Читать книгу Späte Gegend - Lida Winiewicz - Страница 11

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Wenn das Frühstück zu Ende war, hat die Arbeit angefangen. Vom Knopferlnähen hab ich erzählt. Knopferlnähen war Kleinkinderarbeit.

Später waren die Geschwister zu hüten. Wenn ich bedenk’, dass ich damals selber noch kein Schulkind war, dann muss ich sagen, zwischen uns – mir und den »Kleinen« – war kein großer Unterschied.

Stubefegen, Ascheausräumen ist nachher drangekommen, Holzholen, Wäschewenden, Ziegenfüttern, Körnermahlen, Sterzrühren, Essentragen und so weiter und so weiter.

Wir haben keine Ferien gehabt. Im Sommer war schulfrei, das stimmt, aber nur auf dem Papier. Die Arbeit daheim ist im Sommer nicht weniger geworden, im Gegenteil. Wie ich ein Kind war, hat’s das Wort »Freizeit« nicht gegeben.

Der Vater hat nach der Arbeit Feierabend gemacht. Das war so: Er ist gesessen und hat geraucht. Das war alles.

Der Vater war Pfeifenraucher. Die Pfeife, aus Porzellan, war bemalt: grüner Wald, blauer Himmel, gelbe Sonne mit schrägen Strahlen, wie mit dem Lineal, ein Marterl am Wegesrand, darunter ein Spruch, sechs Zeilen, ich weiß sie nicht mehr; ich weiß nur, ich hab nach und nach gelernt, die Wörter zu verstehen: Es war vom Kaiser die Rede, vom Vaterland, und von einem Mädchen.

Die Mutter hat dem Vater nie Vorhaltungen gemacht wegen dem Tabak. Sehr teuer kann er nicht gewesen sein, aber für uns war alles teuer.

Geraucht hat nur er. Eine Frau hätt’ sich niemals rauchen getraut.

Manchmal hat der Vater auch was anderes geraucht: Asthmakraut gegen den Husten. Das hat man beim Apotheker gekriegt. Wenn der Husten ganz arg war, hat sich einer meiner Brüder zum Vater hingesetzt und auch Asthmakraut geraucht, dem Vater direkt in die Nase.

Wenn heute ein Steinmetz hustet, heißt das »Silikose«. Man sagt, sie ist zurückgegangen. Das wundert mich nicht. Wo früher hundert Steinmetze gesessen sind, sitzen jetzt zehn. Und dass zehn Männer weniger husten als hundert, versteht jedes Kind.

Die Mutter hat keinen Feierabend gehabt. Wir auch nicht. Wir waren immer auf den Beinen, im Winter drin, im Sommer draußen. Im Sommer sind wir in den Wald, Beeren brocken; jedes Kind mit einem Krug, und der Krug hat randvoll werden müssen. Mit einem halb leeren hätt’ sich keines nach Haus getraut. Wir haben zusammengeholfen, manchmal an die zwanzig Kinder, und wenn alle Krüge voll waren, hat es geheißen: »Mundbrocken!«

Dann haben wir uns satt gegessen, an Heidelbeeren und Preiselbeeren.

Die Mutter hat die Beeren für Beerenkoch getrocknet, das schmeckt gut und geht ohne Zucker, nur Beeren, Mehl, Wasser. Sonst nichts.

Ich hab vor sechzig Jahren zum letzten Mal Beerenkoch gegessen. Wer trocknet heute noch Beeren? Heutige Kinder gehen nicht mehr mit Krügen in den Wald.

Das Beerenessen, mein’ ich, hat uns am Leben erhalten. Unsere Kost war ungesund: Kraut, Rüben, Erdäpfel, Mehl, wenig Ziegenmilch.

Keine Eier. Woher Hühnerfutter nehmen?

Körner haben wir selber geschluckt.

Späte Gegend

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