Читать книгу Gartenzwerge küsst man nicht - Lene Sommer - Страница 3

Prolog

Оглавление

»Sabrina, wenn Du Dich wie immer nicht entscheiden kannst, dann nimm doch die blauen Pailletten, die passen perfekt zu deinen Augen, und zu dem weißen French passt sowieso alles«, versucht Ella ihrer besten Freundin Sabrina - eine ihrer treuesten Nageldesign-Kundinnen - gelassen eine Entscheidung abzuringen. Sabrina kann sich wie bei jedem Auffülltermin ihrer Gelnägel nur schwer entscheiden. Das ist eine der Eigenschaften, die Ella manchmal auf die Palme bringen. Trotz allem versucht sie, geschickt eine schnelle und tolle Lösung für sie zu finden. »Okay, du hast recht. Außerdem muss ich auch gleich zur Arbeit. Ich muss Angie heut eine Stunde eher ablösen, denn sie kränkelt etwas.« Ella verziert Sabrinas Ringfinger nun mit blauen Pailletten und versiegelt anschließend alle zehn modellierten Nägel noch einmal mit einer Glanzschicht. Als krönenden Abschluss bekommen noch alle Finger einen Tropfen Nagelöl auf die Nagelhaut, während der Rest der Hände mit einer gut riechenden Handpflegecreme verwöhnt wird. Sabrina betrachtet - wie jedes Mal - begeistert ihre Nägel. »Ella, du bist die Beste. Kein Wunder, dass du die Meisterschaft gewonnen hast.«

Ella winkt bescheiden ab. »Ach komm schon, dafür trägst du deine Nägel immer viel zu schlicht, als dass ich dadurch mein wahres Talent unter Beweis stellen könnte.« Sie zwinkert ihr zu. »Du bist immer so bescheiden. Sag mir bitte, was du bekommst, dann kann ich zur Arbeit düsen. Du hast ja sicherlich auch gleich die nächste Kundin.«

»Du weißt, bei dir wie immer der Sonderpreis. Da fällt mir ein, hast du eigentlich mal wieder diesen speziellen Kunden im Geschäft bedienen müssen?«, fragt Ella Sabrina frech grinsend. Sabrina lacht laut auf. »O ja, und zwar gestern. Er wollte natürlich wieder nur von mir bedient werden und alles von mir über Dildos wissen. Am Ende fragte er sogar, welchen ich bevorzugen würde. Da habe ich ihn ein wenig ausgebremst. Das hat er glaube gar nicht richtig gecheckt, denn zu guter Letzt hat er dann wohl zu seinem wahren Ich gefunden und wollte stotternd wissen, wie ich es fände, Gummischwänze zu lecken.« Ella bricht vor Lachen in Tränen aus. »Ich hau mich weg, den musst du unbedingt mal heimlich fotografieren. Erzähl mir bitte alle weiteren Details morgen Abend. Wann kommst Du überhaupt?« Sabrina gibt Ella die dreißig Euro und setzt zu einer Antwort an:

»Ich habe ab 19:00 Uhr Feierabend. Der Chef sperrt morgen das Geschäft zu, deshalb müsste ich eigentlich pünktlich rauskommen.« Ella umarmt ihre Freundin zum Abschied. »Dann sortiere morgen mal schneller deine Handschellen und Dessous, sonst bin ich verhungert, bis du da bist.« Im Gehen dreht sich Sabrina noch einmal zu ihrer Freundin um, die bereits an der Tür steht. »Okay, Ella-Bella!«, zwinkert sie ihr zu, geht ein paar Meter, steigt in ihr Auto und fährt davon.

Ella steht noch immer an der Haustür ihres Nagelstudios. Sie grinst vor sich hin, denn nur zu gut kann sie sich Sabrina mit dem, scheinbar an ihr besonders stark interessierten, Kunden vorstellen. Ihr Blick schweift zum Nachbargrundstück des Doppelhauses, vor dem ein grauer Pick-up parkt. Ob der wohl den neuen Eigentümern gehört? Gesehen habe ich jedenfalls noch niemanden. Nur den Baulärm habe ich bisher gehört. Na ja, die Familie werde ich sicher noch zu Gesicht bekommen, kreisen ihre Gedanken.

