Читать книгу Späte Gegend - Lida Winiewicz - Страница 13

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Das Schulgehen war schön. Nicht immer und nicht die ganzen vier Jahre – ich war nur vier Jahre dort –, aber die ersten zwei. Man durfte ruhig sitzen! Im Winter war geheizt!

Eine Lehrerin und ein Lehrer haben sich um uns gekümmert, jeder um je zwei Klassen, in je einem eigenen Raum. Die eine Klasse hat sich leise beschäftigt, die andere hat laut gelernt. Nach einer Zeit wurde gewechselt. Wer nicht gefolgt hat, hat ein paar auf die Finger gekriegt, mit dem Lineal.

Ich nie.

Ich hab immer gefolgt. Nicht folgen wär’ mir nicht eingefallen. Ich hab nichts anderes gekannt. Wir haben den Eltern gefolgt, den Lehrern, den »Oberen«, die, denen wir gefolgt haben, haben wieder anderen gefolgt, die anderen wiederum anderen, bis hinauf zum Kaiser in Wien, und über dem Kaiser, da war immer noch der liebe Gott.

Ich weiß noch gut, wie der Kaiser in Wien gestorben ist, da haben die Leute gesagt: »Jetzt ist keiner mehr da, der sich um uns kümmert.«

Ich weiß nicht, ob sich der Kaiser viel um uns gekümmert hat, ich glaub nicht, und heute denk’ ich, es wär’ gescheiter gewesen, wir hätten manchmal gefragt, aber fragen – ich hab’s schon gesagt –, fragen war bei uns nicht üblich.

Der Vater, die Brüder, mein Mann – alle sind in den Krieg gegangen, ohne eine Frage zu stellen. Ich glaub’, meine Enkel täten das heutzutag nicht mehr.

Die Frau Lehrerin war lieb. Sie hat uns fast nie geprügelt. Der Herr Lehrer oft. Und am meisten der Herr Katechet, auf die Finger und den bloßen Hintern. Die Buben haben nicht selten blutige Hintern gehabt.

Er hat auch etwas anderes mit den schlimmen Buben gemacht, der Herr Katechet: Er hat sie über den Boden gehalten, mit einer Hand – er war stark –, vielleicht einen Meter hoch, sie haben geschrien und gezappelt, dann hat er die Hand aufgemacht und sie einfach fallen lassen, auf den Fußboden, mit einem Krach. Ich hab’s gesehen. Ich war dabei.

Trotzdem, wenn ich’s jetzt erzähl’, glaub ich fast, es ist nicht wahr. Aber dann fällt mir ein (unser Hof liegt nicht weit von Mauthausen, wo das Konzentrationslager war), es ist damals geredet worden, hinter vorgehaltener Hand, was dort geschieht im Lager. Wir haben es nicht geglaubt. Es gibt sogar Leute in der Gegend, die glauben es heute noch nicht, obwohl man jetzt weiß, so war’s. So ähnlich geht’s mir, wenn ich an den Herrn Katecheten denk’.

Er war keine Ausnahme. Leider. Die Geistlichen in unserer Gegend haben nichts für uns getan, nichts für die unehelichen Kinder, im Gegenteil, ledigen Müttern haben sie das Leben schwer gemacht, und auch den ehelichen! Wenn eine Wöchnerin aus dem Kindbett aufgestanden ist, war sie »unrein« und hat nicht in die Kirche dürfen. Erst, wenn der Pfarrer sie »gereinigt« hatte (gesegnet) an der Kirchentür, mit Gebeten, Weihrauch und Kruzifix.

Fürs Segnen hat er was bekommen – kein Geld, niemand hatte welches –, aber ein Huhn, ein Stück Butter, ein paar Eier, einen Krug Most. Fast alle Pfarrer waren dick.

Die Mutter hat mit uns nie über diese Dinge gesprochen. Aber wenn sich die anderen Frauen beim Herrn Pfarrer angestellt haben, um ihm die Hand zu küssen, ist sie vorübergegangen und hat nur gesagt: »Grüß Gott!«

Späte Gegend

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