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ОглавлениеNairobi; Kenia August 2019
Mühsam quälte sich die betagte Antonow-26 auf achttausend Meter über dem Boden. Claudia Bohms Nervosität stieg mit jeder Sekunde, die sie in diesem Flugzeug verbrachte. Es würde ihr erster Fallschirmsprung aus so großer Höhe und damit gleichzeitig der Abschluss ihrer Ausbildung an der privaten Akademie der African Gard & Security sein, die sie vor etwas mehr als vier Monaten begonnen hatte.
Sie erinnerte sich noch genau an den Tag im Frühling, als Maurice Mankundé und Sam Awenu in einem Restaurant in Rostock vor ihr und ihrem Freund Steffen Kern saßen.
Die beiden Afrikaner waren alte und sehr enge Freunde ihrer Familie. Maurice Mankundé, ein hünenhafter Kenianer mit familiären Wurzeln bei den legendären Massai, herrschte über eines der mächtigsten Firmenimperien des schwarzen Kontinentes. Ihm gehörten unterschiedlichste Unternehmen in ganz Afrika, unter anderem auch die Mehrheit an dem privaten Sicherheitsunternehmen AGS, African Guard & Security, das vorrangig mit der Bewachung von Firmen, aber zunehmend auch öffentlichen Einrichtungen in ganz Afrika betraut wurde. Von Anfang an verfügte die AGS zudem über eine speziell ausgebildete Einheit, die sich aus ehemaligen Angehörigen von Eliteeinheiten aus Armeen und Polizeitruppen zusammensetzte und für besonders gefährliche Einsätze angefordert wurde. Speziell dann, wenn es um terroristische Anschläge oder Entführungen ging, vertrauten viele Privatunternehmen und zunehmend auch Politiker eher den exzellent ausgebildeten Kämpfern Mankundés als ihren eigenen Polizeikräften.
Zu den Mitbegründern dieses inzwischen in Afrika legendären Sicherheitsunternehmens, dessen Mitarbeiter schwarze Uniformen trugen und militärische Dienstgrade führten, gehörte auch Claudias Vater, Peter Bohm. Obwohl er selbst nur an wenigen Einsätzen der AGS-Elitetruppe teilgenommen hatte, genoss er innerhalb der Firma den Status eines Helden.
Sam Awenu war Anfang der Zweitausender als Captain von den Fallschirmjägern der kenianischen Armee zur AGS gewechselt und hatte vor einigen Jahren die Geschäftsführung übernommen. Intern bekleidete er inzwischen den Rang eines Generals. Ein Dienstgrad, der ihm immer noch Unbehagen bereite.
Mankundé und Awenu hatten Claudia Bohm und Steffen Kern in eines der teuersten Restaurants in Rostock eingeladen. Die vier kannten sich seit Jahren und gaben sich so entsprechend unverkrampft.
Mankundé klappte die Speisekarte zu und schaute der Tochter eines seiner besten Freunde tief in die Augen.
„Wie geht es deinem Bruder?“
Claudia schüttelte den Kopf.
„Nicht so gut. Er wurde vor zwei Wochen bei einem Spiel ziemlich schwer am Knie verletzt.
Wahrscheinlich ist seine Karriere als Eishockey-Torwart damit im Eimer. Und das gerade jetzt, wo er in der letzten Saison die amerikanische Meisterschaft gewonnen hat. Es ist zum Heulen.“
Mankundé trank einen Schluck Wein.
„Ich habe letzte Woche mit deinem Vater telefoniert. Ramon ist im Moment ziemlich fertig. Habt ihr ihn schon besucht?“
Claudia schüttelte den Kopf.
„Ich bin gerade in der Schlussphase meines Studiums und sitze an meiner Masterarbeit. Die wird, wenn alles glattgeht, in den nächsten vier Wochen fertig. Dann habe ich Zeit, um mal rüber zu fliegen. Ich denke, Ramon wird das verstehen.“ Mankundé nickte nachdenklich.
„Da sind wir schon beim Thema. Claudia, mein Kind, du weißt, warum wir hier sind?“
Die schüttelte den Kopf.
„Ich habe keine Ahnung. Aber es muss schon wichtig sein, wenn Ihr beide Euch auf den Weg in das kalte Europa macht.“
Mankundé lächelte.
