Читать книгу Gartenzwerge küsst man nicht - Lene Sommer - Страница 6
ELLA
ОглавлениеIch sitze mit einem Glas Weißwein an meiner Küchentheke. Draußen dämmert es bereits und ich bin dabei, meine Einkaufsliste für morgen fertigzustellen. Ich möchte gleich frühmorgens in das große Einkaufscenter fahren und den Supermarkt leer kaufen. Damit ich auch nichts vergesse aufzuschreiben, gehe ich den Nudelsalat in Gedanken noch einmal durch und notiere, welche Zutaten ich dafür brauche:
-Nudeln
-Gewürzgurken
-Paprika
-Fleischsalat
Für meinen grünen Salat benötige ich noch:
-Rucola
-Cocktailtomaten
-Schafskäse
-Oliven
-Lauch
Die Männer werden, wie Tom schon meinte, Bier trinken, dann ist eine Himbeer-Holunder Bowle genau das Richtige für uns Frauen:
-500 ml Apfelsaft
-2 Beutel Pfefferminztee
-500 ml Wasser
-3 EL Sirup (Holundersirup)
-300 g Himbeeren
-1 Limette
-500 ml prickelndes Mineralwasser
-frische Minze
Und natürlich darf ich den Prosecco nicht vergessen!
Ich gehe die Rezepte zur Sicherheit noch einmal durch und schreibe alles sorgfältig auf meinen Einkaufszettel. Super, dann kann ja nichts mehr schiefgehen. Meinen Kugelschreiber lege ich gerade auf der Tischplatte ab, als mein Handy beginnt zu klingeln. Sabrina. Grinsend nehme ich mein Handy in die Hand und wische darüber, bevor ich es an mein rechtes Ohr halte.
»Hallo«, sage ich.
»Oh, Ella, heute ist vielleicht ein Prachtexemplar von Mann im Geschäft gewesen. Ich sage es dir, puh! Den beschreib ich dir mit nur drei Wörtern. Sex auf zwei Beinen.«
»Das sind vier Wörter, gebe ich lachend zurück. Sabrina ist Verkäuferin in einem Spielzeuggeschäft für Erwachsene, genauer gesagt in einem Sexshop namens ‚secret desire´.
»Ah, ist doch egal. Auf jeden Fall hänge ich gerade über den Bestellungen, da räuspert sich jemand vor mir. Leicht genervt schaue ich dann in diese Augen, ich sage es dir. Zum Sabbern hätte nicht mehr viel gefehlt, und dieser heiße Körper dazu. Als meine Augen höher wanderten, habe ich bemerkt, wie seine Augen zwischen meinen beiden Freundinnen hängen geblieben sind. Du kennst mich ja…«
Leicht schockiert frage ich: »Warte, du willst jetzt nicht sagen, dass euer erster Satz von deinen Brüsten gehandelt hat.«
»Natürlich! Ich habe ihn gefragt, ob ihm gefällt, was er sieht. Er hat sich tatsächlich seine Lippen geleckt und gesagt: ‚Ja ausgezeichnet!‘«, gibt sie überzeugt von sich.
»Ich fasse es nicht!«, bringe ich überrascht, aber lachend heraus. Das ist Sabrina - niemals um einen Spruch verlegen.
