Читать книгу Späte Gegend - Lida Winiewicz - Страница 7

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Mein Vater war Steinmetz. Meine Brüder sind auch Steinmetze geworden. Es hat, außer Steinmetz, für Männer keinen Beruf gegeben, wo sie was verdienen konnten, bei uns in der Gegend. Steine waren genug da: Granit.

Es war da ein ganzes Tal, da sind die Steinmetze gesessen, jeder in einer Art Verschlag, viereckig, an zwei Seiten offen, und haben geklopft. Das waren die richtigen, die gelernten. Die anderen haben die Blöcke im Steinbruch herausgehaut. Die haben auch Steinmetze geheißen, aber nur dem Namen nach.

Steinmetze sind jung gestorben. Das hat man gewusst, das hat niemanden gewundert: die schwere Arbeit, der Steinstaub, das viele Bier. Staub macht durstig. Keiner meiner Brüder ist älter als vierzig Jahre geworden, und der Vater, den hat obendrein der Krieg invalid gemacht.

Ich bin oft ins Steinmetztal – ich war vielleicht sieben, acht Jahre – und hab im Vorübergehen den Steinmetzen zugeschaut. Stehenbleiben hab ich nicht dürfen, weder hin noch her, an beiden Enden hat jemand auf mich gewartet: im Tal der Vater aufs Essen, zu Haus die Mutter mit der Arbeit.

Das Essen war warm – Knödel, Strudel, Sterz, Beerenkoch, nie Fleisch! – und bis ich beim Vater war, war’s ausgekühlt. Zu gehen waren drei Kilometer.

Der Vater hat sich nie beklagt.

Steinmetze sind mit wenig Handwerkszeug ausgekommen: ein Hammer und viele Meißel, vom gröbsten zum allerfeinsten, mehr haben sie nicht gebraucht. Ein eigener Steinmetzschmied hat die Meißel scharf gemacht, mit Feuer und Wasser und Blasbalg. Dann sind die Funken geflogen.

Der Schmied hat Katzberger geheißen. Ich hab mich gefürchtet vor ihm.

Die Arbeit im Tal hat um sieben in der Früh angefangen und bei Dunkelheit aufgehört. Bezahlt wurde Stück für Stück. Die Stücke waren Grabsteine.

Wenn einmal bei einer Verzierung was ausgebrochen ist, und wenn’s was ganz Winziges war, war das ein Abzug. Dann hat der Vater zum Schluss noch weniger Geld heimgebracht und noch weniger geredet.

Zu hören hat’s nicht viel gegeben bei uns daheim. Nicht einmal Glocken! Die Kirche war zu weit weg. Im Dorf war eine kleine Kapelle, aber nur zum Rosenkranzbeten, die hat keine Glocke gehabt.

Wenn ich versuch, mich zu erinnern, was ich gehört hab als Kind, dann hör ich Leute gehen, Leute reden, Feuer prasseln, Wasser sieden, Regen klatschen, Fliegen summen, Türen knarren, Ziegen meckern, Hunde bellen, Katzen maunzen, hie und da die Mundharmonie – ein Bauernsohn in der Nähe hat Mundharmonie gespielt – ah ja, und den Zug! Den Zug, den haben wir pfeifen gehört, von weit, weit her.

Gesehen hab ich einen Zug erst viele Jahre später, gefahren – das erste Mal! – bin ich, da war ich dreißig.

Die Stille bei uns daheim hat auch ihr Gutes gehabt: Die Eltern haben nie gestritten.

Erst im Dienst hab ich erlebt, da war ich schon elf, zwölf Jahre, dass Leute – Eheleute! – einander angeschrien haben. Das hat mich gewundert.

Ich glaub, mein Vater hat sehr schöne Grabsteine gemacht.

Wir hätten uns so einen Grabstein nie im Leben leisten können.

Späte Gegend

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