„Ich kenne dich, seit du ein kleines Mädchen warst. Und irgendwie bist du für mich so etwas wie eine Tochter. Eigentlich für uns beide, nicht wahr Sam?“ Awenu lächelte.
„Natürlich. Schließlich haben wir ja gemeinsam schon eine ganze Menge durchgemacht.“
Claudia nickte.
„Unsere Familie wird dir nie vergessen, dass du mich damals befreit hast, als ich als kleines Kind entführt wurde.“
Awenu hob sein Glas und prostete ihr zu.
„Das war hauptsächlich das Werk deines Vaters. Aber ich kann stolz darauf sein, ihm ein wenig geholfen zu haben.“
Steffen Kern, der der Unterhaltung bisher schweigend gelauscht hatte, stellte sein Glas beiseite und schaute fragend in die Runde.
„Mal zurück zum Thema. Warum seid Ihr nun eigentlich hier?“
Mankundé lächelte erneut.
„Um euch beiden Jobs anzubieten.“
Claudia lehnte sich überrascht zurück.
„Wie jetzt? In Afrika?“
Awenu richtete sich auf und warf einen kurzen Blick auf Mankundé. Der nickte ihm zu.
„Erzähl es ihnen, Sam!“
„Wir wollen uns als AGS internationaler aufstellen. Raus aus Afrika. Das wird mein letztes großes Projekt, bevor ich in den Ruhestand gehe. Und Maurice und ich sind uns einig, dass wir dich, Claudia Bohm, dabei haben wollen. Du hast dein Studium so gut wie beendet. Und wir bieten dir an, im Vorstand der AGS zu arbeiten. Quasi als meine rechte Hand. Du hast mehr als einmal bewiesen, dass du genau so kaltblütig wie dein Vater bist. Du könntest uns helfen, in anderen Ländern der Welt Fuß zu fassen.“
„Und für dich“ Maurice Mankundé zeigte auf Steffen Kern, „gibt es auch eine Aufgabe, die dich ausfüllen wird. Zu meinem Konzern gehören auch diverse Zeitungen. Ich möchte, dass du dich damit befasst, für einige von ihnen das Online-Geschäft anzuschieben. Ich möchte eine Art Redaktionspool gründen, für den ich gestandene Journalisten suche. Und da wärst du gerade richtig. Was sagt Ihr dazu?“ Claudia legte den Kopf in den Nacken und atmete laut hörbar aus. Dann schaute sie Maurice Mankundé in die Augen.
„Meinst du nicht, dass ich ein wenig zu jung und zu unerfahren für so einen Job bin?“
Der Afrikaner setzte ein breites Lächeln auf.
„Für dein Alter hast du mehr erlebt als mancher Fünfzigjährige. Es ist kein Makel, jung zu sein. Und Erfahrung hast du mehr als genug.“
Claudia wiegte den Kopf.
„Das Angebot ehrt mich wirklich. Ich bin mir bloß nicht sicher, ob ich das hinkriege. Vielleicht wäre es besser, wenn ich vorher noch einen Kurs an Eurer Akademie mache. Ich meine eine Ausbildung für Eure Spezialtruppe.“
Mankundé hob die Augenbrauen.
„Das wird deinem Vater aber gar nicht gefallen. Der möchte bestimmt nicht, dass seine Tochter Elitesoldatin wird und sich in irgendwelche Einsätze stürzt. Außerdem sind die körperlichen Anforderungen enorm. Wir nehmen dort nur ehemalige Angehörige von Spezialeinheiten auf.
Und die werden dort noch einmal richtig gedrillt.
Das wird schwierig.“
„Das mit meinem Vater überlasse mal mir. Und außerdem wäre es glaubwürdiger, wenn ich eine richtige Guards-Ausbildung habe, findest du nicht?“ Sam Awenu legt seine Hand auf Mankundés Unterarm.
