“
„Doch, das tust du. Ich habe die Schlafkammern gesehen. Yxynon hat sie mir gezeigt. Es sind nur fünf.“
„Und was ist das Problem?“, warf Mike ein.
„Wir sind fünf, oder nicht?“
Da fiel es Mike wie Schuppen von den Augen: Die Schlafkammern waren nur für sie. Oxo, Yxynon und Ixin sollten leer ausgehen. „Aber …“, begann er stotternd, weiter fiel ihm nichts ein. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte.
„Es ist okay“, sagte Oxo. „Wir wussten, worauf wir uns eingelassen haben. Wichtig ist nur, dass ihr zu Yxus gelangt. Was mit uns geschieht, ist unwichtig.“
„Das ist totaler Scheißdreck!“, entgegneten Jenni und Nicole wie aus einem Mund.
„Es ist aber so“, antwortete Oxo, mit einem Lächeln. Dann fuhr er den beiden liebevoll mit der Hand über das Haar. „Ihr solltet jetzt in die Schlafkammern gehen. Die Zeit wird knapp.“
„Aber … aber … was wird mit euch? Wie werdet ihr euch schützen?“
Marcel war außer sich. Er konnte und wollte nicht glauben, dass es das gewesen sein sollte. Noch nie zuvor in seinem Leben hatte er sich hilfloser gefühlt. Würden die drei sich etwa opfern, damit sie überleben konnten? Nein, das wollte er nicht wahrhaben!
„Es ist gut, so wie es ist.“
„Nein, verdammt, da mache ich nicht mit. Vergesst es!“
Marcel war drauf und dran, einfach aus dem Quartier zu stürmen … Aber was dann? Was geschah dann?
Robin packte ihn und versuchte ihn aufzuhalten. Seine kräftigen Arme legten sich wie eine Schraubzwinge um ihn, doch Marcel rüttelte und zerrte an ihm wie ein wildes Tier im Käfig. Auch Mike versuchte ihn festhalten; dennoch konnte er sich immer weiter befreien.
„Marcel, es muss sein!“, stöhnte Mike außer Atem.
„Marcel, es ist gut, so wie es ist“, erklang plötzlich Yxynons Stimme ganz deutlich, obwohl er gar nicht im Raum war.
Nachdem sie verklungen war, herrschte Stille. Nicht einmal ein Atmen oder Keuchen war zu hören. Selbst Marcel blieb stumm und bewegte sich nicht.
Eine der Wände war zu einem Großbildschirm geworden. Über die gesamte Fläche der Wand war Yxynons Gesicht zu sehen. Es sah aus, als blicke sie ein Hollywoodstar in einem Megablockbuster von der Kinoleinwand herab an.
„Marcel, ich weiß, dass du mich sehen kannst. Sag bitte ein Wort!“
„Ich …“ Dann glotzte er wieder wortlos mit großen Augen den übergroßen Yxynon an.
„Es ist okay“, fuhr dieser fort. Er blickte Marcel direkt in die Augen. „Wir wussten, worauf wir uns einlassen. Ja, diese Schlafkammern sind ausschließlich für euch. Sie sind bei einer Notlandung der sicherste Ort. Es ist wichtig, dass ihr Yxus erreicht.“
„Aber … was ist mit dir … mit euch?“
Diesmal antwortete Yxynon nicht sofort.
„Keine Sorge, uns wird es gut gehen. Wir kennen uns aus mit solchen Situationen.“
„Aber das Schiff … es stürzt ab!“ Marcel bewegte sich wieder heftiger in seiner Umklammerung.
„Nein, Marcel, wir stürzen nicht ab. Es ist richtig, dass wir eine Bombe an Bord hatten, aber wir stürzen nicht ab. Wir bereiten uns nur auf eine Notlandung vor. Dafür ist es wichtig, dass ihr in die Schlafkammern geht. Bitte“, er beugte sich vor, und sein Gesicht wurde größer, „bitte, ich will mir keine Sorgen um dich machen. Geht jetzt in die Kammern. Ihr müsst euch beeilen! Oxo wird euch leiten. Er weiß, was zu tun ist.“
Mit diesen Worten verschwand das Gesicht. Die Wand war jetzt wieder eine Wand, weiter nichts.
