Читать книгу Wer macht was im Gottesdienst? - Liborius Olaf Lumma - Страница 5
ОглавлениеVorwort
Im Katholizismus nimmt wie in den meisten Richtungen des Christentums und anderer Religionen der Kult eine zentrale Stellung ein: zeichenhaft aufgeladene Rituale, die individuell oder gemeinschaftlich begangen werden und in denen sich Menschen auf Transzendentes beziehen, also auf etwas, das nicht Teil dieser Welt ist und doch in Beziehung zur Welt steht, christlich gesprochen auf Gott.
Nun gibt es grundsätzliche Kritik an solchen Formen religiösen Kultes. In Europa wurde diese Kritik besonders durch die Philosophie und Politik der Aufklärung seit dem späten 18. Jahrhundert beeinflusst: Gebet, Lobpreis, Dank oder Anbetung seien demnach vollkommen sinnlos. Die für solche Handlungen investierten Ressourcen von Zeit, Kunst und Verstand sollten besser der Moral, also der aktiven Mitwirkung an einer besseren Welt zukommen, für die dann allerdings doch wieder Transzendenz in Anspruch genommen wird, und zwar in Form von Werten wie Gerechtigkeit, Freiheit oder Humanität. Auf solche Kritik an religiösen Praktiken einzugehen, ist nicht Thema dieses Buches. In erster Linie ist hier auf Diskussionen in der Religionsphilosophie zu verweisen.
Doch selbst dort, wo Menschen dem religiösen Kult positiv oder zumindest offen gegenüberstehen – etwa weil sie selbst einer Religionsgemeinschaft angehören oder weil sie dem Kult zumindest zugestehen, dass er für den Menschen eine ähnliche Bedeutung haben kann wie Kunst, Musik, Literatur, Liebe, Trauer, Hoffnung und Zweifel –, bleiben die Ausdrucksformen der katholischen Kirche oft fremd.
Für die verschiedenen Formen des katholischen Kultes gibt es keine einheitliche Begrifflichkeit. Ich werde in diesem Buch in erster Linie von Liturgie sprechen. Dabei geht es mir immer um jene Formen, die gemeinschaftlich und öffentlich geschehen, und hierbei wiederum um die drei wichtigsten Rituale für die katholische Praxis in unseren Breiten: die Eucharistiefeier (Messe), die Tagzeitenliturgie (Stundengebet) und die Wort-Gottes-Feier.
Das Anliegen dieses Buches
Ich möchte versuchen, einen Schlüssel zum Verständnis dessen anzubieten, was Menschen in der katholischen Liturgie tun, zu der sie sich gemeinschaftlich versammeln und in der sie unterschiedliche Rollen ausfüllen.
Das Buch soll auch für jene Menschen informativ sein, die sich der katholischen Liturgie von außen annähern: als interessierte, neugierige oder skeptische Beobachter.
Denjenigen, die als katholische Gemeindemitglieder die Liturgie mittragen – sei es, dass sie öffentlich sichtbar besondere Aufgaben übernehmen, sei es, dass sie einfach aus freier Entscheidung anwesend sind und vielleicht das ein oder andere Lied mitsingen –, soll das Buch eine Hilfestellung sein, um das eigene Tun besser verantworten und sachgerechter gestalten zu können.
Dabei ist vorauszusetzen, dass das Nachdenken und Reden über Liturgie niemals die Liturgie selbst ersetzen kann, so wie auch Musikwissenschaft nicht das Musizieren oder das Hören von Musik, die Theaterkritik nicht das Schreiben, Spielen oder Ansehen von Theaterstücken und die Politikwissenschaft nicht das Regieren oder das Wählen ersetzen kann. Die wissenschaftliche Beschäftigung kann Missverständnisse aufklären, neue Perspektiven erschließen und Wege eröffnen, auf denen die Liturgie ihr Potenzial und ihre Wirkung sachgerechter entfalten kann. Das Nachdenken über Liturgie kann die Kompetenzen befruchten, die nötig sind, um Liturgie sachgerecht zu gestalten, die als ritualisierte Handlung den ganzen Menschen in seiner leiblich-seelischen Verfasstheit über die Begrenztheit des Messbaren, Berechenbaren und Beherrschbaren hinausweist, ähnlich wie dies Musik, Kunst, Theater und Literatur tun.
Zur Gliederung dieses Buches
Die Buchkapitel 3–14 sind weitgehend nach den handelnden Personen und den von ihnen ausgeübten liturgischen Rollen geordnet. Manche der dabei behandelten Themenfelder betreffen mehrere Personen zugleich: etwa die Handhabung von Büchern oder die Bedeutung der Bibel für die Liturgie. Ich werde solche Themen in einzelnen Kapiteln bündeln und in anderen Kapiteln darauf verweisen.
Am Beginn und am Schluss (Kapitel 1–2 und 15–17) stehen allgemeinere Überlegungen, wichtige Quellentexte und konkrete Ideen zur Liturgiegestaltung.
Priester/Presbyter – Gemeinde/Versammlung – Geschlechtersensible Sprache
Für das Buch musste ich einige Vorentscheidungen treffen, die vielleicht erklärungsbedürftig sind.
Anders als im deutschsprachigen Katholizismus üblich werde ich nicht vom Priester sprechen, sondern vom Presbyter. Den Begriff Priester verwende ich dagegen als Oberbegriff für Bischöfe und Presbyter. Das mag irritieren, vielleicht sogar ablenken. Es gibt dafür aber wichtige Gründe, die ich in Kapitel 3 erläutern werde.
