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DIE RETTUNGSINSEL

Muss ich unbedingt eine teure und wartungsintensive Rettungsinsel mitführen?

Es ist nachvollziehbar, warum nicht alle Fahrtensegler eine Rettungsinsel mitführen, denn sie ist schwer, nimmt viel Platz weg und ist nicht nur in der Anschaffung, sondern auch aufgrund der regelmäßigen Wartungskosten teuer. Auffällig ist, dass es geografisch gesehen ein höchst unterschiedliches Sicherheitsdenken zu geben scheint. In Großbritannien wird beispielsweise kaum ein Fahrtensegelboot ohne Rettungsinsel gesichtet, während an der deutschen Ostseeküste nur die wenigsten Schiffe davon geziert werden. Es ist vor allem Ausbildungs- und Mentalitätssache, ob im Katastrophenfall noch die letzte Hoffnung auf ein schnell einzusetzendes Notfloß gesetzt werden kann oder ob nur der Sprung ins Meer als letzte Rettung gegeben ist.

Statistisch betrachtet wird eine Rettungsinsel so selten eingesetzt, dass die Frage nach ihrer Notwendigkeit berechtigt ist. Die Fragestellung ist der Frage nach einer Lebensversicherung nicht unähnlich. Zwar ist es – versicherungstechnisch – sehr unwahrscheinlich, dass man vorzeitig stirbt, aber wenn es doch geschieht, könnte eine entsprechende Lebensversicherung eine große finanzielle Not der Hinterbliebenen verhindern.

Wer sich für die Anschaffung einer Rettungsinsel entscheidet, muss für Küstensegeln in warmen Regionen sicher nicht die teuerste Blauwasserinsel wählen, die die Crew für lange Zeit am Leben erhalten soll. Beim Fahrtensegeln in Küstennähe und mit einem guten Kommunikationsmittel (UKW-Handfunkgerät) darf durchaus damit gerechnet werden, dass die Zeit in einer Rettungsinsel begrenzt sein dürfte. Beim Segeln in kälteren Gewässern ist ein isolierter Boden jedoch immens wichtig.

Eine Rettungsinsel kann nicht nur bei Sinken, Explosion, Feuer oder Kollision eingesetzt werden. Sie erweist sich ebenfalls als hilfreich, wenn vom eigenen Boot auf einen Frachter übergesetzt werden muss, bei einer Hubschrauberrettung oder bei Mensch-über-Bord-Rettungsaktionen. Oftmals ist nämlich das Bergen aus einer Rettungsinsel für professionelle Helfer viel einfacher als von einem wild rollenden, mit langem Mast versehenen Segelboot.

Hinauf oder hinab – wie steigt man in eine Rettungsinsel?

Hin und wieder passiert es, dass eine Besatzung in die Rettungsinsel steigt, obwohl das Schiff noch munter schwimmt. Zu groß ist der Wunsch nach Rettung! Der Spruch, man solle stets in eine Rettungsinsel hinauf- statt hinabsteigen, soll folgendes aussagen: Solange das Schiff noch schwimmend gehalten werden kann (z. B. durch Leckbekämpfung), ist das eigene Boot die beste Rettungsinsel – die zudem viel einfacher von der Seenotrettung gesichtet werden kann.

Die einzige Ausnahme, von einem schwimmenden Schiff in die Insel zu steigen, wäre, wenn dies von professionellen Rettern in unmittelbarer Nähe angeordnet wird oder wenn die Besatzung keine andere Möglichkeit sieht, einen MOB an Bord zu hieven. Ab dann segelt das Boot ohne Rettungsinsel weiter, denn sie lässt sich auf See nicht einfach wieder in ihrem Container verstauen und sollte nach einem echten Einsatz auch nicht mehr als Rettungsmittel geführt werden.

Zudem erscheint das Wort »Rettungsinsel« beinahe paradiesischeuphemistisch. »Rettung« klingt so positiv und die Bezeichnung »Insel« weckt zudem schnell die Assoziation von Palmen, Sandstränden und einem Cocktail. Ein fataler Kontrast zur Wirklichkeit, sollte die Rettungsinsel tatsächlich benötigt werden! Da ist das englische Wort »life-raft« schon viel zutreffender: Es geht ums Leben/Überleben (»life«), und hierfür wird ein Floß (»raft«) eingesetzt. Wer sein Leben – als letzten Ausweg – retten möchte, überlegt zuvor noch einmal kurz, ob er dazu wirklich in ein Floß steigen möchte. Vielleicht zunächst doch noch mal lieber alles daransetzen, um das Schiff vor dem Untergehen zu bewahren, ein Feuer zu löschen oder eine Kollision zu verhindern? Wer zum Training einmal in einem Wellenbad in eine Rettungsinsel geklettert ist, weiß, welche Kraftanstrengung dafür benötigt wird und wie unangenehm und notdürftig es sich anfühlt, dort auf Hilfe warten zu müssen.

Wo und wie sollte eine Rettungsinsel an Bord verstaut werden?

Wenn die Entscheidung zum Mitführen dieses finalen Hoffnungsträgers getroffen ist, ergibt sich unweigerlich die Frage: Wohin mit dem Ungetüm? Auf dem Kajütendach behindert es die Sicht nach vorn; am Heckkorb belastet es die Stabilität, und achtern nimmt es den schönen Platz für den Außenborder oder den Grill weg.

Rettungsinsel

–Eine Rettungsinsel bietet die letzte Hoffnung im Katastrophenfall, kommt aber nur äußerst selten zum Einsatz

–Solange das Schiff noch schwimmt, sollte man immer auf dem Schiff bleiben

–Ausnahme: Im MOB-Fall oder zum Bergen unter Anweisung von Rettern kann sie zum Einsatz kommen

–Rettungsinsel so verstauen, dass sie schnell und einfach eingesetzt werden kann (auf dem Kajütendach oder am Heckkorb – gern mit automatischen Auslöser)

Auf dem Kajütendach oder am Heckkorb lässt sich die Insel mit einem automatischen Auslöser versehen, der sich beim raschen Sinken des Schiffes, z. B. bei Kollision, selbstständig vom Schiff löst und sich aufbläst. Am Heckkorb angebracht, muss die Crew bei manueller Betätigung den schweren Container auch nicht heben, sondern die Rettungsinsel kann selbstständig ins Wasser fallen.

Einige Segler verstecken die Rettungsinsel unter Deck oder in der Backskiste, in der Hoffnung, das körpereigene Adrenalin spendiere plötzlich genügend Superkräfte, um die äußerst schwere Rettungsinsel aus ihrem tiefen Versteck zu zerren, um sie anschließend über Bord zu werfen – ohne sie dadurch zu verlieren (anbinden niemals vergessen!). Es ist kein Geheimnis, dass das insbesondere unter erfahrenen Seglern zwar die ästhetischste, aber im Ernstfall auch die schlechteste Lösung ist; wenngleich es natürlich besser ist, als gar keine Rettungsinsel mitzuführen.

Praxisguide Fahrtensegeln

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