Читать книгу Der Brookman-Plan - Leo M. Friedrich - Страница 10
ОглавлениеNairobi; Kenia
Einen Tag vor Beginn der von allen Kursteilnehmern gefürchteten mehrtägigen Abschlussübung schlenderte Claudia mit zwei ihrer Kameradinnen vom Essen zurück zur Unterkunft. Plötzlich stellte sich ihr Sergeant Nandwa in den Weg.
„Hallo, Private Bohm. Können wir kurz miteinander reden?“
Claudia blickte ihn überrascht an und zuckte mit den Schultern.
„Warum nicht?“
Nandwa wirkte, ganz anders als bei ihrer ersten Begegnung, ungewöhnlich verlegen. Er wies auf eine Bank im Schatten einiger hoher Bäume.
Die junge Frau schaute ihm in die Augen.
„Nun Sergeant, was gibt es?“
Der kleine stämmige Soldat nahm sein Barette vom Kopf und knüllte es in den riesigen Händen.
„Ich… ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen.
Für das, was ich Ihnen an den Kopf geworfen habe. Es war nicht richtig, Sie dermaßen zu beleidigen.
Das ist mir im Nachhinein klar geworden. Und ich hätte nach unserem Kampf nicht sofort zum Kommandeur der Academy laufen dürfen. Ich habe Sie provoziert und dafür zu Recht so richtig auf die Fresse bekommen.“
Claudia lehnte sich zurück und schaute in die Kronen der Bäume über sich.
„Okay, ich habe Ihnen längst verziehen. Aber woher kommt diese plötzliche Reue? Immerhin ist das mittlerweile fast ein halbes Jahr her.“
„Sie beginnen morgen Ihre Abschlussübung. Das wird härter als alles, was Sie bisher erlebt haben.
Glauben Sie mir. Ich wollte die Sache klären, bevor Sie die Academy verlassen. Schließlich arbeiten wir für dieselbe Firma und müssen vielleicht irgendwann zusammen in einen Einsatz. Da sollte so eine dumme Sache nicht zwischen uns stehen.“
„Ich gebe Ihnen da absolut Recht und finde diese Geste sehr nobel von Ihnen, Sergeant. Es ist Ihnen bestimmt nicht leicht gefallen, Ihren Stolz zu überwinden und sich bei einer verweichlichten weißen Lady zu entschuldigen. Und weil wir gerade dabei sind, mir tut es wegen meiner Bemerkung mit dem Skalp auch leid. Damit sind wir, glaube ich, quitt.“
Nandwa nickte und schaute zu ihr herüber.
„Wie ist es, Menschen zu töten?“
Sie wirkte irritiert.
„Was meinen Sie? Ob mir das irgendwie einen Höhepunkt verschafft hat?“
Er lächelte.
„War es eine Art Befriedigung? Was haben Sie dabei empfunden?“
„Während des Kampfes gar nichts. Ich war in meinem Leben schon viel öfter in gefährlichen Situationen als mancher altgediente Soldat. Und ich habe nur getötet, um nicht selbst umgebracht zu werden. Ich bin dann in einem ganz anderen Modus, verstehen Sie? Dann bin ich die Person, die Sie angegriffen hat und nicht die Claudia Bohm, die gerade neben Ihnen sitzt.“
Wieder nickte Nandwa.
„Verfolgen Sie die Gesichter Ihrer Opfer im Schlaf?“
„Überhaupt nicht. Jeder Einzelne hatte es verdient, zu sterben. Weil er sonst mich getötet hätte. Deshalb schlafe ich wie ein Baby, wenn Sie das meinen.“
„Ich habe auch schon jemanden erschossen. Vor fünf Jahren bei einem Einsatz in Somalia. Wir haben damals ein Camp der Schahbab ausgeräuchert. Plötzlich kam ein Kerl mit gezücktem Messer aus einem Gebüsch gesprungen und rannte auf mich zu. Ich war voller Adrenalin, hab die Waffe hochgerissen und ein halbes Magazin in ihn hineingepumpt. Es war ein blutjunger Bursche von vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahren. Ich habe sein Gesicht noch sehr lange vor Augen gehabt. Vielleicht hätte es auch gereicht, ihm in die Beine zu schießen.“
Claudia drehte sich zu ihm um.
„Was hätte das geändert? Er wäre im besten Falle wieder genesen und zu seiner Truppe zurückgekehrt. Und hätte weiter gemordet und vergewaltigt.
Außerdem muss er sich des Risikos bewusst gewesen sein, wenn er mit einem Messer bewaffnete Soldaten angreift. Ich gehe davon aus, dass er sterben wollte, um zu seinen zweiundsiebzig Jungfrauen ins Paradies zu kommen. Machen Sie sich deshalb also keine Gedanken mehr. Sie haben möglicherweise Schlimmeres verhindert und sogar Menschenleben gerettet.“
„Sie sind knallhart, nicht wahr, Private Bohm?“
„Das Leben hat mich hart gemacht, Sergeant. Wenn man bereits als Elfjährige das erste Mal entführt und monatelang rund um die Welt geschleppt wird, härtet das mehr ab als jede Spezialausbildung. Man macht sich keine Gedanken mehr über seine getöteten Gegner, die man besiegt hat in einer Situation, in der es nur noch heißt er oder ich. In den letzten Monaten hier an der Academy habe ich vor allem gelernt, Abläufe zu automatisieren, zu handeln, ohne vorher noch groß überlegen zu müssen. Die Kopfsachen waren bei mir im Gegensatz zu den anderen schon lange vorher geklärt. Deshalb hatte ich auch überhaupt keine Skrupel, Sie mit voller Härte anzugehen. Jeder andere wäre vorsichtiger zu Werke gegangen und hätte von Ihnen eine ordentliche Abreibung bekommen, nicht wahr?“
Nandwa grinste sie an.
„Genau das war mein Plan. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so verprügelt worden wie von Ihnen, weiße Lady. Aber ich habe eine wichtige Lektion gelernt und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.“
Claudia erhob sich.
„Gern geschehen, Sergeant! Jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich will mich noch ein wenig ausruhen. Die nächsten Tage werden sehr hart für uns.“
Der Kenianer erhob sich ebenfalls und streckte ihr seine Pranke hin.
„Das werden sie auf jeden Fall! Immerhin bin ich einer Ihrer Gegner und ich mache es Ihnen bestimmt nicht leicht. Aber Sie schaffen es, da bin ich mir ganz sicher! Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!“