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Kapitel 1

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Zehn Monate zuvor

Grant hatte einen schrecklichen Tag. Es hatte damit begonnen, dass ein Patient auf dem OP-Tisch im Sterben lag. Unerwartete Verwachsungen, die den Weg zum Tumor versperrten, hatten zu einem eindrücklichen Moment geführt, in dem Grant einen Schnitt machte und plötzlich Blut quer durch den Raum spritzte.

Von da an ging es bergab, und die Anordnung zum Verzicht auf Wiederbelebung machte die Sache endgültig, auch wenn Grant nicht überzeugt war, dass das Ende unvermeidbar gewesen wäre.

Dann war sein Mittagessen aus unerklärlichen Gründen von irgendeinem Idioten aus dem Kühlschrank geklaut worden. Es war ihm schleierhaft, wie man auf die Idee kam, den ekelhaften Mikrowellenfraß zu stehlen. Als er dann beschloss, sich mit dem zweifelhaften Angebot der Krankenhauscafeteria abzufinden, stellte er fest, dass diese wegen einer Routinereinigung oder Wartung geschlossen war. Grant wusste nicht, was von beiden es war, und es war ihm auch egal.

Er war hungrig und wütend, als er durch die Hauptlobby des dritten Stocks stapfte. Und da sah er Leo Garner, den Leo Garner, der Grant sechs Jahre zuvor zugunsten seines Ex', einem aufsteigenden Stern am Schauspielhimmel, abserviert hatte. Er stand da und unterhielt sich mit einer Krankenschwester, lächelte, lachte und gestikulierte auf eine Art und Weise, die Grants Herz immer einen Schlag aussetzen lassen hatte.

Warum? Warum?

Und warum gerade jetzt? An einem Tag wie heute? Leo sollte nicht hier in Grants Krankenhaus sein. Er sollte am anderen Ende des Landes sein, mit seinem jetzt superberühmten und superheißen Freund, Curtis Banks. Was zum Teufel? Es war noch nicht einmal Weihnachten!

Ohne lange zu überlegen, machte Grant auf dem Absatz kehrt und ging in die Umkleide des ärztlichen Personals. Er zog seinen Arztkittel und die OP-Kleidung aus, warf sich Jeans und Hemd über und schnappte sich seine Tasche. Er war fertig mit dem Tag. Einfach fertig. Es war ihm egal, dass ihm der Papierkram bis zum Hals stand und dass die Krankenschwestern in ihrer Verwirrung die Telefonleitung zum Glühen bringen würden. Denn zum ersten Mal in den vielen Jahren, in denen er am Appalachian Medical arbeitete, hatte Dr. Grant Anderson beschlossen, dass es genug war. Ein toter Patient, kein Essen und ein Ex-Freund, der in seinem Krankenhaus auftauchte, hatten ihn eingeholt, nachdem er drei Wochen lang ein unerbittliches Arbeitstempo eingehalten hatte, um sich einer Beförderung würdig zu erweisen, die ihm verweigert worden war. Nachdem er der Oberschwester gesagt hatte, dass er gehen würde, verließ er das Gebäude und blickte nicht mehr zurück.

Vielleicht war das etwas dramatisch, aber er wusste, dass er jemandem wehtun würde, wenn er das Appalachian Medical nicht sofort verließ.

Möglicherweise sich selbst.

Zurück in seiner Wohnung machte Grant sich ein Bier auf und stürzte sich auf seinen Fast-Food-Burger. Er schmeckte wie Sägemehl. Er starrte auf den leeren Fernsehbildschirm. Passend dazu, wie der Tag bisher verlaufen war, war es nicht verwunderlich, dass es nichts gab, was man sich ansehen konnte. Die Kabelfirma hatte anscheinend beschlossen, ihm den Rest zu geben: Zur Wahl standen Trash-TV oder schreiende Politiker, und die einzige Seifenoper, mit der er sich vielleicht den Verstand hätte betäuben können, drehte sich gerade um einen idiotischen Seifenopern-Schwulen, der sich nicht zwischen zwei ebenso hässlichen Verlierern entscheiden konnte.

