Читать книгу Rising Skye (Bd. 2) - Lina Frisch - Страница 14

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Hör auf, dich zu benehmen, als wäre Octagon ein Glücksfall!«, zischt Yana, nachdem sie die Tür des Bungalows hinter mir geschlossen hat und Skye im Bad verschwunden ist. »Du wirst ihr trotzdem endlich sagen müssen, was mit dem Diktiergerät passiert ist.«

»Ich dachte, du kannst sie nicht leiden«, erwidere ich unwirsch.

»Kann ich auch nicht«, sagt Yana. »Aber sie verdient es nicht, im Dunkeln gelassen zu werden. Du schuldest ihr die Wahrheit und du wirst sie nicht mehr lange vor ihr verheimlichen können!«

»Du hast ja recht, verdammt noch mal!«, explodiere ich. Im Badezimmer rauscht der Wasserhahn und ich senke hastig die Stimme. »Octagon gibt mir Zeit, okay? Während Skye damit beschäftigt ist, darüber nachzudenken, was Cremontes neuster Coup für uns bedeutet, können wir –«

»Was? Nach New York fahren und da ins Weiße Haus einbrechen? Nein danke, Hunter. Wenn mir nach Selbstmord ist, springe ich von einer Brücke.« Yana schüttelt den Kopf. »Wir müssen gemeinsam nachdenken, wie wir an einen neuen Beweis kommen. Und so ungerne ich es auch zugebe, dabei könnte deine kleine Freundin tatsächlich von Nutzen sein.«

Yanas Handy klingelt. Sie wirft mir einen bedeutungsvollen Blick zu, bevor sie den Anruf annimmt. »Ma?« Yana stellt auf Lautsprecher. Ich folge ihr in die Küche.

»Auf dem Highway ist die Hölle los, und außerdem wurde ich gerade gebeten, heute auch noch die Nachtschicht zu übernehmen.« Rekas Stimme klingt gestresst. »Ich drehe um und fahre zurück nach Greenhill. Ist bei euch alles in Ordnung?«

»Alles gut, Ma. Wir haben schon damit gerechnet, dass du nicht mehr kommst. Wir sind nach Hause gegangen und essen hier.«

Während Yana verspricht, für den Rest des Tages im Bungalow zu bleiben, wandert mein Blick hinüber zu den gerahmten Fotos auf der Anrichte. Eins von ihnen zeigt Reka, wie sie ihren Arm um meine Mutter legt. Anders als die Bilder von Yanas Vater Daniel trägt es keine schwarze Trauerschleife. Ich fixiere das Gesicht der Frau, der ich noch vor wenigen Tagen mein Leben anvertraut hätte. Es gibt nur eine Antwort auf die Frage, wie sie in den Besitz von Mums Anhängers gekommen ist. Sie muss wissen, was in der Nacht der Flucht geschehen ist, muss Mum noch einmal gesehen haben. Und zwar, nachdem ich sie tot auf dem Highway zurückgelassen habe – denn da trug sie den Anhänger noch. Warum ist Reka mit ihrer Familie damals also Hals über Kopf zu ihren Eltern ins Reservat gezogen, wenn nicht aus Angst vor dem, was sie über Mums Tod erfahren hat?

»Ist Hunter noch bei dir?«, hallt Rekas Stimme aus dem Handylautsprecher.

»Natürlich, Ma.«

»Er ist nicht aufgebrochen, als der Shutdown losging?«

Yana seufzt. »Nein, Ma. Hunter ist hier, deine Patientin ist hier. Es geht uns allen gut, und ich werde jetzt auflegen, wenn du nichts dagegen hast.« Yana beendet das Telefonat und verzieht das Gesicht. »Als könnten wir nicht auf uns selbst aufpassen«, murmelt sie und öffnet das Gefrierfach, um drei Fertigpizzen herauszuholen. »Die meisten Leute halten Ma für kühl, aber eigentlich versucht sie nur, jeden zu schützen, der sich in ihrer Obhut befindet.«

Ich nicke, dabei ist mir klar, welche Rechnung Reka anstellt: In Las Almas war alles ruhig, bevor Skye und ich mit unserer wenig glaubwürdigen Geschichte des Pärchens auf der Flucht ankamen. Seitdem ist Skye fast an einem Medikament gestorben, das es nicht geben dürfte, seitdem wurde ein unter Drogen stehendes Mädchen von einem Regierungstransporter ins Krankenhaus eingeliefert und jetzt … jetzt monopolisieren die Kristallisierer auf einmal das Internet. Reka ist nicht umsonst Chefärztin. Sie hat gelernt, Hinweise zu sammeln und sie zusammenzufügen.

»Es gibt Pizza?« Skye steht im Türrahmen, ein entschuldigendes Lächeln im Gesicht, als wollte sie beweisen, dass alles in Ordnung ist. Aber ihre geschwollenen Augen verraten, dass sie im Badezimmer geweint hat. Sie liebt ihren Vater. Sie will glauben, dass er sich in den letzten vier Jahren verändert hat, dass er bereut, dass er jetzt auf unserer Seite ist. Doch der heutige Tag hat das Gegenteil bewiesen.