Vier Stunden sowie vier Kunden später reinigt Ella ihr Studio und geht nach oben in das Erdgeschoss ihrer Haushälfte. Das Haus ist an einen Hang gebaut. Ihr Nagelstudio hat sie sich im Erdgeschoss ihrer Haushälfte eingerichtet und es läuft fantastisch. Ihre Kundinnen kommen nicht nur aus der näher gelegenen Stadt Berlin, sondern auch von weiter her. Mit ihren neunundzwanzig Jahren ist Ella eine gefragte Nageldesignerin und hat sich in diesem Frühjahr auf der Kosmetikmesse einen Meisterschaftstitel in Gelmodellage erkämpft. Dadurch hat sie viele Anfragen für Weiterbildungen und ist immer ausgebucht.

Ella ist so gefragt, dass selbst andere erfahrene Nageldesignerinnen ihren Rat suchen und sogar Weiterbildungen bei ihr belegen.

Im ersten Obergeschoss befindet sich ein großes, helles Wohnzimmer, das mit einer beeindruckenden Glasfront, einem Kamin sowie einer riesigen Sofalandschaft zum Rumlümmeln ausgestattet ist. Der daran angrenzende Garten ist Ellas Herzstück und durch jene Glasfront offenbart sich ein traumhafter Blick. An das Wohnzimmer schließt sich außerdem mit einer halbhohen Mauer die Küche an. An dieser Mauer ist eine Theke mit vier modernen Barhockern angebracht. Die Küche ist topaktuell ausgestattet, da das Kochen neben dem Nägelmachen eine weitere Leidenschaft von Ella ist. Eine weitere Treppe führt in das geräumige Dachgeschoss. Dort befindet sich Ellas großes Schlafzimmer. Beide Seiten des Daches haben ausladende Fensterfronten, um jeden Sonnenauf- und –untergang mit seinem zauberhaften Lichtspiel genießen zu können und keinen davon zu verpassen. Ein Boxspringbett mit einem romantischen Himmel rundet dabei die träumerische Atmosphäre perfekt ab.

Sie entledigt sich nebenan im Badezimmer ihrer verstaubten Kleidung und zieht sich ihre Laufsachen an, um eine Runde zu joggen. Der perfekte Ausgleich für eine sitzende Tätigkeit. Die Ohrstöpsel ihres MP3-Players in die Ohren gesteckt, und los geht ihre tägliche Laufrunde von sechs Kilometern durch den angrenzenden Wald. Hier führt ein schöner breiter Weg hindurch und man trifft immer wieder Spaziergänger, Läufer, Reiter mit ihren Pferden und Mütter mit ihren Kinderwagen oder Hunde mit ihren Besitzern. Selbst spätabends, läuft dort jeder gern entlang, da der gesamte Pfad super beleuchtet ist.

Ella rennt die letzten Meter bis zu ihrem Hauseingang. Völlig entspannt und befreit erreicht sie ihre Haustür. Sie schließt auf und geht die Treppe hinauf, anschließend durch ihre Privaträume und hinaus in den Garten der an der Hangseite liegt. Das Stretching ist ein guter Abschluss für ihr Training und Ella erledigt es am liebsten in ihrer kleinen Oase.

Mit durchgestreckten Armen und Beinen beugt sie ihren Oberkörper nach unten, um mit ihren Fingerspitzen den Boden zu erreichen. Sie federt ein paarmal hoch und runter, doch bevor sie ihre Position ändern kann, erschrickt sie durch lautes Hundegebell. Kurz darauf schießt ein kleines, helles Fellknäuel an ihr vorbei, was sie ihr Gleichgewicht verlieren lässt. Als sie sich wieder fangen kann, hört sie auch schon wie Keramik zerbricht und zu Boden fällt. O nein, bitte keinen meiner Zwerge, schießt es ihr durch den Kopf.

Ella stellt sich aufrecht hin, dreht sich dem Geräusch zu und sieht einen kleinen und verängstigten weißen Labrador-Welpen, der mitten in den Scherben sitzt. Bei dem zuckersüßen Anblick, der sich Ella nun bietet, schmilzt sie sofort dahin und vergisst selbst ihre geliebten Keramikzwerge für einen Moment.

»Ach Gott, was bist du denn für ein kleiner, süßer Tollpatsch? Na, komm mal her, nicht dass du dich noch schneidest.« Ella geht auf ihn zu, greift nach ihm, hebt ihn aus dem Scherbenhaufen und nimmt den Welpen in ihre Arme. Nicht weit von ihr entfernt stehen ihre Strandkörbe. Mit dem Fellknäuel in den Armen setzt sie sich in einen davon und platziert den Welpen auf ihrem Schoß. Große Kulleraugen schauen sie reumütig an. Daraufhin muss Ella lachen und kuschelt sich an den Welpen. Dieser findet das sichtlich toll, denn er fängt an sie am Kinn und ihren Händen abzuschlecken, was Ella noch mehr zum Lachen bringt. »Bist du ein Süßer. Dir kann man ja gar nicht böse sein, auch wenn Herbert jetzt geköpft am Boden liegt.«