Ein zentraler Begriff, dem ich mich in Kapitel 1 und 2 grundlegend annähern werde, ist Versammlung. Ich spreche daneben auch von der Gemeinde. Versammlung soll immer die konkret zur Liturgie zusammentreffende Personengruppe bezeichnen. Den Begriff Gemeinde verwende ich hingegen für eine im Prinzip stabile Gruppe: eine soziale oder kirchenrechtliche Gemeinschaft wie etwa eine Pfarrgemeinde (Pfarrei, Pfarre), eine Klostergemeinschaft oder eine Hochschulgemeinde. Man kann also ein einflussreiches Mitglied einer Gemeinde sein, ohne an einer konkreten liturgischen Versammlung teilzunehmen. Umgekehrt kann man zu einer Versammlung gehören, ohne Teil der Gemeinde zu sein. Man ist dann mehr oder weniger Gast – unabhängig davon, ob man selber katholisch ist oder nicht. Diese Unterscheidung von Versammlung und Gemeinde hat ihre Grenzen, da man über die katholische Kirche auch noch aus völlig anderen Perspektiven und mit anderen Kategorien sprechen kann. Für mein Buch schien mir diese Begrifflichkeit aber hilfreich.
Eine weitere Vorentscheidung war in Bezug auf geschlechtersensible Sprache zu treffen. Das ist gerade in der katholischen Kirche von besonderer Brisanz, da Frauen von bestimmten kirchlichen Aufgaben von vornherein ausgeschlossen, in anderen Aufgaben aber den Männern völlig gleichgestellt sind. Soll, kann oder muss diese Tatsache Konsequenzen für Personenbezeichnungen in deutschsprachigen Texten haben – und wenn ja, welche? Hier werden sprachwissenschaftlich sehr unterschiedliche Ansichten vertreten, noch dazu gibt es in der Entwicklung einer für Geschlechterfragen sensibilisierten Sprache derzeit erhebliche Ungleichzeitigkeiten zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz, zwischen Wissenschaftssprache und Alltagssprache und zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Milieus. Ich habe mich für folgende Vorgehensweise entschieden:
Bei der ersten Nennung bzw. am Beginn eines Kapitels werde ich die behandelten kirchlichen Ämter zunächst in der grammatisch weiblichen und in der grammatisch männlichen Form ausweisen, es sei denn, das betreffende Amt ist ausschließlich Männern vorbehalten. Anschließend verwende ich das generische Maskulinum und folge damit jenem Befund der historischen Sprachwissenschaft, wonach das grammatische Geschlecht vom biologischen oder sozialen Geschlecht zu unterscheiden ist. Anders gesagt: Nur weil ein Wort grammatisch männlich ist und womöglich auf -er endet, impliziert es weder das männliche biologische Geschlecht noch drückt es irgendwelche typisch männlichen Eigenschaften oder Charakterzüge aus (es ist „unmarkiert“). Der Ausdruck der Lektor oder der Kommunionhelfer hat demnach genauso viel und genauso wenig mit dem Mann-Sein zu tun wie der Schraubenzieher oder der Wäschetrockner, auch die Pluralformen Katholiken oder Christen beziehen sich gleichermaßen auf Frauen, Männer und Kinder. Vor allem verwende ich das generische Maskulinum bei Zusammensetzungen wie Kantorendienst oder Lektorengruppe.
Wenn ich konkrete Beispiele benenne, werde ich mehrheitlich die („markierte“) grammatisch weibliche Form verwenden, zum Beispiel: „Eine Organistin soll ihre Kompetenzen schon bei der langfristigen Vorbereitung von Liturgien einbringen.“ Auf diese Weise nehme ich den Befund der feministischen Sprachwissenschaft ernst, wonach grammatisch männliche Formen – spätestens seit es in der deutschen Sprache üblich wurde, zu jeder männlichen Personenbezeichnung auch eine weibliche Form zu kreieren (in der Regel durch die Anfügung -in) – eher Bilder von biologisch männlichen Wesen aufsteigen lässt, was dazu führen kann, dass Frauen als begründungspflichtiger Ausnahmefall erscheinen.
Diese Vorgehensweise habe ich eng angelehnt an die Vorschläge von Dr. Anette Nagel, die sie auf ihrer gemeinsam mit Petra Oerke betriebenen Website www.contexta.de veröffentlicht und begründet hat.
Mir war wichtig, ständige Doppelnennungen zu vermeiden, die vor allem bei längeren Auflistungen die Lesbarkeit dieses Buches erheblich erschwert hätten. Außerdem wollte ich auf neue Formen des gegenderten Schreibens wie LektorInnen, Lektor*innen oder Lektor:innen verzichten, weil diese den derzeitigen deutschen Rechtschreibregeln nicht entsprechen, Menschen anderer Muttersprache das Erlernen und Schreiben des Deutschen erschweren und weil (noch) keine Konvention existiert, wie man diese Formen aussprechen soll, spätestens wenn man zu der Form jedeR oder der:m und den Herausforderungen kommt, die solche Schreibweisen für Vorleseprogramme für Blinde mit sich bringen. Mein Buch sollte aber gut und zweifelsfrei vorlesbar sein.
Mein Dank gilt dem Verlag Friedrich Pustet, besonders dem Lektor Dr. Rudolf Zwank, der diesem Buchprojekt von Beginn an positiv gegenüberstand und durch seine gewohnt detailgenaue Arbeit die Publikation unterstützt hat.