Читать книгу Blackwood - Lena Knodt - Страница 15

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Kapitel 9

Langsam stieß Jack die Luft durch die Nase aus, schloss die Augen und lehnte den Kopf an die Hinterwand des hölzernen Schrankes. Dann löste er die Finger von Livelys Mund und ließ die Hand zu Boden sinken.

»Was war das?«, fragte Lively halblaut. Ihre Stimme zitterte und sie räusperte sich.

Jack antwortete nicht. Sein Arm war irgendwo hinter ihrem Rücken eingeklemmt und sein Fuß steckte in etwas Weichem, wahrscheinlich in einem Haufen Putzlumpen. Die Schritte waren schon lange verklungen und trotzdem traute er sich nicht, die Schranktür auch nur einen Spalt breit zu öffnen. Das hier waren definitiv genug Abenteuer für die nächsten Jahre gewesen.

»Jack«, murmelte Lively. »Meinst du, sie halten hier unten wilde Tiere?«

»Ich habe keine Ahnung.« Er stöhnte und drehte sich so, dass Livelys Haare ihn am Kinn kitzelten. Er schaute auf sie hinab – oder besser gesagt dorthin, wo er ihr Gesicht vermutete. Seine Stimme wurde leiser, eindringlicher, und er lehnte sich noch ein Stück näher an seine Schwester heran, in der Hoffnung, sie mit seinen Worten zu erreichen. »Wir sind in ein Haus eingebrochen, Liv. Wir verstecken uns gerade in einem fremden Besenschrank. Das hat doch nichts mehr mit unserem Vater oder unserer Herkunft zu tun. Für uns gibt es jetzt keinen anderen Weg als hinaus aus dieser Tür und hinaus aus diesem Haus.«

Lively schnaubte und Jack presste die Lippen aufeinander. Er hasste dieses Schnauben. Gott, er hasste es so sehr.

»Ich mache nicht mehr mit«, zischte er, bevor sie ihn wieder mit ihren Worten um den Finger wickeln konnte. Mit der Hand, die sich sowieso halb um den Körper seiner Schwester geschlungen war, packte er ihre Schulter.

»Schön«, entgegnete Lively schnippisch und entwand sich seinem Griff so weit, wie es eben ging, ohne die Tür aufzustoßen. »Dann mache ich ohne dich weiter. Ich war von Anfang an bereit, allein in diesen Zug zu steigen.«

Jacks Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, denn er wusste, dass sie recht hatte. Egal, was er tat oder sagte, Lively würde weitermachen. Und dieser Gedanke bereitete ihm so Bauchschmerzen, dass er sie am liebsten gepackt und zurück nach Hause geschleppt hätte. Aber das schaffte er ohnehin nicht. »Mach, was du willst«, sagte er und verlieh seiner Stimme alle Kälte, zu der er fähig war. Aber er war wütender auf sich selbst als auf sie. Wieso hatte er nicht gleich die Reißleine gezogen, sondern sich von seiner Neugierde hierherlocken lassen?

Lively starrte ihn ein paar Sekunden lang an. Trotz der Dunkelheit spürte er ihren Blick förmlich auf seiner Wange brennen. Dann stieß sie die Tür auf und stakste aus dem Schrank hinaus in den spärlich beleuchteten Flur. Sie klopfte ihre Kleider aus und richtete sich auf. Dann erstarrte sie, weitete die Augen und fixierte einen Punkt hinter dem Schrank den Gang weiter entlang.

»Guten Abend.«

Jack stolperte nach draußen und sprang schützend vor seine Schwester. Auffordernd starrte er dem Mann entgegen, der sie mit hinter dem Rücken verschränkten Armen betrachtete. »Wir wollten gerade gehen.«

»Wolltet ihr das? Deine Frau ist da wohl anderer Meinung. Zumindest, wenn ich euer Gespräch richtig mitbekommen habe.« Er hob langsam eine Braue unter dem dichten schwarzen Haar. Irgendwie kam er Jack bekannt vor, doch er konnte nicht sagen, woher. Vielleicht war er ihm heute im Dorf begegnet oder ... im Wirtshaus!

»Du!« Nun hatte auch Lively ihn erkannt. »Adrian, nicht wahr?«

Der Angesprochene zuckte beim Klang seines Namens zusammen und verengte die Augen. »Du bist diese Verrückte, die mich vor dem Hungrigen Raben angesprochen hat. Die Sagensammlerin.« Langsam legte er den Kopf schief und sah sie nachdenklich an. »Du hast mich ausgehorcht. Wieso? Was wollt ihr hier? Uns bestehlen? Auf eigener Faust nach den Geschichten dieses Hauses suchen?«

»Wir haben uns nur verirrt«, entgegnete Jack in Ermangelung einer anderen Ausrede. Jeder Muskel seines Körpers war angespannt. Sie mussten hier verschwinden, so schnell wie möglich. Er hielt sein Gegenüber fest im Blick und je mehr sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, desto schärfer nahm er die Gesichtszüge wahr.

»Ist das so?« Der Mann trat einen Schritt auf sie zu und Jack baute sich weiter vor seiner Schwester auf. Er hasste es, dass dieser Adrian seine Hände weiter hinter dem Rücken verschränkt hatte.

Lively trat einen Schritt zur Seite und schob seinen Arm weg, sodass sie neben ihm stand. »Hör zu, Adrian.«

Der klare Blick des Mannes legte sich nun auf Jacks Schwester. Ein winziges Lächeln umspielte seine Lippen. Adrian schien nicht wirklich wütend über ihren Einbruch zu sein. Trotzdem entspannte sich Jack nicht. »Es gefällt mir nicht, dass du meinen Namen kennst, aber ich nicht euren«, sagte Adrian.

»Den verraten wir sicherlich nicht dem Mann, in dessen Haus wir gerade eingebrochen sind«, entgegnete Lively trocken. Jack presste die Lippen zusammen. Konnte sie nicht einmal ihre Klappe halten? Sie spielte gerade mit ihrem Leben.

Adrian lachte leise. »Verständlich.« Er fixierte sie wieder nacheinander. »Dann würde ich jetzt vorschlagen, dass ihr verschwindet. Ihr seht mir nicht aus wie Verbrecher und ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, was ich sonst mit euch anstellen soll. Mein Vater hat genug Probleme, ohne dass ich ihm zwei wahnsinnig schlechte Einbrecher vorführe.«

Jack sah aus dem Augenwinkel, wie Lively den Mund öffnete, um noch etwas zur erwidern. Bevor es dazu kommen konnte, packte er sie am Oberarm und schob sie in Richtung Tür. Er fasste sich an die Krempe seines Zylinders. »Vielen Dank für Ihre Nachsicht, Sir. Das wird sicher nicht nochmal vorkommen.

»Komm jetzt, Liv«, zischte er, als seine Schwester sich sträubte.

»Hör auf deinen Mann.«

»Das würde ich nicht einmal, wenn er mein Mann wäre«, entgegnete Lively giftig, aber eher an ihn gewandt als an Adrian. Sie entriss sich seinem Griff, stapfte dann aber ohne einen Blick zurück auf den Eingang zu.

»Und lasst dieses Mal die Finger von Türen, die euch nichts angehen«, rief Adrian ihnen nach und schickte Jack damit einen kalten Schauer den Rücken hinab. »Ich hoffe, ich sehe euch hier nicht wieder.«

»Da kannst du dir sicher sein«, murmelte Jack beim Hinausgehen.

Wie sich herausstellte, hatte er Unrecht.

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