Читать книгу Das Tal der Elefanten - Lauren St John - Страница 4

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Martine sah den Wagen zum ersten Mal, als sie sich hoch oben auf dem Plateau im Wildreservat Sawubona ein Lagerfeuerfrühstück schmecken ließ. Sie schenkte ihm jedoch keine weitere Beachtung, weil Tendai, der Zulu-Wildhüter, sie soeben mit einer lustigen Bemerkung zum Lachen gebracht hatte und weil sie gerade dabei war, herzhaft in eine leckere, rauchig-süß schmeckende Speck-Bananenrolle zu beißen. Abgesehen davon wendete der Wagen – eine schwarze Limousine mit getönten Scheiben – noch bevor er das in der Ferne gelegene Haus erreicht hatte, und fuhr davon, sodass sie zu dem Schluss kam, dass sich da jemand ganz einfach verfahren haben musste.

Erst als die schwarze Limousine am nächsten Morgen wieder auftauchte, während Martine mit der Fütterung der Asyltiere beschäftigt war, kam ihr wieder in den Sinn, dass sich der Wagen am Vortag seltsam wie in einem bedächtigen Trauerzug über die Ebene bewegt hatte. Diesmal musste sie ihn zur Kenntnis nehmen, denn er glitt langsam bis dicht an die Gehege der verletzten und verwaisten Tiere von Sawubona, als hätte er ein Recht dazu. Im Heck öffnete sich eine Tür, und ein groß gewachsener, kahlköpfiger Mann stieg aus. Er trug einen dunkelblauen Anzug und eine Armbanduhr, die aussah, als sei sie direkt aus einem Goldbarren gefertigt worden. Der Mann blickte um sich, als würde Sawubona ihm gehören.

«Kann ich Ihnen helfen?», fragte sie, eifrig bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie verärgert sie darüber war, dass der Mann mit seinem Wagen die kranken Tiere verängstigt hatte. Sie war überzeugt, dass es ihm nicht im Traum einfallen würde, mit seiner Karosse in einem Krankenhaus für Menschen aufzukreuzen und die Patienten zu stören. Aber so war es nun einmal: Die wenigsten Menschen brachten Tieren denselben Respekt entgegen, den sie für ihresgleichen übrig hatten.

«Oh, ich habe, glaube ich, alles gesehen, was ich sehen wollte», antwortete der Mann. Doch er blieb einfach an Ort und Stelle stehen, ein selbstzufriedenes Lächeln auf den Lippen. Dann fischte er ein Feuerzeug und eine fette Zigarre aus seinem Anzug und begann, genüsslich vor sich hin zu paffen, als hätte er alle Zeit der Welt.

«Sonntags finden keine Safaris bei uns statt», sagte Martine. «Wir haben nur an Werktagen geöffnet, aber Sie müssen sich vorher anmelden.»

«Ich bin nicht zu einer Safari gekommen», sagte der Mann. «Ich suche Gwyn Thomas. Und wer bist du, wenn ich fragen darf?»

Mit Mühe unterdrückte Martine einen Seufzer. Sie musste drei heißhungrige Wüstenluchse füttern, die Wunde einer Antilope versorgen und war außerdem nicht in Gesprächslaune. Ganz abgesehen davon hatte ihr ihre Großmutter immer wieder gepredigt, nicht mit Fremden zu sprechen. Verhaltensmaßregeln für den Fall, dass ein Fremder anscheinend in offizieller Mission in Sawubona auftauchte und sie mit Fragen durchbohrte, hatte sie ihr allerdings nicht gegeben. Also sagte sie schließlich widerwillig: «Mein Name ist Martine Allen. Und wenn Sie meine Großmutter suchen, so finden Sie sie im Haus.»

«Allen?», fragte er nach. «Wie lange wohnst du denn schon hier, kleine Martine? Du sprichst nicht mit südafrikanischem Akzent. Woher kommst du?»

Martine fühlte sich immer unwohler in ihrer Haut. Sie hoffte, dass Tendai oder Ben, der neben der weißen Giraffe Jemmy ihr bester Freund war, auftauchen und sie aus dieser unangenehmen Situation befreien würden. Doch Tendai war zum Einkaufen nach Storm Crossing gefahren, und Ben war im Hafen von Kapstadt, um sich von seinen Eltern zu verabschieden, die sich zu einer Kreuzfahrt im Mittelmeer einschifften. Am liebsten hätte sie dem kahlköpfigen Mann gesagt, dass ihn weder ihr Name noch ihre Herkunft etwas angingen, aber sie wollte auch nicht unfreundlich zu ihm sein, vielleicht war er ja ein wichtiger Kunde.

«Ein Jahr», antwortete sie. «Ich bin jetzt seit einem knappen Jahr in Sawubona.» Sie hätte hinzufügen können: Seit meine Eltern letztes Silvester bei einem Brand unseres Hauses in England ums Leben gekommen sind. Doch das behielt sie für sich. Es war nicht ihre Art, persönliche Informationen über ihr Leben an neugierige Fremde weiterzugeben. Stattdessen fragte sie: «Werden Sie von meiner Großmutter erwartet? Ich kann Ihnen den Weg zum Haus zeigen.»

«Ein Jahr ist eine recht lange Zeit», sagte der Mann. «Lange genug, um einen Ort lieb zu gewinnen.»

Und dann sagte er etwas, das Martine erschaudern ließ: «Schade.»

Nur das. Ein einziges Wort: «Schade.»

Er sagte es in einer Weise, dass Martine den dringenden Wunsch verspürte, nach Hause zu gehen und eine Dusche zu nehmen, so sehr fühlte sie sich von ihm angeekelt. Dabei war er stets höflich geblieben und ihr auch nicht zu nahe gekommen. Sein einziges Vergehen bestand darin, das Tierasyl von Sawubona mit dem Rauch seiner Zigarre verpestet zu haben.

Doch bevor sie reagieren konnte, sagte der Mann energisch: «Gut. Ich denke, ich sollte jetzt mit deiner Großmutter reden. Aber mach dir keine Umstände. Ich kenne den Weg.»

Dann stieg er wieder in die schwarz glänzende Limousine und ließ sich davonchauffieren. Als er weg war, blieben nur der eklige Geruch seiner Zigarre und ein einziges, schweres Wort in der Luft hängen: «Schade.»

Das Tal der Elefanten

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