Grant warf die Fernbedienung auf die andere Seite des Sofas. »Wie auch immer. Schlafen kann er eh mit keinem von beiden. Die American Family Association würde das Studio niederbrennen.«

Er rieb sich die Augen, schüttelte den Kopf und versuchte, die unterschwellige Gereiztheit in den Griff zu bekommen, die ihn durchströmte.

Sein Handy klingelte. Grant warf einen Blick auf das Display und fluchte. »Anderson«, sagte er und nahm den Anruf entgegen.

»Hey, Partner«, sagte Dennis McGraw, sein Stabschef, Ehemann seines besten Freundes und sein Erzfeind schlechthin, fröhlich. »Machst du blau?«

»War der Krankenhaus-Buschfunk so schnell?«, fragte Grant und schüttelte verärgert den Kopf.

»Ja. Es heißt, Dr. Anderson sei heute durchgedreht. Endlich. Überall wird Geld ausgetauscht. Anscheinend gab es schon länger Zweifel, ob du überhaupt ein Mensch bist«, sagte Dennis.

Grant verdrehte die Augen. »Wenn du mich schneidest, blute ich dann nicht?«

»Wir waren uns nicht sicher. Nicht, dass ich so etwas gutheißen würde. Warte mal kurz.« Gedämpft, als spräche er mit jemandem neben sich, fuhr er fort: »Nein, gib mir zwei Zwanziger und zwei Fünfer und ich gebe dir drei Einser und wir sind quitt. Hm? Klar. Okay, ich bin wieder da.«

»Nicht, dass du so etwas gutheißen würdest«, wiederholte Grant.

»Du hast also heute einen Patienten verloren. Mach eine Pause. Erhol dich davon. Wir sehen uns dann morgen.«

Grant legte auf, bevor er etwas erwidern konnte.

Es ging nicht um den Patienten. Na ja, schon, aber die Cafeteria war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Es war sicher nicht der Anblick von Leo, der ihn in die Flucht geschlagen hatte. Sicher, es war unangenehm, seinem Ex so über den Weg zu laufen, aber die letzten vier Weihnachtsbegegnungen hatte er gut überstanden.

Er war schließlich nicht in den Kerl verliebt gewesen. Bis jetzt war sein Herz in dieser Hinsicht rein. Es war zum Glück nie von unkontrollierter Zuneigung befleckt worden. Aber wenn er ehrlich zu sich selbst war, was ihm zugegebenermaßen widerstrebte, wäre es mit Leo beinahe so weit gekommen.

Was, wenn Curtis Banks nicht nach Blountville, North Carolina, zurückgekehrt wäre, um Leo anzuflehen, ihre Highschool-Romanze wiederzubeleben und mit ihm nach Los Angeles zu gehen, wo er Leo eine glänzende Zukunft an der Seite eines aufstrebenden Fernsehstars versprach? Gott allein wusste, ob Grant nicht doch die Kontrolle verloren und sich verliebt hätte.

Er schauderte.

Zum Glück war das nicht passiert. Um ehrlich zu sein, wollte Grant gar nicht daran denken, was hätte passieren können. Er war nie ein Fan von Liebeskummer gewesen. Er fand ihn weder romantisch noch charmant oder sexy. Er bevorzugte saubere Beziehungen, zwanglose Freundschaften mit gutem Sex, ohne die schmerzhafte Zuneigung, die er fast gekostet hatte, bevor sie ihm dann zum Glück verwehrt worden war.

Also nein, Leo war nicht der Grund, warum er das Krankenhaus verlassen hatte. Es waren einfach mehrere Dinge zusammengekommen. Grant schaltete den Fernseher wieder ein und klickte sich erneut durch die Kanäle. Es lief immer noch nichts Gutes. Er hielt bei der Soap inne, verdrehte die Augen und stöhnte auf, als der Seifenopern-Schwule einen der Typen küsste, die ihm nachstellten, während der andere mit tief verletztem Blick um die Ecke sah.

»Verlierer«, murmelte Grant, stellte die leere Bierflasche auf den Couchtisch und lehnte sich zurück, um hoffentlich einzuschlafen. »So ein Verlierer werde ich nie.«

Das melodramatische Anschwellen der charakteristischen Soap-Musik verfolgte ihn bis in seine Träume.

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