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Kapitel 2 · Hüter

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Art hatte kaum Zeit über diese Antwort nachzudenken. Genau in diesem Moment wurde die Eingangstür der Altbauwohnung aufgeschlossen.

»Ah! Das sind Bobby und Felix!«

Alice sprang auf und lies einen verdutzten Art zurück. Lon stürmte ebenfalls zur Tür und begrüßte stürmisch einen Mann und eine Frau. Bobby war eine kleine mollige Dunkelhaarige mit einer quietschroten runden Brille auf der Nase. Das Haar war hinten zu einem Dutt gebunden. Ihre Kleidung ähnelte der von Alice. Alles in einem fröhlichem Schwarz gehalten. Felix war mindestens 3 Köpfe größer als Bobby. Seine Haare waren einem tätowierten heulenden Wolf auf seinem Hinterkopf gewichen, seine Ohren enthielten mehr Metall als ein modernes Auto und seine tätowierten Arme hätten ebenso gut Beine werden können. Er trug klassische Jeans, Chucks und ein T-Shirt mit dem Logo von TenaciousD.

Bobby schielte durch den Flur zu Art ins Wohnzimmer. Sie flüsterte zwar, doch konnte Art zu seiner Verwunderung jedes Wort verstehen.

»Wie geht es Art?«

»Prima, die Regeneration hat geholfen. Nur ist sein Gedächtnis weg.«, meinte Alice.

»Also Amnesie? Merkwürdig! Hat er sich schon gewandelt?«

Alice schüttelte den Kopf.

»Hmm übel. Aber er hat noch Glück gehabt. Felix und ich hatten gerade ein Gespräch mit dem Hüter aus Norderstedt. Sie haben gestern Wolfram von Behr, den Bibliothekar des Norderstedter Clans, tot aus der Alster gezogen. Seine Verletzungen waren ganz ähnlich, nur hatte er nicht so viel Glück. Das ist schon der Vierte.«

»Fänger?«

Alice sah Bobby an, diese nickte.

»Möglich«

Alice führte das seltsame Paar dann zu Art an den Tisch.

»Das hier sind Bobby und Felix. Meine Mitbewohner. Du kennst sie. Beide sind ebenfalls Hüter.«

Die beiden anderen Hüter nickten Art kurz zu und setzten sich zu ihm an den Esstisch.

»Hallo Art. Hast dich ja etwas rar gemacht seit Alice Schluss gemacht hat!«, frotzelte Felix.

Alice und Bobby warfen ihm einen grimmigen Blick zu und Art musterte interessiert Alice.

»Du hast also Schluss gemacht?«

Alice wurde rot. Bobby wechselte rasch das Thema.

»Ups! Äh, könntet ihr das vielleicht später diskutieren? Art wurde brutal angegriffen und es scheint eine Parallele zu den anderen Morden zu geben! Wenn wir die Verbindung kennen, können wir vielleicht den Täter finden und weitere Morde verhindern! Ich hoffe, dass wir es nicht mit einem Aufleben der 'Fänger' zu tun haben.«

Bobby angelte ein Notebook aus ihrem Rucksack im Schottenkarodesign und machte sich sofort daran eine Verbindung ins Internet herzustellen. Der stämmige Glatzkopf zückte ein altmodisches Filofax. Mit flinken Fingern hackte Bobby in ihr Notebook.

»Also, ich habe hier in der Datenbank der LHG, der Liga der Hüter Gilden, die vier letzten bekannten Opfer im Raum Hamburg«

»Zeig!«

Alice zog das Notebook etwas zu sich.

»Da wäre der Bibliothekar des Norderstedter Clans. Zwei Betarüden aus Ostholstein und Dithmarschen...«

Diesmal unterbrach sie Felix.

»Stimmt. Ole Oldenburg und Franz von Marne. Sie waren ähnlich zugerichtet wie unser Art. Die dortigen Hüter hatten mir letzte Woche die Berichte gemailt.«

»Dann bleibt noch ein Alpharüde aus Hannover«

Alice nickte.

»Der Hannoversche ist vorgestern im Brooksfleet gefunden worden. Aber wo ist der Zusammenhang?«

Art verstand nur Bahnhof. Bobby zog das Notebook wieder zu sich und tippte wie wild in die Tasten. Enttäuscht zuckte sie nach einer Weile mit den Schultern.

