Читать книгу Praxisguide Fahrtensegeln - Leon Schulz - Страница 73
ОглавлениеAUSRÜSTUNG
Wer schreibt mir vor, was ich an Bord mitführen muss?
Wer privat unterwegs ist, unterliegt in den meisten Ländern keinerlei Verpflichtung, gewisse Sicherheitsoder Notausrüstung mitzuführen. In einigen Ländern gibt es Empfehlungen oder Mindestansprüche ab einer gewissen Schiffsgröße, die aber so niedrig sind, dass sie vielen vorsichtigen Seglern fast lächerlich erscheinen. Schiffe, die in der EU nach 1998 ausgeliefert wurden, müssen noch die CE-Vorschriften erfüllen. Doch inwiefern die ursprünglich ausgelieferten Sicherheitsdetails noch nach Jahren funktionsfähig sind, kontrolliert niemand.
Am Ende muss jeder für sich selbst überlegen, wo er seine persönliche Sicherheitsmarge sieht, und gesunder Menschenverstand zählt hier ebenso viel wie die Summe aller Tipps aus Büchern, Vorträgen, Seminaren und Kursen. Ein Blick in die eigene Versicherungspolice macht zudem Sinn, um zu verstehen, was hier gefordert wird. Zusätzlich gilt es auch, die richtige Handhabung der Ausstattung zu trainieren, einzuüben und aufrechtzuerhalten.
Wenn Kontrollen, Wartungen und Pflege nicht selbst regelmäßig angeordnet oder durchgeführt werden, kann es im Fall eines Unfalls passieren, dass die Handlung des Skippers von der Versicherung als fahrlässig eingestuft wird und in der Folge eine Zahlung zumindest teilweise verweigert wird. Einige Versicherer schreiben regelmäßige Kontrollen am Schiff vor, wie beispielsweise die Wartung der Gasanlage, das Austauschen alter Riggs oder Ähnliches. Hier gilt es, das Kleingedruckte der Versicherungen genau durchzulesen. Meist sind die Anforderungen der Versicherung sinnvoll, denn der oberste Wunsch einer Versicherung ist ja gerade, dass einem nichts passieren soll. Auch sind Werften oft erfahren und geben für das Winterlager gern Tipps, was gewartet oder kontrolliert werden sollte. Viele Hersteller schreiben ebenfalls eine regelmäßige Wartung ihrer Ausrüstung vor, wie z. B. vom Motor, den Feuerlöschern, den Rettungswesten oder der Rettungsinsel. Häufig geben sie auch ein Ablaufdatum an (Batterien der Notsender, pyrotechnische Notsignale etc.).
In letzter Konsequenz sollte sich der Skipper bewusst sein, dass er für die Funktionsfähigkeit bzw. Sicherheit von Schiff und Crew verantwortlich ist, denn es gibt bei Schiffen für private Nutzer nicht so etwas wie einen »TÜV«.
Was ist der Unterschied zwischen Sicherheitsausrüstung und Notausrüstung?
Im Gegensatz zur Notausrüstung, die nur im Notfall eingesetzt werden soll, ist die Sicherheitsausrüstung täglich im Einsatz, nämlich gerade um das Eintreten einer Notsituation von vornherein zu verhindern. Erst wenn tatsächlich eine nicht zu verhindernde Notsituation eingetroffen ist, kommt die Notausrüstung zum Einsatz.
Es gilt, beide Systeme auseinanderzuhalten und sich bewusst zu sein, welche Ausrüstung zur Unfallverhinderung und welche nur im Notfall eingesetzt werden soll. Ein Beispiel: Sicherheitsleinen, die in dafür vorgesehene Spannbänder an Deck oder in stabile D-Ringe im Cockpit eingeklinkt werden, sollten bei schlechtem Wetter grundsätzlich eingesetzt werden und gehören somit zur Sicherheitsausrüstung. Der Umgang damit wird regelmäßig trainiert, um eine MOB-Situation zu verhindern. Die Rettungsweste hingegen, die sich automatisch aufbläst, wenn ein Crewmitglied über Bord gegangen ist, gehört zur entsprechenden Notausrüstung. Eine Katastrophe tritt erst dann ein, wenn beide Systeme versagen.
Wenn die Notausrüstung nie zum Einsatz kommt, wie weiß ich dann, damit umzugehen?
Die ausschließlich in Notfällen einzusetzende Notausrüstung sollte durchdacht, aufeinander abgestimmt und die Handhabung allen Crewmitgliedern bekannt sein, sonst stellt sie im Ernstfall keine Hilfe dar. Um mit der Notausrüstung kompetent und sicher umgehen zu können, ist die Teilnahme an einem Sicherheitstrainingskurs sehr zu empfehlen. Manche Trainingskurse benutzen Wellenbäder und Schulungsräume, die normalerweise zur Schulung der professionellen Seefahrt benutzt werden.
Hier werden unterschiedlichste Worst-Case-Szenarien realitätsnah durchgespielt und wertvolle Fähigkeiten vermittelt, die man sonst kaum üben kann – wie z. B. das Abbergen von Menschen durch einen Hubschrauber oder das Hineinklettern in eine Rettungsinsel bei Dunkelheit und hohem Wellengang. Bereichernde Erfahrungen und Einsichten werden hier vermittelt und verstärken nicht nur den sinnvollen Respekt vor den Naturgewalten beim Segeln, sondern auch den Wunsch, Notfälle unbedingt aktiv vermeiden zu wollen.
Warum macht ein Sicherheitskurs Sinn, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls doch so gering ist?
Im Risikomanagement wird nicht nur auf die Wahrscheinlichkeit eines möglicherweise eintretenden Ereignisses, sondern auch auf die Konsequenzen geschaut. Dieses Verhältnis kann in einer Matrix anschaulich dargestellt werden. Auf der einen Achse wird die Wahrscheinlichkeit in »unwahrscheinlich«, »mittelwahrscheinlich« und »sehr wahrscheinlich« unterteilt. Auf der anderen Achse sind die Konsequenzen dargestellt: »geringe Konsequenzen«, »einige Konsequenzen« und »gravierende Konsequenzen«. Jede Situation, die auf einem Schiff eintreten könnte, kann hier den entsprechenden Feldern zugeordnet werden. Wenn z. B. eine Notsituation äußerst unwahrscheinlich ist, die Konsequenzen aber gravierend wären, sollte ein Notfallplan erstellt werden. Mit anderen Worten: Selbst wenn die Notausrüstung an Bord eines Fahrtenschiffes höchstwahrscheinlich nie zum Einsatz kommen wird, sollte es einen Plan geben, wann und wie die entsprechende Notausrüstung zu benutzen ist, wenn die Konsequenzen gravierend wären. Deshalb gehört zu einem Notfallplan auch dazu, diese Szenarien regelmäßig durch Rollenspiele zu trainieren.
Ausrüstung
–Jeder Skipper ist für die Wartung und Kontrolle seiner Ausrüstung selbst verantwortlich
–Versicherer, Werften und Hersteller von Sicherheitsausrüstung geben wichtige Hinweise, was wie oft gewartet oder ausgetauscht werden muss
–Es gilt, sich mit der Sicherheits- und Notausrüstung vertraut zu machen
–Es gibt gute Kurse, wo auch mit der Notausrüstung, die normalerweise nie zum Einsatz kommt, geübt wird
Für Fahrtensegler sind unwahrscheinliche Notfallsituationen mit gravierenden Konsequenzen beispielsweise Feuer, Gasexplosion, Lecks, Kollision, Mensch über Bord (MOB), Umstieg in die Rettungsinsel und medizinische Unfälle.