Читать книгу Späte Gegend - Lida Winiewicz - Страница 9

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Wir waren, ich hab’s schon gesagt, sechs Kinder. Wir hatten zwei Betten: ein Bett für je drei. Im Winter war das schön warm. (Kein Ofen.)

Bettzeug hat’s auch keines gegeben, keines, wie es heut’ welches gibt – Leintücher, Überzüge, Tuchenten, Deckenkappen –, auch keine Matratzen. Ich mein’, gegeben hat es das schon. Aber nicht bei uns daheim.

Die Mutter hat Stroh aufgeschüttet, Bettstroh. Zweimal im Jahr hat sie das Stroh gewechselt, mitsamt den Flöhen. Geholt haben wir’s von den Feldern, wenn sie abgeerntet waren. Das war erlaubt. Was nicht Erlaubtes hätten wir niemals getan.

Über das Bettstroh ist ein großes Tuch gekommen, wir haben uns hingelegt, zwei längs, eines quer zu Füßen, die Mutter hat uns zugedeckt, wir haben abendgebetet (»Jesuskindlein komm zu mir, mach ein frommes Kind aus mir, mein Herz ist klein, darf niemand hinein, als du mein liebes Jesulein«), sie ist mit der Kerze hinaus, und dann war es finster, außer es hat der Mond geschienen, dann haben wir unsere Schürzen vors Kammerfenster getan: Mondlicht macht böse Träume, und Vorhänge waren keine da.

Nicht nur, weil sie teuer waren. Auch wegen der Wäsche. Je mehr, desto mehr Lauge muss sein.

Wir haben mit der Hand gewaschen. Das war nicht schlimm. Schlimm war, dass das blutwenige Geld, das wir verdienen konnten, fürs Nötigste nicht gereicht hat. Die meiste Kraft ist auf die Mühe für Wohnendürfen, Ziegenhaltendürfen, Holzklaubendürfen aufgegangen. Seife war nicht umsonst, so wenig wie Zucker, Salz, Petroleum, Schuhe und so weiter.

Wir haben keine Schuhe gehabt.

Mein erstes Paar Schuhe hab ich mit neunzehn Jahren gekauft, von einem Monatslohn als Großmagd, feste Schnürschuhe, barchentgefüttert. Die hat später die Rosi gestohlen, meine Stiefschwiegermutter, aber so weit bin ich noch nicht.

Wir Kinder sind barfuß gelaufen, jahraus jahrein, außer im Winter. Da hatten wir Holzpantoffel.

Strümpfe hat die Mutter gestrickt. Für die Wolle hat sie einem Bauern, der Schafe gehalten hat, alle vier Wochen Brot gebacken. Da war sie die ganze Nacht weg.

Die meisten Bauern haben damals ein eigenes Backhaus gehabt, zehn Meter vom Wohnhaus entfernt. Man hat am Abend vorher den Sauerteig angerührt und warmgestellt, zwei Stunden später das Mehl in den Backtrog geschüttet, Wasser dazugetan, mit dem Sauerteig verrührt und geknetet.

Fast alle Bauern haben das eigene Mehl verbacken, genauer gesagt, sie haben ihr Korn zum Morawetz geführt – der Morawetz war der Müller – und gegen Mehl eingetauscht. Die Leute haben gesagt, der Morawetz mahlt das Korn in seine eigene Tasche, aber wer steht schon dabei und schaut dem Müller auf die Finger?

Teigkneten war Schwerarbeit, aber trotzdem Weibersache. Wenn er fertig war, hat er »gehen« müssen, derweil hat man den Ofen geheizt. Erst musste er angefüllt werden mit Reisig und Scheiten, bis hinten, nach einer genauen Ordnung. Ein Kind oder ein junger Dienstbot’ ist in den Ofen gekrochen zum Holzschichten, tief nach hinten, sonst hätte die Glut nicht gereicht. Wenn das Kind draußen war, hat man das Holz angezündet, drei Stunden später hat der ganze Backofen geglüht. Jetzt hat man Brotlaibe geformt, in Körbchen getan, die Brote noch einmal gehen lassen und dann in den Ofen geschoben, auf einem Blech mit Stiel. Das Brot war Roggenbrot. Bei manchen Bauern hat man ein Weißbrot mitgebacken, ein »Ahnlbrot« für die Alten, die nicht mehr beißen konnten. Wir haben nie Weißbrot gekriegt. Wir waren froh, wenn Schwarzbrot da war.

Aber ich wollt’ vom Waschen reden: Wir haben Holzaschenlauge genommen, die macht Wäsche weiß. Außerdem haben wir die Stücke draußen auf der Wiese gebleicht, das geht schön in der Sonne, man muss nur gut gießen und wenden.

Unsere Lauge hat dem Boden nichts getan.

Dafür meinen Händen. Seit damals sind sie rot, rissig und rau. Manchmal glaub ich, es sind keine Hände, es sind fünfzackige Krampen.

Man hört manchmal, jemand ernährt sich »von seiner Hände Arbeit«, meine haben mich wirklich ernährt.

Nicht, dass man zur Arbeit nicht auch den Kopf brauchen würde, den braucht man. Handarbeiter, Kopfarbeiter, den Unterschied gibt’s, ich weiß, er hat oft mit Geld zu tun, aber auch die dümmste Arbeit, sagen wir, Stubefegen, ist nicht nur Hände-Arbeit. Ohne Kopf kann man fegen, wie man will, die Stube wird schmutzig bleiben.

Mein Schwiegervater hat einmal einem studierten Herrn aus Wien ein Zimmer vermietet, der hat bei aller Studiertheit kein Feuer zustandgebracht. (Unsere Sommerabende sind kühl, da frieren die Städter. Wir würden da lang noch kein Feuer machen, ich krieg’ sogar Kopfweh, wenn ich in einem warmen Zimmer schlafen muss. Aber meine Enkel wollen auch kein kaltes Schlafzimmer mehr.)

Die erste Arbeit, die ich mit meinen Händen gemacht hab – ich war vielleicht vier oder fünf – war Knopferlnähen.

Fast alle Kinder haben damals knopferlgenäht, sobald ihre Finger die Nadel überhaupt halten konnten.

Knopferlnähen war Heimarbeit.

Wir sind stundenlang gesessen im Winter, wenn’s kalt war, im Bett – und haben knopferlgenäht, Zwirnknöpfe, das heißt, Zwirnknöpfe sind sie durchs Nähen geworden, vorher waren es Ringerln und Zwirn, neunhundertsechzig Ringerln pro Umschlag. Ein solcher Umschlag hat eine »Tasche« geheißen. Die Mutter hat die Ringerln »aufgeschüttet«, haben wir gesagt, und wir haben genäht, und immer, wenn eine Tasche voll war, hat sie die Knopferln gewaschen (wir haben schmutzige Finger gehabt), in die Tasche zurückgetan, die Tasche abgeliefert und Geld dafür gekriegt.

Wie viel es war, weiß ich nicht. Wir haben vom Knopferlgeld Schulzeug – Bücher, Bleistifte, Hefte – gekauft.

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