»Hm! Der Norderstedter. Marner. Ostholsteinische. Der Hannoversche...verdammt, ich finde keine Verbindung, außer, dass das alles Clans im Norden sind. Also im Katzen-Gebiet. Im Gebiet der südlichen Clans hat es nicht einen einzigen ähnlichen Angriff gegeben. Ich hoffe, dass bedeutet nicht, was ich vermute!«

Alice und Felix sprangen auf und sahen Bobby über die Schulter.

»Das kann nicht sein. Die Katzen haben sich immer an den Friedensvertrag gehalten!«

»Stimmt. Ich glaube auch nicht, dass die Katzen was damit zu tun haben. Ich werde aber besser Luna informieren. Meiner Meinung nach haben wir es tatsächlich mit Fängern zu tun.«

»Ich unterbreche Euch ja nur ungern. Aber ich frage nochmal! Was soll das alles? Beta Rüde, Hüter, Fänger, Gewandelt, Reviere?!? Ist das hier so eine komische Sekte? Könnte mir bitte jemand erklären, was hier gespielt wird? Und wieso will mich jemand umbringen?«

Felix legte seine Hand auf Arts Schulter und atmete tief durch. Alice und Bobby nickten ihm zu.

»Na gut. Da du dich an nichts erinnern kannst, zuerst eine kleine Einführung. Vielleicht erinnerst du dich zumindest an die Legenden über Werwölfe? Nun, diese sind nicht ganz reine Phantasie. Es gibt und gab schon immer Gestaltwandler. Der katholische Heilige Christopherus wurde sogar als Hund dargestellt. Warum es sich auf Katzen, Raben und Wölfe beschränkt weiß allerdings niemand. Jedenfalls leben diese Gestaltwandler wie normale Menschen. Bis auf ein paar Eigenarten. Ihr zieht es vor, dass die normalen Menschen nichts von eurer Existenz wissen und haltet eure Fähigkeiten weitgehend geheim. Während die Raben unter sich bleiben und unerkannt leben, haben Wölfe und Katzen ein kleines Problem miteinander. Wie sollte es anders sein, es herrschte lange Krieg zwischen den Werkatzen und den Werwölfen. Vor ungefähr 400 Jahren eskalierte dann der Konflikt. In den Wirren des 30jährigen Krieges und der Pest fielen die Kämpfe und die Opfer allerdings nicht weiter auf. Doch auf jeder Seite gab es eine Partei, die das Morden satt hatte. So kam es zu einer geheimen Konferenz im damals neutralen Ostfriesland. Die Vertreterin der Katzenmenschen war ihre Herzogin Freyja von Harburg. Für die Wölfe verhandelte Thorulf vom Main. Es wurde ein Friedensvertrag ausgehandelt. Die Katzenmenschen erhielten Norddeutschland und gründeten ein feudales Königreich, das noch immer von der selben Dynastie der Harburger regiert wird. Die Wölfe bekamen den Süden, den sie in Clangebiete aufteilten. Höchste Instanz der Wölfe ist der Hohe Rat, der aus Vertretern aller Clans besteht. Es gibt aber in beiden Gebieten tolerierte Minderheiten. Um den Frieden zu sichern, wurden neutrale menschliche Hüter eingesetzt. Nur wenige Normalos haben die Fähigkeit in Euch den Wandler zu erkennen. Unsere Vorfahren waren angeblich einst ebenfalls Wandler. Sie haben sich aber mit normalen Menschen gemischt. Übrig blieben nur gewisse magische Fähigkeiten, die unterschiedlich ausgeprägt sind. Das Amt eines Hüters bleibt in der Regel in der Familie, so war Alices Vater Hüter. Vergehen melden wir direkt an eure jeweiligen Behörden. Wir schützen eure Identität vor den normalen Menschen. Wir können auch Täter festnehmen oder, wie in deinem Fall, als Rettungstrupp agieren. Doch der Frieden ist in Gefahr. Vier hochrangige Vertreter der Werwolf-Minderheit im Norden wurden bestialisch ermordet. Wir Hüter stehen vor einem Rätsel. Der Hohe Rat der Wölfe, sowie das Königshaus der Katzenmenschen zeigten sich höchst besorgt ... denn wie es jetzt aussieht haben wohl doch Katzen ihre Hände, oder Pfoten im Spiel. Wenn sich das bewahrheitet, dann stehen wir nach 400 Jahren vor einem neuen Krieg.«

Bobby schüttelte den Kopf.