»Herbert?«, erklingt es nun gegenüber von Ella, woraufhin sie ihren Kopf hebt und einem hochgewachsenen, gut gebauten Mann in die Augen schaut, sodass es ihr prompt die Sprache verschlägt. Mit offenem Mund schaut sie ihr Gegenüber an. Ein wenig sprachlos trifft es auf den Punkt, zumal sie nicht einmal gehört hat, dass sich ihr jemand genähert hat. Der hübsche Fremde lächelt leicht verlegen und kratzt sich am Kopf. »Hallo, Joker und ich sind hier nebenan neu eingezogen und zeigen uns gleich von unserer besten Seite, wie es aussieht!«

Ella erhebt sich - mit dem Welpen auf dem Arm - aus ihrem Strandkorb und hält ihn sich vor ihr Gesicht. Joker schaut sie treuherzig an. »Soso, Joker heißt du süßer Fratz also.« Joker nutzt die Chance und schleckt erneut mit seiner kleinen Zunge über Ellas Nase. Ella kneift die Augen zusammen und lacht aus vollem Halse, senkt ihre Arme dann samt Joker und lächelt ihren Nachbarn offen an. »Hallo, ich bin Ella und das ist doch nicht so schlimm. Als ich mich nach dem Laufen eben ein wenig gedehnt hatte und plötzlich etwas an mir vorbeihuschte, habe ich mich einfach kurz erschrocken.« Nach dieser Ausführung lächeln sie beide aufrichtig an. Mit ausgestreckter Hand stellt sich der schöne Unbekannte jetzt richtig vor. »Hi, ich bin Tom. Freut mich, dich kennenzulernen. Für den Zwerg werden wir natürlich aufkommen.« Ella ergreift lächelnd Toms Hand und drückt sie. »Angenehm, Herr Nachbar!«

Nachdenklich schaut Ella über ihre Schulter zu dem geköpften Zwerg. »Hm, um Herbert ist es wirklich schade, aber ich versuche ihn einfach wieder zu kleben.« Joker bejaht dies mit einem Bellen. Amüsiert fragt Tom nach: »Warte, dein Gartenzwerg hat wirklich einen Namen?« Ella entgleiten ihre Gesichtszüge, denn sobald es um ihre heiß geliebten Zwerge geht, versteht sie keinen Spaß mehr, und damit drückt sie Joker Tom in die Hände. Trotzig antwortet sie: »Ja, genau wie dein Hund einen Namen hat.« Tom merkt gleich, dass er in ein Fettnäpfchen getreten ist. »Entschuldige, ich wollte mich nicht darüber lustig machen. Aber erlaubst du mir eine Frage?«, erwidert er neugierig. Mit hochgezogenen Augenbrauen und einem skeptischen Ausdruck im Gesicht antwortet Ella: »Kommt auf die Frage an.« Mit seinem Arm zeigt er in Ellas Garten, in dem ganz viele skurrile, große und kleine Gartenzwerge stehen. »Haben die alle Namen?«

Ella verschränkt ihre Arme vor ihrer Brust. »Und wenn es so wäre?«

Tom lacht und antwortet: »Dann fände ich es äußerst erfrischend. Darf ich dich morgen Abend zum Grillen einladen? Als Wiedergutmachung für unseren bescheidenen Start?«

Versöhnlich antwortet Ella. »Morgen Abend kommt meine beste Freundin Sabrina zum Essen.« Da sie gemerkt hat, dass Tom sich wirklich nicht über sie lustig machen wollte, entspannt sie sich wieder.

»Na, das trifft sich doch super. Mein Kumpel Phil kommt morgen Abend ebenfalls. Es würde mich freuen, wenn ihr beide zum Grillen kommen würdet.«

Ellas Augen beginnen zu funkeln, und sie schaut an Tom vorbei in seinen Garten. »Das klingt toll und wir kommen gern. Doch Essen können wir hier bei mir. Du hast ja noch gar keine Gartenmöbel, wie es aussieht.«

Als Ella dies ausspricht, fällt es Tom auch wieder ein. »Stimmt, das wäre nett, danke!«

Die beiden machen für den nächsten Abend noch eine Uhrzeit aus und einigen sich darauf, was jeder noch zu besorgen hat. Sie beschließen, dass Ella die Salate machen und Tom sich um das Fleisch kümmern wird. Danach verabschieden sie sich voneinander.

Gartenzwerge küsst man nicht

Подняться наверх