Marcel stand immer noch da und starrte die Wand an, als erwarte er, Yxynon noch einmal zu sehen. Doch er würde nicht kommen. Das wusste Oxo, das wussten auch Mike, Robin, Nicole und Jenni. Selbst Marcel wusste es. Dennoch konnte er sich nicht von der Wand trennen, auf der eben noch sein Gesicht zusehen gewesen war. Die Sekunden verstrichen.
„Ich …“, begann Marcel.
„Du hast gehört, was er gesagt hat. Er will, dass wir in die Schlafkammern gehen. Und genau das tun wir jetzt!“
Robin sprach mit fester Stimme. Er drückte seinen Rücken durch, um größer zu wirken und Marcel einzuschüchtern. Er sollte nicht einmal im Traum an Widerstand denken. Doch Marcel hatte das gar nicht mehr im Sinn, er war plötzlich viel zu müde. Yxynon hatte ihn überzeugt. Er würde in die Schlafkammer gehen.
Die Korridore sahen fürchterlich aus. Überall hingen Wandverkleidungen herunter. Kabel pendelten wie Lianen von der Decke und erschwerten das Vorankommen, grelle Funken sprangen umher, Dutzende Feuer brannten.
Die Kinder sahen sich unsicher an. Das hier war nicht geplant. Hier lief etwas schief, gewaltig schief.
„Wir kommen nie heil an“, jammerte Mike, während er sich zwischen herunterhängenden Kabeln hindurchzwängte.
Doch Oxo verzog keine Miene. Stur spulte er sein Programm ab, trieb die Kinder voran, den Schlafkammern entgegen. Würden sie es überhaupt noch bis dorthin schaffen?
Ein kreischendes Knarren und Reißen lief durch den Rumpf des Schiffes. Sie mussten sich die Ohren zuhalten, so schmerzte es. Augenblicklich blieben die Kinder stehen; aus ihren Gesichtern sprang nackte Panik. Nur Oxo hielt sich nicht die Ohren zu. Er war auch nicht stehen geblieben. Er lief weiter, als hätte er nichts gehört.
„Verflucht, was ist das?“, fragte Mike. Seine Ohren dröhnten wie ein Glockenturm von dem Knarren und Klingeln.
Doch Oxo lief noch einige Schritte weiter, ehe er sich umdrehte. Er wirkte überrascht, als hätte er gar nicht gemerkt, dass die anderen stehen geblieben waren.
„Was ist denn?“, fragte er.
„Hörst du das nicht?“, wiederholte Mike. „Dieses Reißen und Knarren, als würde irgendwas im Schiff kaputtgehen!“
„Ach so, das. Ja, das höre ich.“
„Was ist das? Was sind das für Geräusche?“
Nachdenklich sah Oxo sich im Korridor um: Verkleidungen waren heruntergerissen, Kabel hingen lose herunter und Funken stoben.
„Das Schiff verformt sich“, antwortete er nüchtern, als wäre es das Normalste der Welt.
„Und das macht dir keine Angst?“
Er drehte sich zu ihnen um und begriff endlich, dass sie Angst hatten.
Oxo atmete langsam aus und ging ein paar Schritte zurück auf die Kinder zu.
„Nein, das macht mir keine Angst. Ich habe Vertrauen in Yxynon. Ich weiß, er schafft das. Er ist der beste Pilot des Sonnensystems.“ Oxo legte Jenni und Nicole eine Hand auf die Schulter und sah den Kindern fest in die Augen. „Macht euch keine Sorgen. Yxynon bringt uns sicher runter.“
„Und wenn wir es gar nicht so weit schaffen?“
Oxo starrte Marcel mit großen Augen an. Entweder hatte er die Frage nicht verstanden oder er hatte sie zu gut verstanden.
„Ich meine, was ist, wenn wir es nicht bis zur Oberfläche schaffen? Wenn das Schiff vorher auseinander fällt?“
„Das wird nicht geschehen.“ Oxos Stimme schwankte für eine Sekunde.
