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Ein lebendiges Manifest

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Im Folgenden möchten wir Ihren Blick für und Ihr Verständnis von Jesus Christus schärfen. Dabei hoffen wir, unseren Herrn so darzustellen, dass Sie nicht umhinkönnen, ihn zu lieben, zu seinen Füßen niederzufallen und sich für immer ihm hinzugeben – nicht aus einem Schuldgefühl heraus und auch nicht aus Zwang, Pflicht oder Angst, sondern weil Sie einen Blick auf die großartigste Person aller Zeiten, auf Jesus Christus, geworfen haben. Aus solcher Liebe ergibt sich alles andere.

Im Gegensatz dazu distanzieren wir uns von jedem billigen, lustig-lockeren und leichtfertigen „Jesus-Geschwafel“, das so viele religiöse Gespräche heute prägt. Nach unserer Überzeugung lässt sich der Name Jesus auf mancherlei Weise „missbrauchen“ (vgl. 2 Mo 20,7; 5 Mo 5,11), so zum Beispiel, wenn man ihn benutzt, ohne Jesus wirklich zu kennen. Es muss unseren Herrn geradezu peinlich anmuten, wenn sein Name als eine Art Talisman oder als Magie benutzt wird.

Wir haben dieses Buch bewusst in einem alten erbaulichen Stil geschrieben, den wir, wie wir finden, in der heutigen Gemeinde leider vermissen. Auf diese Weise soll der Unterschied zwischen dem Missbrauch des Jesus-Namens und einer Verwendung, die seine Schönheit offenbart und ihn ehrt, hervorgehoben werden. Kurz gesagt: Wir glauben, dass Jesus heute um die ihm zustehende Ehre gebracht wird, und diesen Trend möchten wir gerne umkehren.

Am Ende ihres Lebens haben einige der größten Denker dieser Welt zu einer Einfachheit zurückgefunden, die man in ihren Anfangswerken noch vermisst. Ludwig Wittgenstein, beispielsweise, der zu den größten Philosophen des zwanzigsten Jahrhunderts zu rechnen ist, krönte sein Lebenswerk mit der Entdeckung des „Hasen-Enten-Kopfes“4, jenem umkehrbaren Bild, in dem man, je nach Blickwinkel, eine Ente oder einen Hasen erkennen kann. Wittgenstein hatte den Eindruck, dass diese eine Zeichnung, die beweist, dass etwas nicht gleichzeitig Ente und Hase sein kann (oder, präziser formuliert, nicht zeitgleich als solches „wahrgenommen“ werden kann), mehr Wahrheit vermittelte als seine größten philosophischen Schriften.5

Karl Barth, einer der größten Theologen des zwanzigsten Jahrhunderts, soll auf die Bitte, seine vielbändige Kirchliche Dogmatik zusammenzufassen, mit einem alten englischen Kinderlied geantwortet haben: „Jesus loves me, this I know, for the Bible tells me so.“ („Jesus liebt mich ganz gewiss, denn die Bibel sagt mir dies.“)6

Heute muss die Gemeinde zu ihrer in Vergessenheit geratenen „ersten Liebe“ zurückkehren: „Jesus liebt mich ganz gewiss.“7 Die theologisch präziseste Bekräftigung des christlichen Glaubens ist das kurze Glaubensbekenntnis des Jesus-Mani­fests, das wir in 1. Johannes 4,16 finden: „Wir glauben an die Liebe, die Gott für uns hat.“8 Es ist eine Liebe, die nicht als ein abstraktes Prinzip erschienen ist, sondern die in der Gestalt einer wirklichen Person, nämlich in Gottes eigenem Sohn zu uns gekommen ist.

Achten Sie auf die Worte des Apostels Johannes: „Wir lieben ihn, weil er uns zuerst geliebt hat“ (1 Joh 4,19).

Doch wie sollen wir unser Leben als Nachfolger Christi leben? Die Antwort findet sich zwischen den beiden zuletzt genannten Versen: „Denn wie er [Jesus] [ist], sind auch wir in der Welt“ (1 Joh 4,17). Die Bibel verheißt uns nicht einfach nur „ewiges Leben“ (vgl. Joh 3,16), sondern bietet uns auch das Geschenk eines durch Christus gelebten Lebens an: „… damit wir durch ihn leben“ (1 Joh 4,9). Hat uns die Beliebtheit eines einzigen Bibelverses (Johannes 3,16) mit seiner vermeintlichen Betonung des künftigen „ewigen Lebens“ blind gemacht für das, was die Bibel über das Leben im Heute aussagt?

Sie und ich sollen ein lebendiger Brief – das heißt ein „Jesus-Manifest“ – in unserer Welt sein: Eine Stadt auf einem Berg, Salz und Licht.9 Deshalb haben wir das vorliegende Buch geschrieben.

Thomas von Aquin, einer der größten Lehrer und Philosophen der Kirche, sagte, seine Summa Theologica10 sei nichts als Stroh, da Worte auch nicht annähernd das Strahlen des göttlichen Geheimnisses wiederzugeben vermochten. So ist auch dieses Buch nichts weiter als trockenes Stroh, wenngleich es den König der Könige und den Herrn aller Herren zum Thema hat.11 Gleichwohl hoffen wir, dass es in Ihrem Leben ein neues Staunen und neue Einsicht hervorruft – sowohl über den irdischen als auch über den erhöhten und ebenso den innewohnenden Jesus. Aber darüber hinaus ist es unser Wunsch, dass Sie nicht anders können, als sich von seiner Liebe, die er aus Gnade über Sie ausgeschüttet hat, anstecken zu lassen und in Ihrem eigenen Umfeld zu einem Jesus-Manifest zu werden.

Leonard Sweet und Frank Viola

1 Christologie bezeichnet das theologische Nachdenken über Person und Heilswirken Jesu Christi, ihre Auffassungen und Deutungen im Christentum. Die Christologie als zentraler Teilbereich der Systematischen Theologie will die Frage nach der Identität („Natur“) und Bedeutung („Relevanz“) von Jesus Christus für dessen Gemeinschaft, die Kirche, für den einzelnen Gläubigen und für die Welt beantworten (Quelle: wikipedia).

2 Nach Hebr 6,18-20 ist Jesus der Anker unserer Seelen. In Kolosser 1,15-18 schreibt Paulus, dass alles durch ihn besteht.

3 Mt 16,15 (REÜ); [Hervorh. d. Verf.].

4 Vgl. Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Suhrkamp, Frankfurt 2003, Teil II.

5 Ludwig Wittgenstein, Last Writings on Philosophy and Psychology: Preliminary Studies, Basil Blackwell, Oxford 1982, 1:61-65, 68-69, 90, 97.

6 Martin Rumscheidt im Nachwort des Herausgebers zu Karl Barth, Fragments Grave and Gay, Collins, London 1971, S. 124.

7 „Jesus Loves Me, this I know“ wurde 1860 von Anna B. Warner geschrieben.

8 Frei übersetzt.

9 Vgl. 2 Kor 3,3 und Mt 5,13-16.

10 Deutsch: Summe der Theologie oder Höchste Theologie. Infolge einer tiefen Gottesbegegnung schrieb Thomas: „Ich kann nicht mehr schreiben. Verglichen mit dem, was ich gesehen habe, kommt mir alles, was ich verfasst habe, wie Stroh vor.“ (Peter Kreeft [Hg.], A Shorter Summa: The Essential Philosophical Passages of St. Thomas Aquinas’ Summa Theologica, Ignatius Press, San Francisco 1993, S. 37).

11 Vgl. 1 Tim 6,15; Offb 19,16.

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