»Der ist aber auch nicht schüchtern. Mit einem Augenzwinkern fragte er mich daraufhin, ob ich ihn beraten könnte. Er bräuchte ein Geburtstagsgeschenk für seinen Kumpel und ich könnte ihm sicher verraten, was Männern so gefällt. Das habe ich mir natürlich nicht zweimal sagen lassen und bin um meinen Tresen gestöckelt, mit vollem Körpereinsatz versteht sich. Gott, bin ich froh, dass ich diesen geilen Rock und die schwarzen Pumps heute anhatte. Natürlich war ich auf seine Reaktion gespannt, ein wenig testen wollte ich ihn ja schon. Also blieb ich vor einem Verkaufsaufsteller stehen, den wir erst aufgebaut hatten, denn das sind die Verkaufsschlager zurzeit. Mit souveräner und von Professionalität zeugender Haltung entgegnete ich ihm dann:
›Die Lustmuschis sind der totale Renner momentan.‹«
Bei diesem Satz verschlucke ich mich an meinem letzten Schluck Weißwein. Als ich mich wieder von meiner Hustenattacke erholt habe, antworte ich nur noch krächzend vor Lachen: »Das ist nicht dein Ernst. Ich geh kaputt. Du wolltest ihm eine Gummimuschi andrehen?«
»Hey, wir haben neue bekommen, die zucken sogar. Du glaubst gar nicht, wie gut die verkauft werden. Seine Selbstsicherheit hat er dann mit Müh und Not versucht zusammenzuhalten. Ich habe ihm dann augenzwinkernd versprochen, dass sein Freund es ihm danken wird, sobald er sie auch nur einmal benutzt hat. Tja, und somit war die Muschi verkauft. Ich habe sie ihm sogar noch hübsch verpackt, du kennst doch unsere tollen schwarzen Geschenkverpackungen. Er wollte mich dann für morgen Abend auf einen Drink einladen, denn zwischen uns hat es schon heftig geknistert, das sage ich dir. Ich habe ihm dann abgesagt und dass ich da leider schon verabredet bin. Aber glaub mir, wenn sich die Gelegenheit bietet, würde ich ihn nicht von der Bettkante stoßen.«
»Du kannst ruhig mit ihm was ausmachen, das ist doch kein Problem.«
»Ach Quatsch, Süße! Wir feiern doch jedes Jahr in deinen Geburtstag rein. Ich habe ihm meine Nummer gegeben und wir treffen uns einfach nächste Woche. Da fällt mir ein, hat sich George bei Dir gemeldet?«
»Du bist süß, danke! Aber versprich mir, dass du morgen Abend kein Wort darüber verlieren wirst, dass ich am Sonntag Geburtstag habe! Und ja, George hat mir gestern eine SMS geschickt, dass sie den Besuch verlegen müssen. Seine Mum ist gestürzt und sie braucht seine Unterstützung im Haus. Du weißt doch, sie hat die Pension in London.«
»Na klar, du kennst mich doch. Dass George nicht kommen kann, ist schade, aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben. Dann bis morgen. Kuss.«
Wir beenden unser Gespräch und ich muss unweigerlich an George denken. Ich hätte mich sehr über einen Besuch von meinem guten Freund aus London gefreut. Viel zu selten sehen wir uns noch. Aber das ist verständlich, ich habe jetzt mein Leben hier in Berlin und er seines mit seinem Liebsten in London.
Seine Mutter führt mitten in London eine Pension und die ist immer ausgebucht. Da kommt so ein Unfall wirklich schlecht. Aber wir holen ja alles nach.
Ich gehe die Treppe hoch in mein Badezimmer, entledige mich meiner Sachen und werfe alles in meinen Wäschekorb. Dann binde ich meine Haare mit einer Haarspange zusammen, um zu duschen.
Unter der Dusche kann ich mich sichtlich entspannen und Sabrinas Geschichte von der Gummimuschi und dem geschockten Fremden schleicht sich wieder in meine Gedanken. Sie lässt mich nicht mehr los, sodass ich nicht mehr zu lachen aufhören kann.
TOM Joker lasse ich jetzt noch mal fix in den Garten, damit er seinen Bedürfnissen nachgehen kann. Dann muss ich aber auch schon los, ich habe heute noch so einiges zu besorgen.
»Joker, Joker komm!«, rufe ich ihn wieder herein und stelle ihm eine neue Schüssel mit frischem Wasser neben seinen Hundekorb. Da ich noch keine Gartenbegrenzung habe, muss Joker drinnen bleiben, sonst würde ich ihn gerne draußen lassen.