»Ja«, sage ich schnell. »Du hast die Wahl zwischen Margherita und Salami.«

Wir setzen uns auf die Küchenbank. Skye zieht Yanas Laptop zu sich heran.

»Meinst du nicht, du solltest –«

»Mich ausruhen?« Skye schüttelt den Kopf. »Nein, Ruhe würde mich jetzt wahnsinnig machen. Wir müssen mehr über Octagon herausfinden. Ich will alles wissen, was es zu wissen gibt.«

Yana wirft mir einen triumphierenden Blick zu. Ich habe es dir doch gesagt.

Als der Ofen piept, holt Yana die Pizzen heraus und stellt drei Teller auf den Tisch.

»Octagon ist auf den Checks vorinstalliert und anscheinend auch nur auf Checks verwendbar.« Skye deutet auf einen Onlineartikel von CCN. »Nicht mit herkömmlichen Smartphones kompatibel, steht hier. Sie verkaufen das als weitere Sicherheitsmaßnahme gegen Hackerangriffe. Die Checks sollen zu einhundert Prozent zugriffsicher sein.«

»Außer vonseiten unserer eigenen Regierung«, grummelt Yana.

»Wenn ich das richtig sehe, müssen wir es schaffen, den Inhalt des Diktiergeräts irgendwie auf Octagon zu stellen«, sagt Skye unbeirrt. »Die alten sozialen Netzwerke können über den Check nicht aufgerufen werden und seit heute werden die meisten Leute sie sowieso nicht mehr nutzen. Damit sind sie als Enthüllungsplattform wertlos.«

Skye beißt in ein Stück Salamipizza, während Yana mir einen auffordernden Blick zuwirft. Sag es ihr!

»Für ein Octagon-Profil brauchen wir einen Check«, weiche ich aus. »Und selbst dann wird es nicht leicht sein, untreue Inhalte zu verbreiten. Jede Wette, dass dieses neue Netzwerk bestens überwacht wird.«

Yana tritt mir unter dem Tisch gegen das Schienbein. Feigling!

Skye streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Du hast recht, Hunter. Wir müssen uns so schnell wie möglich darum kümmern, an einen Check zu kommen, obwohl mir die Idee, einen in der Nähe zu haben, nicht gerade gefällt.«

Ich betrachte ihr Gesicht. Die dunklen, starken Augenbrauen, die sich konzentriert zusammenziehen. Die zarte Linie ihres Kiefers, die in leicht erhöhten Wangenknochen endet. »Wir werden eine Lösung finden. Für alles.« Ich nehme ihre Hand und schwöre mir, ihr die Wahrheit zu sagen, sobald wir allein sind. Yana hat recht. Sie verdient es – und ich brauche sie an meiner Seite.

Als von den Pizzen nur noch Krümel übrig sind und Yana nach jedem Satz gähnt, stelle ich unsere Teller zusammen. »Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich bin todmüde.«

Wir stehen auf und räumen das Geschirr in die Spülmaschine. Yana sagt nichts, als ich Skye in ihr Zimmer folge.

Fahles Mondlicht fällt durchs Fenster.

»Willst du, dass ich gehe?«, frage ich leise in die Stille hinein.

Skye schüttelt den Kopf. »Ich wäre heute Nacht nicht gern allein.«

Ich nicke. »Willst du reden?«

Skye lässt sich auf Yanas schmales Bett fallen. »Ich will nur noch schlafen, um ehrlich zu sein.« Sie schlägt die Decke zurück und ein alberner Teil von mir wird auf einmal nervös. »Es ist vielleicht ein bisschen eng«, sagt sie. »Aber bestimmt bequemer als Manuels Sofa.«

»Darauf würde ich wetten.«

Ich erwische mich dabei, wie ich mir verlegen den Nacken kratze. Wie alt bist du, vierzehn? In Jeans und T-Shirt lege ich mich neben sie. Heute Nacht werde ich kein Auge zubekommen …

Skye breitet die dünne Decke über uns. »Alles in Ordnung?«, fragt sie grinsend.

Ich stütze mich auf meinen Ellenbogen. »Ich fürchte, es gibt etwas, das du über mich wissen solltest.«

»Du schnarchst!«

»Ich rede im Schlaf«, sage ich gleichzeitig.

Ein Klopfen unterbricht unseren Lachanfall. »Was auch immer ihr da drinnen macht, macht es leiser«, klingt Yanas Stimme gedämpft durch die Tür. »Ich brauche meinen Schlaf, wenn ich euch dabei helfen soll, diese verdammten Fanatiker aus dem Weißen Haus zu kicken.« Ihre Schritte entfernen sich.

»Sie hat recht«, seufzt Skye.

Ich will gerade die Nachttischlampe ausknipsen, als mein Blick auf den schwarzen MP3-Player daneben fällt.

