Читать книгу Mystik im Alltag - Leonard van Grippe - Страница 17
2.6. Wahrnehmung
ОглавлениеDas Bewusstseinsmodell, das van Grippe bisher dargelegt hat, ist der entscheidenden Frage, was denn das »Bewusstsein« nun eigentlich ist, mehr oder weniger elegant aus dem Weg gegangen. Hier wird sich Léonard eben doch outen müssen:
Bewusstsein ist das, was »wahr nimmt«. Mit all seinen Sinnesorganen nimmt der Mensch wahr. Alles, was wahrgenommen wird, ist wahr. Und Wahrheit ist das, was im Laufe des Lebens wahrgenommen wurde. Léonard nennt das, was wahrnimmt, wenn das Ego von einem Individuum vollständig abgefallen ist, reines Bewusstsein. Erfahrungsgemäß kann ein solches Eintauchen in reines Bewusstsein jedem Menschenwesen spontan passieren – allenfalls auch mit Hilfe geeigneter Drogen – und bleibt meist als außergewöhnliches, schwer deutbares und noch schwerer zu vermittelndes Ereignis für eine lange Zeit in Erinnerung.{18} Viele Beschreibungen solcher Erlebnisse sind von Mystikern überliefert, im Internet und an anderen Orten zu finden. Vier typische Berichte hat der Autor im Anhang übernommen. Gemeinsam ist all diesen Schilderungen, die je nach Tradition auch als Satori, Kensho, Erwachenserfahrung, aber auch Flow u.a.m. bezeichnet werden, dass sich jegliche persönlichen oder weltlichen Fragen erübrigen, weil der Verstand zum Stillstand kommt. Dieser Zustand, der u. a. auch bei Nahtoderfahrungen auftritt, dauert üblicherweise nur eine kurze Zeitspanne an. Wenige Menschen sind in der Lage in dieser Situation »bloß« wahrzunehmen. Der ständige Gedankenfluss und der permanente Versuch, alles Wahrgenommene zu analysieren und zu klassifizieren, ist für die allermeisten Zeitgenossen notorisch und verhindert ein Verharren in diesem Bewusstseinszustand.
Meditation ist eine Technik, wie dieser alles Wahre störende Gedankenfluss oder Gefühlsstrom zum Erliegen gebracht werden kann. Dann gibt es nur noch reine Wahrnehmung, reines Bewusstsein. Ego und Selbst haben nur indirekt mit Bewusstsein zu tun, ausschließlich die Identifikation mit den Körper-Geist-Seelen-Aspekten des Bewusstseins führt zu dem, was unter Ego verstanden wird.
Während sich die bisherigen Ausführungen auf das menschliche Wachbewusstsein bezogen, möchte Léonard hier ergänzende Bemerkungen zum Schlaf- und Traumbewusstsein einfügen. So, wie Bewusstsein als solches – wissenschaftlich betrachtet – rätselhaft bleibt, gilt dies analog für den Schlaf und das entsprechende Bewusstsein im schlafenden Zustand. Ähnlich wie beim Wachbewusstsein lassen sich unterschiedliche Zustände feststellen: z. B. Koma, Ohnmacht, Tiefschlaf, Normalschlaf und Halbschlaf. Sie unterscheiden sich durch die motorische Reaktion und die verbale Kommunikation und werden medizinisch in der Glasgow Coma Scale zur Beschreibung von Bewusstseinsstörungen erfasst.
In dem bereits vorgestellten Bewusstseinsdiagramm (Abb.2) lassen sich auch diese Zustände zwangslos darstellen. Der Bereich, der als »unbewusst« bezeichnet ist, dehnt sich aus, bis er den ganzen Bereich Rot und Gelb überdeckt und somit in keinem Aspekt mehr Bewusstsein vorhanden ist. Der Mensch müsste demnach in tiefem Koma liegen oder scheintot sein. Der Normalschlaf hingegen ist ein Zustand, bei dem der Gedankenfluss und Gefühlsstrom teilbewusst oder teilweise unbewusst bleibt, was sich in graduell erinnerbaren Träumen äußert.
Léonard vermutet, dass wir Menschen in der reduzierten Wahr–nehmung des Schlafs und besonders des Tiefschlafs – mit der »kosmischen Energie«, Sheldrakes morphischem Feld{19} oder einfach einer Lebenskraft verbunden sind, welche durch ihre Einwirkung die zum Leben notwendigen Regenerationsprozesse induziert.