Als er endlich hört, tippelt er in sein Körbchen und ihm fallen erschöpft seine Augen zu. »Ich bin dann gleich wieder da, Kumpel.« Mit diesen Worten und einer kleinen Krauleinheit verabschiede ich mich von ihm. Ich schnappe mir meinen Autoschlüssel sowie mein Portemonnaie und verlasse das Haus. Auf dem Weg zu meinem Pick-up schaue ich nach nebenan.
Ellas MINI steht noch in ihrer Auffahrt. Was sie wohl an einem Samstag so macht?, frage ich mich in Gedanken.
Kopfschüttelnd steige ich in mein Auto, da ich nicht mehr aufhören kann, an sie zu denken. Laufend kreist sie durch meine Gedanken.
Meine erste Anlaufstelle ist kurz darauf ein großer Baumarkt mit einer riesigen Gartenabteilung. Mir sind noch niemals zuvor diese ganzen quietschbunten Gartenzwerge aufgefallen, aber jetzt stechen sie mir förmlich ins Auge, wie ich hier so rumschlendere.
Schon bald habe ich einen gefunden, der dem aus Ellas Garten farblich ähnelt. Er hat auch einen dicken Bauch, trägt eine Lederhose sowie eine grüne Mütze. Da der riesige Zwerg mir bis zur Hüfte reicht, wundert mich der horrende Preis auch nicht. Ich packe den Zwerg in meinen Einkaufswagen und fahre zur Kasse. Die Leute werden sicher denken, ich wolle meiner Oma eine Freude machen!, folgere ich und schmunzle vor mich hin.
Doch mir ist eigentlich egal, was die Leute denken könnten, die Hauptsache ist, ich kann damit Ella ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Nachdem ich bezahlt habe, schnalle ich meinen neuen Kumpel auf dem Beifahrersitz fest.
Ich hatte noch nie eine so lustige Autofahrt, denn die Reaktionen des Gegenverkehrs, als dieser bemerkt hatte, was da neben mir sitzt, waren einfach zu köstlich. Mein nächster Halt ist der große Supermarkt ganz in der Nähe. Mit einem Einkaufswagen bewaffnet, stelle ich mich der Herausforderung, ohne Einkaufszettel an alles zu denken. Steaks, Bauchspeck sowie Putenschnitzel, Grillsaucen, Wein, Chips, Baguette und Kräuterbutter liegen bereits in meinem Korb. Ich überfliege erneut alle Gänge, damit ich nicht doch noch etwas vergesse.
Da sehe ich Ella an einem Blumenstand stehen. Sie hat einen Strauß Sonnenblumen in ihrer Hand und riecht daran. Dabei hält sie ihre Augen geschlossen und genießt es, in vollen Zügen den Duft der Blüten in sich aufzunehmen. Das sieht man ihr richtig an. Doch dann gibt sie den Strauß zurück und dreht sich in meine Richtung. Sie schaut traurig aus. Damit sie mich nicht entdecken und denken kann, ich würde sie beobachten, mache ich mich ganz schnell auf den Weg zu den Kassen. Ich bezahle den Inhalt meines Korbes und halte beim Hinausgehen am Blumenstand an. Ich nehme den größten Sonnenblumenstrauß, den ich bekommen kann und mache mich auf den Heimweg. Zuhause angekommen, verstaue ich meine Einkäufe in meiner Küche. Alles Verderbliche kommt bei der Wärme sofort in den Kühlschrank. Ich stelle den Zwerg in der Garage auf meine Werkbank, nicht, dass Joker ihn noch mal umrennt, wenn er ihn sieht. Dann hole ich eine große Bodenvase aus einem der Kartons und fülle sie mit Wasser für die Sonnenblumen. Der Strauß ist wirklich schön, warum hat er sie nur so traurig gemacht?, frage ich mich in Gedanken.