Читать книгу Mystik im Alltag - Leonard van Grippe - Страница 4
Vorwort
ОглавлениеDie Mystik ist fast vollständig aus unserem Alltagsbewusstsein verschwunden. Die Religionen und die Esoterik wären als deren Hüter prädestiniert, doch leider sind die heutigen Vertreter dieser Disziplinen fast ausschließlich »Schneeforschende« wie Kemedu Moiré aus dem Prolog, welche ihr Forschungsobjekt nur aus der Ferne kennen. Vielleicht vor Jahrzehnten als Kind haben sie im Schnee gespielt, aber vom Mysterium »Schnee« ist kaum mehr als eine müde Ahnung in ihrer Erinnerung geblieben, – eben »Schnee von gestern«. In fast allen gesellschaftlichen Bereichen sind solche »Schneegelehrte« heute tonangebend, in der Politik, den Wissenschaften und in den Kirchen. Unser ganzes Bildungswesen beruht weitgehend auf der Weitergabe von Secondhand-Wissen: »Schneegelehrte«, welche ihr angelesenes und angelerntes Schneewissen an »Schneeignoranten« weitergeben. Auch Léonard van Grippe hat in seiner jahrzehntelangen Lehrtätigkeit an einer Fachhochschule darin einiges Geschick erworben.
Das vorliegende Buch fußt jedoch ausschließlich auf Léonards eigener Erfahrung, seiner makellos subjektiven Sicht. Wenige Abschweifungen vermitteln angelesene oder indirekte Erfahrungen und sind als solche gekennzeichnet. Die Fußnoten weisen auf erweiternde und vertiefende Quellen; sie sind keinesfalls als Anrufung einer höheren Autorität zu verstehen. Léonard ist sich bewusst, subjektive Erfahrungen können zwar zu untauglichen Schlussfolgerungen führen, sie bleiben als solche aber unanfechtbar. Meinungen hingegen lassen sich beliebig manipulieren, mit unzähligen Zitaten stützen, irgendeine Gegenmeinung jedoch gleichermaßen. Selbstverständlich kann auch Léonard nur von Schnee berichten, etwas anderes ist gar nicht möglich. Lesen über Schnee bleibt immer abstrakt, könnte die Lesenden im besten Fall zu einem Ausflug in ein Schneegebiet animieren.
Dieses Handbuch ist insofern außergewöhnlich, als es in einer Schneehöhle verfasst wurde. Immer wenn Léonard seinen Kopf nach draußen hielt, um ein bisschen frische Luft zu schnappen, befand er sich mitten in dichtestem Schneegestöber. Van Grippe möchte seine Leser dazu anregen, Schnee dort zu suchen, wo es trotz Klimawandel und Hightech-Schneekanonen noch wahren Schnee gibt. Reine, glitzernde Schneekristalle, welche sich vom Himmel kommend schmelzend auf dem Antlitz der Suchenden auflösen. In Zeiten des Klimawandels, soll in dieser Metapher durchaus ein Ansporn zu beschleunigtem Handeln anklingen. Schneeflocken auch für alle, denen philosophische, religiöse, und esoterische Texte zu kompliziert, zu wenig klar und vor allem zu wenig einleuchtend sind.
Schneeflocken für lange Jahre Suchende, die sich im Spiegel vieler Begriffe wiedererkennen und endlich ihren ureigenen Aufbruch zu Schnee und Eis realisieren können. Schneeflocken auch für die spirituell Fortgeschrittenen, Erwachende, die Schneegestöber aus eigener Erfahrung kennen, denen Léonard vielleicht ein paar Stunden Spaß und einige zusätzliche Einsichten im virtuellen Schneegestöber vermitteln kann. Kaum etwas für jene Mitmenschen, welche noch nie mit Schnee in Berührung gekommen sind, davon keine Kenntnis nehmen wollen oder nur als Einbildung zulassen.
Begriffe wie Sein, Seele, Gott sind wie Schneeflocken. Nur diejenigen, die sie selbst gespürt und erlebt haben, wissen, wovon die Rede ist, für alle andern abstrakte Wörter. Die seit Jahrhunderten in philosophischen und kirchlichen Kreisen geführten Diskussionen um die Deutung dieser und ähnlicher Begriffe haben zu einer äußerst verwirrten Menschheit geführt. Van Grippe schrieb dieses Handbuch, um etwas zur Klärung beizutragen, falls sich Lesende auf die Definitionen und Erläuterungen »open minded« oder zu Deutsch mit offenem Herzen einlassen. Was für uns als kritisch eingestellte Westler eine große Herausforderung bedeutet, war für Patanjali{1} noch eine Selbstverständlichkeit: »Before beginning any spiritual text it is customary to clear the mind of all distracting thoughts, to calm the breath and to purify the heart«. Léonard will nichts weniger, als Hindernisse wegräumen und den Weg zu Mystik ebnen. Dazu sollte man sich aufmerksam und ohne innere Widerstände auf den Text einlassen. Etwas Psychologie, Lektüre von Gurdjieff, Krishnamurti und Osho/Bhagwan wären nützliche Hilfen, um die dargelegten Bewusstseins-Prozesse zu verstehen und sie bei sich auch zuzulassen.
Dieses Buch spiegelt die Entwicklung, welche Léonard auf seinem mehr als 70-jährigen Lebensweg durchlaufen hat wider, eingeschlossen eine fast halb so lange spirituelle Praxis. Vieles, was er schreibt, entspricht nicht den gängigen Meinungen und Vorstellungen, verleiht dem Text jedoch erst seinen Reiz und seine Existenzberechtigung.
Léonard ist in einer traditionell reformierten Familie aufgewachsen, weshalb er sich immer wieder mit der christlichen Sichtweise auseinandersetzt. Bibelzitate werden dabei nicht verwendet, um theologische Lehrmeinungen auszudrücken, er möchte vielmehr an vertraute Auffassungen und Bilder anknüpfen, auch wenn er deren Authentizität und gängige Interpretation dann meist hinterfragt.
Ein Teil der dargelegten Begriffe erscheint in alphabetischer Folge, viele wurden thematisch gegliedert, um das Lesen zu erleichtern. Im Text fett hervorgehoben sind die Stichwörter, die an anderer Stelle ausführlicher beschrieben werden. Sie lassen sich in der Buchausgabe über das ausführliche Stichwortverzeichnis auffinden. Weniger gebräuchliche Szenen-Ausdrücke, Zusatzinformation und Hinweise auf Literatur sind in den Fußnoten vermerkt. Die Stichworte, das Inhaltverzeichnis und die Fußnoten sind mit Hyperlinks unterlegt, die in der elektronischen Version direkt zur weiterführenden Stelle führt.
Im Anhang wurden vier Schilderungen von Einheitserlebnissen zeitgenössischer Autoren übernommen. Die kleine Auswahl will die Vergleichbarkeit von mystischen Erfahrungen aufzeigen, obwohl deren Ursache und Entstehung ganz unterschiedlich sind. Im gegliederten Bibliografie-Abschnitt sind die Literaturangaben der Fußnoten detailliert ausgeführt und wichtige Bücher zusammengestellt, welche den Autor zum ziellosen Ziel begleiteten.
Leonard möchte allen danken, die halfen, den Text entstehen zu lassen und ihn in eine elektronische und eine druckfähige Form zu bringen.