„Claudia hat gar nicht so unrecht. Und ich habe schon länger die Idee, mal einen Frauenkurs an der Akademie einzurichten. Wir basteln da ein spezielles Programm zusammen. Du machst den normalen Grundkurs, wie ihn das ganze normale Wachpersonal bekommt und dann ein Spezialtraining, wo du alles lernen wirst, was unsere Sondertruppe, die sich übrigens seit kurzem die Black Lions nennt, können muss. Nur die körperlichen Anforderungen werden wir etwas herunterschrauben, weil du ja nicht für Einsätze geplant wirst. Da würden wir in der Tat Ärger mit deinem Vater bekommen. Und den will keiner als Feind haben, wie du weißt.“
Das Flugzeug durchflog einige Turbulenzen und schüttelte alle an Bord kräftig durch. Claudia schaute in die Runde. Neben ihr saßen vier junge Frauen, mit denen sie in den letzten Monaten die Ausbildung absolviert hatte. Auf der Bank zu ihrer linken kauerte Safya, eine kleine, kräftig gebaute Kenianerin mit kurzen gelockten Haaren. Mit ihr teilte sich Claudia unter der Woche ein Zimmer an der Akademie, die etwa fünfzig Kilometer außerhalb von Nairobi lag. Die Wochenenden verbrachte sie mit ihrem Freund in einem kleinen Appartement in einem ruhigen, mehrheitlich von Europäern und Amerikanern bewohnten Viertel in der kenianischen Hauptstadt. Safya wirkte genau so nervös wie Claudia. Obwohl beide in den letzten Monaten mehr als hundert Fallschirmsprünge absolviert hatten, war dieser heute etwas besonderes. Die Aufgabe bestand darin, aus etwa achttausend Meter Höhe abzuspringen und bei siebentausend Metern den Fallschirm zu öffnen.
Dann sollten sie den Schirm genau auf den knapp vierzig Kilometer entfernten Sportplatz der Akademie steuern und dort sicher landen. Das war etwas völlig anderes als die bisherigen Trainingssprünge aus tausend Metern Höhe, die sie bisher absolviert hatten. Claudia versuchte ein Lächeln. Safya griff nach ihrer Hand und drückte sie kurz. Dann beschäftigten sie sich mit den Sauerstoffmasken, die sie bei einem Absprung aus dieser Höhe unbedingt benötigten.
Claudias Gedanken wanderten zurück zu ihrer ersten Woche in der Grundausbildung. Sie hatte einige Schwierigkeiten, die harten Normen der zahlreichen Fitnesstests zu erfüllen, ganz im Gegensatz zu ihren afrikanischen Mitstreiterinnen, die ihr in Fragen der körperlichen Konstitution oftmals weit überlegen waren. Nie vergessen würde sie ihre erste Stunde in der Nahkampfausbildung. Ihr Trainer stellte sich als Stanley Nandwa vor. Der kleine, sehr kräftige ehemalige Sergeant der kenianischen Armee musterte sie und ihre Kameraden. Schließlich baute er sich direkt vor ihr auf. Abfällig betrachtete er sie von Kopf bis Fuß. Claudia fühlte sich von Sekunde zu Sekunde unwohler.
„Oh, was haben wir denn da? Eine vornehme weiße Lady mitten unter uns Schwarzen? Woher stammst du?“
„Aus Kanada, Sir!“
„Aha, eine Amerikanerin. Du bist also auch noch etwas Besonderes! Glaubst du, du bekommst hier eine Sonderbehandlung?“
Ihr Körper straffte sich.
„Nein Sir, ich möchte behandelt werden wie alle anderen auch!“
„Dann wirst du hier nichts zu lachen haben. Weiße sind bei mir nämlich immer die Verlierer. Und weißt du, wie ich Verlierer behandele?“
Er zog ein Messer aus dem Gürtel und hielt es ihr hin.
„Greif mich an. So hart du kannst. Dann wirst du deine erste Lektion erhalten. Und die lautet: Wie fühlt es sich an zu verlieren.“
Er wandte sich den anderen zu, die stocksteif dastanden und die Szene verfolgten.
„Schaut euch genau an, was gleich passiert. Ihr seid Schwarz! Ihr seid stolz! Ihr seid nicht solche Verlierer wie diese weiße Lady!“
Er ging ein paar Schritte zurück und blickte Claudia in die Augen.
„Na los! Zeig mal, ob du den Schneid hast, mich anzugreifen. Und ob du die Schmerzen ertragen kannst, die ein schwarzer Mann dir bereiten wird.“ Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Sie wog das Messer in der Hand. Seine Stimme wurde lauter.
„Was ist los, weiße Lady? Hast du Angst vor dem schwarzen Mann? Komm schon, trau dich!“
Sie zögerte.