»Ich glaube nicht an die Katzen-Theorie. Wahrscheinlicher ist es, dass wir es mit neuen Fängern zu tun haben. So ähnlich sind sie früher schon vorgegangen. Also Art, Fänger sind normale Menschen, die meinen ihr Wandler seid wider die Natur und müsst ausgelöscht werden. Entsprechend ermordeten sie jeden Wandler, den sie erwischen konnten. Gegründet wurden die Fänger irgendwann im Mittelalter von einem Papst. Allerdings haben Agenten der Hüter, Wölfe und Katzen die Fänger Ende der 60er Jahre weitgehend ausgeschaltet. Es gibt allerdings noch immer vereinzelte...«

»Halt! Zuviel Information! Tut mir leid, aber das muss ich jetzt erst mal verdauen...oder wollt ihr mich verarschen?«

»Wenn du dich verwandeln könntest, würdest du uns glauben!«

»Aber ihr sagtet ich kann nicht wegen Amnesie?!«

»Stimmt. Noch so ein Rätsel. Nach den Regenerationszyklen müsste...«

»Das weiß ich inzwischen auch. Regenerationszyklus blablabla. Was habe ich mit diesen Werwölfen zu tun?«

»Nun, du bist auch ein Wandler.«

»Ja sicher. Was bin ich denn - ein Zwergpinscher?«

»Ein Werwolf. Ganz sicher aus dem Süden. Aber wo genau du herkommst hast du uns nie verraten.«

Art verdrehte genervt die Augen.

»Na von mir aus. Wandler aus dem Süden, wenn ihr meint. Müsste es uns Wandler nicht auch in anderen Ländern geben? Oder ist das mit den Wandlern nur so eine typisch deutsche Spinnerei?«

Felix schüttelte den Kopf.

»Natürlich gibt es auch Wandler in den anderen Ländern. In Frankreich gibt es ein gemischtes Wandler-Parlament. Dort gab es nie diese Spannungen zwischen Wölfen und Katzen. Außer während der Hugenottenverfolgung im 17. Jahrhundert. In Spanien und Griechenland regieren Katzen und Wölfe werden verfolgt. In England hingegen regiert eine Wölfin...«

»Ja klar! Glaub ich sofort.«

Bobby rückte ihre Brille auf die Nasenspitze.

»Überleg mal, wer sollte sich so eine Geschichte ausdenken?“

»Angenommen ihr lügt mich nicht an. Ihr kennt mich doch gewandelt? Was könnte denn mein Clan sein? Vielleicht kann der mir helfen?«

»Tut uns leid. Du hast nie darüber gesprochen. Wir wissen nur, dass du hier in Hamburg als Clanloser lebst.«

»Clanlos. Na toll! Das klingt ja fast wie Obdachlos!«

Bobby verschränkte die Arme.

»Quatsch! Ihr Clanlosen habt lediglich einen Weg ohne den Clan gewählt. Ihr macht sozusagen lieber euer eigenes Ding. Ohne Verpflichtungen, die ein Leben im Clan mit sich bringt.«

»Also bin ich freiwillig Clanlos?«

»Jep«, Felix nickte.

»Wenn ich aber zu keinem Clan gehöre und auch sonst nichts mit den getöteten Wandlern gemeinsam habe, warum wollte man mich dann auch umbringen?«

»Gute Frage«, stimmte Alice zu.

»Vielleicht warst Du ja ein Zeuge?«

»Oder bist einfach Fängern ins Netz gegangen.«

»Wenn er sich wenigstens wieder erinnern könnte!«

»Seht ihr denn eine Chance, dass ich mich wieder erinnern kann?«

»Viviane!«

Bobby sprang auf.

»Viviane. Wenn es jemand kann, dann sie! Warum haben wir nicht früher daran gedacht! Immerhin kennt sie dich sehr gut!«

»Wer zum Geier ist jetzt diese Vivil?«

Alice ignorierte Art, griff zu ihrem Handy und wählte Vivianes Nummer.

Die Werwölfe vom Oberland

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