„Und doch kann es geschehen, oder etwa nicht?“
In Oxos Gesicht begann es zu arbeiten wie die Meeresoberfläche während eines heftigen Sturms. Langsam zog er die Hände von Jennis und Nicoles Schultern und ließ sie locker an sich herunterfallen. Dann strich er sich mit ihnen die Hosenbeine gerade. „Hört mir zu“, begann er, „ich gebe zu, wir sind in einer gefährlichen Situation. Wir müssen eine Notlandung versuchen. Unser Schiff trudelt, der Antrieb ist ausgefallen. Aber wir hatten Glück, denn die Bombe ist erst explodiert, als unsere Geschwindigkeit schon sehr gering war. Wir sind bereits in unserem System. Wir schaffen es aber nicht mehr bis Yxus. Ein Notruf wurde abgesetzt, die Rettungsmannschaft ist unterwegs, und wir steuern auf einen Mond am Rande unseres Sonnensystems zu. Er verfügt über Atmosphäre und normale Temperaturen. Allerdings wird die Landung hart. Umso wichtiger, dass ihr endlich in die Schlafkammern geht. Nur dort ist garantiert, dass ihr die Notlandung übersteht. Jetzt lasst uns endlich weitergehen. Ein ganzer Planet zählt auf euch.“
Eigentlich wollte Marcel noch etwas sagen, so etwas wie: „und was wird aus euch, wie werdet ihr die Notlandung überstehen?“, doch Oxos Augen blickten so flehend, dass er schwieg.
„Um die nächste Ecke und wir sind schon da. Da ist der Raum mit den Schlafkammern.“
Der Raum war hell erleuchtet und intakt. Hier drin sah es aus, als gäbe es die gefährliche Situation gar nicht, als wäre sie draußen vor der Tür geblieben, ausgesperrt. Das einzige, was noch an die Gefahr erinnerte, war ein rotes Warnlicht und der Alarm.
Die Schlafkammern standen auf einer Art Podest mitten im Raum. Marcel, der ja schon einmal hier gewesen war, lief schnurstracks auf eine zu. Die anderen blieben ungefähr einen Meter davor stehen und blickten sich ängstlich um. Sie wünschten wirklich, sie hätten nicht gesehen, was sie jetzt gerade sahen. Denn eigentlich waren die Schlafkammern nur Kästen, etwa so groß wie ein Bett, und fast glichen sie Särgen. Ein durchsichtiger Deckel verschloss sie, wenn man drin war. Und das war es, mehr nicht. Sie wussten wirklich nicht, wie diese Dinger sie schützen sollten. Sollten sie sich da etwa reinlegen? In diese Kisten?
„Es ist soweit“, sagte Oxo.
„Da sollen wir wirklich rein?“
„Ja“, antwortete Oxo, „natürlich.“
Plötzlich gab es einen Schlag. Sein Ursprung war nicht auszumachen; scheinbar kam er von überall. Er klang wie ein Peitschenschlag. Die Kinder und Oxo machten einen Ausweichschritt nach vorn.
„Was … was war das eben?“ Jennis Stimme zitterte.
„Die künstliche Schwerkraft ist einen Moment ausgefallen“, erklärte Oxo, auch er klang angespannt und unsicher. Seine Stirn war runzlig wie ein vertrockneter Apfel, und er sah sich hektisch um. „Ihr müsst euch beeilen!“
„Aber ich will da nicht rein!“, protestierte Nicole.
„Wir müssen aber“, sagte Marcel, ging einen Schritt auf sie zu und nahm behutsam ihre Hände. Ein Schauer erfasste ihn. Sie war eiskalt. „Es ist sicher …“
„Ja, wir müssen es tun!“ Robin war der erste, der sich anschickte, sich in eine Schlafkammer zu legen. Dabei sah er ein bisschen so aus, als ginge er zu Bett. „Uns bleibt keine andere Wahl!“
Hm, gar nicht unbequem. Die Liegefläche schmiegte sich regelrecht an seinen Körper; er lag weich und bequem, obwohl es eng war.
Endlich setzte sich auch Nicole in Bewegung, und die restlichen drei taten es ihr gleich.
Oxo entspannte sich erst, als sie alle in den Schlafkammern waren. Jetzt wirkte sein Gesicht so erleichtert, als hätten sie alle Gefahren schon gemeistert. Strahlend ging er auf die Wand zu, an der sich die Steuereinrichtung befand. Seine Schritte waren ausladend, denn obwohl er jetzt deutlich gelöster war, wusste er, dass die Kinder noch lange nicht in Sicherheit waren. Er kam an Marcel vorbei und sah ihn kurz an. Marcel lag flach auf dem Rücken und lächelte. Oxo lächelte zurück, nur kurz, es drängte ihn weiter.
Nach wenigen Schritten stand er vor der Steuereinrichtung und begann hastig Knöpfe zu drücken. Seine Finger rasten, bewegten sich immer schneller. Er prügelte die Befehlssequenzen regelrecht hinein. Sein Atem ging schnell.