„Sir das wollen Sie nicht wirklich. Ich bin…“
„Greif mich an, du Feigling! Das ist ein Befehl!“
Claudia hob resignierend die Schultern, dann streckte sie den linken Arm in die Luft.
„Da!“
Das Ablenkungsmanöver gelang. Unwillkürlich drehte er den Kopf in die Richtung, in die sie zeigte. Schreiend warf sich Claudia mit einer Hechtrolle auf ihren Gegner zu, der dies einen Sekundenbruchteil zu spät bemerkte. Der Absatz ihres linken Fußes traf mit voller Wucht seinen Unterleib. Während er sich vor Schmerzen krümmte, kam sie wieder auf die Beine und rammte ihm ihr Knie ins Gesicht. Mit lautem Krachen brach dabei sein Nasenbein. Obwohl er bereits vor Schmerz aufschrie, packte Claudia seinen rechten Arm und drehte ihn auf den Rücken, während sie ihm so kräftig in die Kniekehle trat, dass er zu Boden ging. Durch diese ruckartige Bewegung kugelte er sich das Schultergelenk aus, was die Qualen noch einmal vervielfachte. Claudia ließ den nutzlos gewordenen Arm ihres Widersachers los und zog mit der linken Hand sein Kinn nach oben. Das Messer in ihrer rechten ließ sie sacht um seinen Haaransatz gleiten. Dabei beugte sie sich direkt neben seinen Kopf und flüsterte: „Und da, wo ich herkomme, pflegen wir unserem Opfer nach einem gewonnenen Kampf den Skalp abzuziehen.“
Sie warf das Messer vor ihm in den Sand und stellte sich wieder neben ihre Kameraden, die den kurzen Kampf mit schreckgeweiteten Augen verfolgt hatten.
Der Trainer brauchte einige Minuten, um sich zu sammeln. Schließlich wischte er sich mit der linken Hand das Blut aus dem schmerzverzerrten Gesicht und schaute Claudia wütend an. Offenbar suchte er vergeblich nach irgendwelchen Beschimpfungen, winkte ab und verließ humpelnd und mühsam den ausgekugelten Arm festhaltend das Trainingsgelände.
Das Ereignis sprach sich rasend schnell bei den Guards herum und noch am Abend des gleichen Tages wurde Claudia zum Leiter der Akademie gerufen. Sie trat ein und stellte beruhigt fest, dass neben dem Sergeant, der mittlerweile den rechten Arm in einer Schlinge trug, auch Sam Awenu anwesend war. Sie nahm Haltung an und salutierte, wie es in jeder guten Armee der Welt Brauch war. „Private Bohm auf Ihren Befehl zur Stelle!“
Sam Awenu, der Chef der Guards, konnte sich ein schmales Lächen nicht verkneifen.
„Kommen Sie herein, Private Bohm!“
Claudia zog das schwarze Barette vom Kopf und trat ein. Drei Augenpaare richteten sich auf sie.
Sam Awenu erhob sich von seinem Stuhl und wanderte durch das Büro. Am Fenster blieb er stehen und drehte sich zu ihr um.
„Private Bohm, haben Sie jemals an einem Feuergefecht teilgenommen?“
„An mehreren, Sir.“
„Haben Sie dabei Menschen getötet?“
„Ja, Sir. Das musste ich, um nicht selbst getötet zu werden.“
Awenu machte ein paar Schritte auf sie zu.
„Haben Sie eine Kampfsportausbildung, Private Bohm?“
„Ja Sir! Ich war kanadische Jugendmeisterin im Karate. Darüber hinaus habe ich viel mit meinem Vater trainiert.“
„Haben Sie Ihren Ausbilder darüber informiert, bevor Sie ihn angegriffen haben.?“
„Nein, Sir! Er hat nicht danach gefragt, sondern war von vornherein der Meinung, dass ich nur eine schwächliche weiße Lady sei, die Angst vor Schmerzen hat.“
Sam Awenu drehte sich zu dem Sergeant um, der zusammengesunken auf seinem Stuhl hockte und es nicht wagte, Claudia weiter anzuschauen.
