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Kapitel 6

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Neun Monate zuvor

Halloween gehörte nicht zu Grants Lieblingsfesten. Zumindest nicht, seit er kein Kind mehr war und nicht mehr von Tür zu Tür gehen und die Leute bedrohlich anstarren konnte, bis sie ihm Schokolade gaben.

Als nun orange-schwarze Luftschlangen die Krankenhausflure schmückten, beschloss er, einige Krankenpflegerinnen bedrohlich anzustarren, die Schokoküsse für die Familien der Patienten horteten. Es klappte nicht.

Sein Blick brachte sie nur zum Weinen. Nun, eine von ihnen weinte, und diejenige, die nicht weinte, legte ihren Arm um ihre Freundin, zog sie von ihm weg und versicherte der Schluchzenden, dass Dr. McGraw niemals zulassen würde, dass Dr. Anderson sie wegen ein paar Süßigkeiten feuerte.

Und trotz allem gaben sie ihm keine Süßigkeiten.

Grant war sich nicht sicher, wie das alles hatte so schiefgehen können.

»Warum bringst du Sadie immer zum Weinen?«, fragte jemand leise.

Grant drehte sich um und entdeckte Leos Tochter Lucky, die mit einem Stapel Pralinen und einem iPad allein auf einem Stuhl im Wartebereich saß.

»Sie hat defekte Tränenkanäle«, antwortete Grant. »Sie tropfen schon bei der kleinsten Provokation.«

Lucky streckte ihre Hand aus, in der sie ein silbern verpacktes Schokobonbon hielt. »Hier.«

Grant nahm es entgegen, wickelte es aus und steckte es sich in den Mund. »Wer sagt eigentlich, dass ich sie immer zum Weinen bringe?«

»Das hat sie. Als sie dich kommen sah, sagte sie: Oh nein, da ist er. Er bringt mich immer zum Weinen. Und dann hat sie sich so den Mund zugehalten.« Lucky demonstrierte es. »Ich glaube, sie ist nicht sehr schlau. Sie hat mir zehn davon gegeben. Mein Vater lässt mich nur zwei haben.«

»Solltest du nicht…« Er konnte nicht genau sagen, wie alt sie war, vielleicht war sie noch nicht in der Schule? Sie sah aus wie vier, aber ihr Mundwerk ließ sie viel älter erscheinen. Vielleicht war sie klein für ihr Alter. »Passt niemand auf dich auf?« Grant glaubte nicht, dass ein Krankenhausflur der richtige Ort für ein Kind war, egal, wie alt es war.

»Carrie hat auf mich aufgepasst, aber sie musste etwas für Herrn Baumgartner erledigen und meinte, sie sei gleich wieder da. Dann sagte Sadie, sie würde auf mich aufpassen. Aber ich glaube, sie hat es vergessen.«

»Hast du nicht hundert Verwandte in dieser Stadt? Könnte nicht jemand für ein paar Stunden auf dich aufpassen?«

»Nein«, sagte Lucky mit ihrer hohen Stimme, steckte sich ein weiteres Schokobonbon in den Mund und kaute schmatzend. Sie hielt ihm ein weiteres hin, diesmal mit orangefarbener Folie.

Grant ließ sich die Schokolade auf der Zunge zergehen. Er betrachtete das Mädchen: abgeschnittene Jeansshorts, ein T-Shirt mit einem Cartoon-Monster darauf und ein Zopf, der offensichtlich gut angefangen hatte, sich aber im Laufe des Tages teilweise aufgelöst hatte. Sie war sauber, aber sie hatte etwas Erdiges an sich, als wäre sie eine Karotte aus dem Garten, in deren Ritzen selbst nach gründlichem Schrubben noch ein wenig gesunder Schmutz zu sehen war.

Lucky tippte auf ihrem iPad herum und Grant schaute hinüber, um zu sehen, was sie da tat. Es war eine Art Zahlenspiel mit fröhlich animierten Figuren und einer Menge Ping-Geräuschen. Lucky seufzte und tippte auf dem Bildschirm herum, wobei sie jedes Mal die richtige Wahl traf.

»Ein lustiges Spiel«, sagte Grant.

Lucky zuckte mit den Schultern. »Ich kenne alle Antworten.«

»Das habe ich bemerkt.«

Er bemerkte noch mehr, zum Beispiel die Art, wie Lucky langsam mit den Füßen wippte, als würde sie sich selbst beruhigen, und wie sie im Flur des Appalachian Medical so deplatziert aussah, als hätte man die kleine Karotte aus dem Garten auf einen glänzenden Edelstahlteller gelegt. Fehl am Platz – das war der Ausdruck, den er gesucht hatte. Er murmelte ihn leise vor sich hin.

Und doch war Lucky, trotz des ländlichen Flairs, der sie umgab, offensichtlich sehr klug. Ihre Finger berührten die richtige Antwort fast sofort, als der Bildschirm die Frage ankündigte. Außerdem war sie eindeutig gelangweilt.

»Darf ich mal sehen?«, fragte Grant.

»Von mir aus«, sagte Lucky und reichte ihm das iPad.

Grant schloss die App und öffnete eine andere. Er zeigte ihr wieder den Bildschirm. »Hast du schon mal Schach gespielt?«

»Nein«, sagte Lucky, reichte ihm ein weiteres Schokobonbon und öffnete eins für sich selbst. Ihre Hände waren schmutzig, aber das war Grant egal. Sie schaute mit glänzenden haselnussbraunen Augen auf und fragte: »Ist es schwer?«

»Manchmal«, antwortete Grant. »Willst du es lernen?«

Ihr Gesicht war sofort von einer freudigen Wissbegierde erfüllt, von der Grant sich kaum erinnern konnte, sie selbst einmal empfunden zu haben. Luckys Interesse war unverfälscht, und sein Wunsch, ihr das Spiel beizubringen, überraschend stark. Zwischen den Runden der Visite hatte er etwas Zeit, und als Carrie mit einem verängstigten und erschrockenen Gesichtsausdruck ankam, winkte Grant sie beiseite, um Lucky die Kunst der richtigen Eröffnungszüge zu demonstrieren.

Stay Lucky

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