„Ich schließe jetzt die Deckel. Legt euch bitte ganz flach!“
Eigentlich hätte er sich das sparen können, denn die Deckel schlossen sich so langsam, dass es nicht bedrohlich wirkte. Dennoch sagte er es laut und deutlich. Sie sollten sich nicht erschrecken.
Marcel hob den Kopf und blickte an sich hinunter, sah, wie der Deckel sich über den Fußteil nach unten schob. Es dauerte eine Ewigkeit, bis er sich ganz gesenkt hatte. Es beruhigte ihn, dass er durchsichtig war. So konnte er nach draußen sehen, obwohl er in einer geschlossenen Kiste lag.
„Ihr werdet gleich schlafen“, hörte er Oxos Stimme neben seinen Ohren, so nah, als wäre er mit ihm hier drinnen. Er schaffte es nicht, seinen Kopf zu wenden.
Wie ein dunkler, schwarzer, alles verschlingender Schleier umgab ihn plötzlich eine Müdigkeit, die er nie zuvor gefühlt hatte. Sie war anders, ganz anders. Kurz glaubte er zu sterben, doch dann war sein Gehirn nicht mehr fähig, einen Gedanken zu Ende zu bringen. Sein Blick verschleierte sich, wurde schwarz, obwohl er die Augen immer noch geöffnet hielt.
Dann stürzte er in einen tiefen Schlaf.
Oxo ließ die Instrumente, die die Schlafphasen anzeigten, nicht aus den Augen. Danach hatten die Kinder eben die Einschlafphase abgeschlossen und befanden sich nun in der Tiefschlafphase. Die Einschlafphase hatte sich heikler gestaltet als erwartet. Die Schlafkammern waren auf die Anatomie seiner Gattung eingestellt, nicht auf die eines Menschen. Er hatte improvisieren müssen und sogar ein paar Grundeinstellungen verändert. Aber nun war die kritische Phase überstanden; die Kinder schliefen.
Wobei der Begriff Schlaf nur im weitesten Sinne zutraf, aber davon hatte er ihnen nichts erzählen wollen. Für einen einfachen Schlaf war er zu tief. Sämtliche Vitalfunktionen waren auf ein Minimum reduziert: Blutdruck, Herzfrequenz, Atmung, alles war heruntergefahren. In gewisser Weise war dieser Schlaf wie eine Art Tod– wie ein Tod aber, aus dem die Kinder wieder erwachen würden. Oxo atmete erleichtert aus. Ihm fiel eine schwere Last von den Schultern. Dennoch gönnte er sich nur zwei Sekunde Ruhe, dann ging es schon weiter. Er drückte einen Knopf an der Steuereinheit und Yxynons Kopf erschien an der Wand. Er saß im Pilotensessel und wirkte konzentriert, gleichzeitig auch ruhig. „Schlafen sie jetzt?“
„Ja“, kam es von Oxo, ebenso kurz angebunden.
Jetzt musste alles sehr schnell gehen. Das Raumschiff war soweit abgebremst, dass sie es wagen konnten, durch die Barriere zu fliegen. Ein Vorgang, der schon mit einem tadellos funktionieren Schiff riskant war, mit einem beschädigten aber war es ungleich schwieriger: Yxynon würde es kaum noch steuern können. Wie ein Papierschiffchen in einem reißenden Fluss würde es dahin treiben. Doch sie mussten durch die Barriere durch. Yxynon konnte keinen Planeten außerhalb mehr ansteuern. Er konnte ja nicht einmal mehr das Schiff steuern. Er konnte es nur noch trudeln lassen. Durch die Barriere hindurch und dann auf den Mond zu. Dort konnten die Kinder überleben, bis der Rettungstrupp kam.
„Bereite dich vor, Oxo! Wir erreichen jetzt die Barriere!“
Damit endete die Verbindung. Die Wand war jetzt wieder nur eine Wand.
Ein weiteres Reißen lief durch den Rumpf. Mit jedem Mal wurde es lauter, länger. Irgendwo in der Außenhaut musste ein Riss entstanden sein, und er schien ständig größer zu werden. Würde er irgendwann so groß sein, dass das Schiff auseinanderbrach?
Doch Oxo stand vor der Steuereinheit und reagierte nicht auf die Geräusche. Seine Augen waren auf die Instrumente gerichtet, fixierten sie. Er wandte seinen Blick nicht für die Dauer eines Wimpernschlages ab.