„Sergeant Nandwa, diese junge Frau hier“, er zeigte auf Claudia, „wurde vor vier Jahren vom IS entführt, ist geflohen, konnte sich zu den Kurden durchschlagen und hat dabei mehrere bewaffnete Islamisten getötet. Sie wurde vom kurdischen Sicherheitsdienst der Spionage verdächtigt, gefoltert und hat danach trotzdem einer jungen YPG-Kämpferin das Leben gerettet. Private Bohm hat ungefragt geholfen, einen Stützpunkt gegen einen Angriff des Daesch zu verteidigen. Und Sie haben die Frechheit, Claudia Bohm als schwächliche weiße Lady zu beschimpfen und beschweren sich nun, weil sie Sie vor den Augen aller Rekruten im Zweikampf besiegt hat?“
Der Sergeant erhob sich mühsam.
„Sir, das konnte ich nicht wissen…“
Awenu wandte sich wieder an Claudia Bohm.
„Hatten Sie vor, den Sergeant umzubringen?“
Claudia begann allmählich, dieses Schauspiel zu genießen.
„Nein Sir! Dann wäre er jetzt tot. Aber er hat mir befohlen, ihn anzugreifen. Und das habe ich getan.“
„Und sie hat gedroht, mich zu skalpieren. Damit hat sie mich vor aller Augen gedemütigt!“
Der Sergeant rollte wütend mit den Augen und zeigte mit dem Finger auf Claudia.
Awenu zog die Stirn in Falten.
„Ist das wahr?“
Claudia nickte.
„Er hat mich wütend gemacht. Da ist es am Schluss etwas mit mir durchgegangen. Dafür entschuldige ich mich.“
Awenu blickte sie streng an.
„Das war in der Tat unnötig. Man muss seinem Gegenüber immer die Chance geben, das Gesicht zu wahren. Ich missbillige diese Geste ausdrücklich. Dies wird in Ihrer Akte festgehalten. Sie können jetzt wegtreten. Und Sie, Sergeant, bleiben noch. Wir haben einiges zu besprechen, damit sich so ein Vorfall nicht wiederholt.“
Claudia setzte ihr Barett auf, salutierte und verließ das Büro. Auf dem Flur blieb sie einen Moment stehen und atmete tief aus, während hinter der Tür die Stimme Awenus lauter wurde.
Über der geöffneten Heckklappe leuchtete eine rote Lampe auf. Der Sprungleiter stand auf und ging die Reihe seiner Auszubildenden entlang. Bei jeder der jungen Frauen überprüfte er den Sitz der Sauerstoffmaske und den Fallschirmrucksack. Inzwischen war die rote Anzeige erloschen, dafür erstrahlte nun die grüne und tauchte das Innere der Kabine in ein merkwürdiges Licht.
Der Sprungleiter reckte den Daumen nach oben. „Okay, Ladys! Raus mit Euch!“
Die ersten beiden rannten zum Heck und stürzten nach draußen. Claudia war in der dritten Reihe. Wie sie es gelernt hatte, stürmte sie zum Rand der offenen Luke, sprang ab und reckte die Arme nach vorn. Die Kälte in achttausend Metern Höhe ließ sie für einen Moment erstarren. Sie bemühte sich, gleichmäßig zu atmen und suchte mit den Augen den Höhenmesser, der sich vor ihr auf dem Reservefallschirm befand. Die Aufgabe bestand darin, den Hauptschirm bei siebentausend Metern zu öffnen und dann das Ziel mit Hilfe eines GPS-Gerätes anzusteuern.
Ein durchdringendes Piepen in ihrem Kopfhörer teilte ihr mit, dass sie nun die Höhe erreicht hatte um den Hauptschirm zu öffnen. Sie tastete nach dem Griff und zog daran. Wenige Augenblicke später endete ihr Fall mit einem kräftigen Ruck. Claudias Hände schlüpften in die Schlaufen der Steuerseile und sie flog vorsichtig eine erste Kurve. Um sie herum schwebten ihre Kameradinnen, die sich ebenfalls damit abmühten, die riesigen Schirme so in den Wind zu drehen, dass sie Kurs auf die Landezone nehmen konnten. Das gestaltete sich an diesem Vormittag einfacher als befürchtet. Claudia blickte immer wieder auf den Kompass und das GPS-Gerät vor ihrer Brust und steuerte den Schirm mit sanften Korrekturen dem Ziel entgegen, dass bereits wenige Minuten später in Sicht kam. Nun, da sie die Steuerung des gewaltigen Schirmes im Griff hatte, begann sie, den Flug zu genießen.