»Der gehört Ocean.« Skye schlägt sich gegen die Stirn. »Mist, ich habe ganz vergessen, ihm zu sagen, dass er ihn hier liegen gelassen hat! Er hängt total daran.« Der Anblick des kleinen Kastens schnürt mir die Luft ab. »Du solltest die Musik mal hören. So schön ruhig. Perfekt zum Einschlafen.«

Ich nicke, mein Blick noch immer auf den MP3-Player fixiert. Dad hatte genau so einen. Er trug ihn überall mit sich herum, nicht nur um Musik zu hören, sondern auch, um Ideen für Artikel jederzeit aufsprechen zu können. Notizbücher hat er gehasst. Die Erinnerungen überfallen mich wie aus dem Nichts. Dad, wie er mit mir Eis essen geht. Dad, wie er meiner Mutter Blumen mitbringt. Dad, wie er alte Jazz-Platten auflegt und durch das Haus tanzt.

Ich räuspere mich. »Welchen Song soll ich anmachen?«

Skye nimmt mir den Player aus der Hand und legt ihn zurück auf den Nachttisch. »Ich glaube, heute Nacht brauche ich keine Musik, um einzuschlafen.« Sie lehnt sich zu mir, doch dann hält sie inne. »Kann es sein, dass du reden willst?«

»Es ist nichts.« Ich schüttle den Kopf.

Skye sieht mich an, dann wickelt sie sich aus der Decke und steht auf. »Ich bin in fünf Minuten wieder da. Wenn du dich entschieden hast, schlafen zu gehen, ist das in Ordnung. Wenn nicht …« Sie lächelt. »Wenn nicht, bin ich hier, um dir zuzuhören.«

Ich starre aus dem Fenster in die Dunkelheit und versuche, über Octagon nachzudenken. Über den Check, den wir beschaffen müssen, wenn wir Zugang zu Chloes neuster Gleichschaltungstechnik haben wollen. Über den fehlenden Beweis. Über das Misstrauen in Rekas Stimme. Über alles – außer meinen Vater.

Als Skye mit zwei dampfenden Tassen in den Händen zurück ins Zimmer kommt, brummt mein Kopf. »Du schläfst nicht«, stellt sie fest und reicht mir einen der Becher. »Kakao. Das Geheimnis sind echte Schokoladenstücke.«

Sie klettert zurück ins Bett und pustet in ihre Tasse.

»Er hat damals beschlossen, uns zu verlassen«, sage ich nach einer Weile. »Ich würde gern beschließen können, ihn zu vergessen.«

»Deinen Dad?«, fragt Skye.

Ich nicke.

»Das ist hart.« Sie beißt sich auf die Lippe. Ich weiß, dass sie an Beth denkt – dass sie traurig und wütend ist auf ihre Mutter, die sie verlassen hat, genau wie mein Vater mich. »Wann ist er gegangen?«, fragt Skye vorsichtig.

»Vor fünf Jahren. Ironischerweise ausgerechnet am 14. Juni – wir hatten quasi unseren ganz privaten großen Skandal. Ich habe nach ihm gesucht, weißt du.« Nach Jahren des Schweigens stürzen die Worte plötzlich nur so aus mir heraus. »Aber er war nirgends zu finden. Und Mum … Mum wollte nicht über ihn sprechen.« Ich erinnere mich an den verschlossenen Gesichtsausdruck meiner Mutter, wenn ich Dad erwähnte. »Irgendwann hörte ich auf, Fragen zu stellen. Aber ich kann einfach nicht verstehen, wie Dad alles wegwerfen konnte. Ein ganzes Leben, von heute auf morgen zerstört!«

Skye stellt ihre Tasse auf den Nachttisch und legt den Arm um mich. Ein paar Minuten lang sitzen wir so da und starren aus dem Fenster in die Nacht.

»Jetzt weiß ich, warum ich mich dir von Anfang an so nah gefühlt habe«, sagt sie schließlich. »Das gleiche familiäre Trauma durchlebt zu haben, muss ja verbinden.«

»Vielleicht solltest du Psychologin werden, wenn das hier vorbei ist.«

»Und mir den ganzen Tag die Probleme anderer Leute anhören?« Sie lacht. »Davon habe ich selbst genug.«

»Aber du bist gut darin, Menschen zu lesen«, entgegne ich.

»Wirklich?« Skyes Stimme klingt auf einmal rau wie Schmirgelpapier. »Zumindest bei zweien habe ich mich doch wohl gründlich verschätzt.«

»Wie wäre es«, murmele ich in ihr Haar, »wenn wir unsere Eltern und den ganzen Rest vergessen. Nur für heute Nacht.« Skye wirft mir einen Blick zu. »Zum Schlafen!«, füge ich hinzu und spüre, wie mir die Röte prickelnd in die Wangen schießt.

Sie grinst. »Du kannst jetzt aufhören, nervös zu sein.« Ihr Kuss schmeckt nach Kakao. »Danke, dass du mir von deinem Dad erzählt hast«, flüstert sie. »Keine Geheimnisse mehr?«

»Keine Geheimnisse mehr.«

Ich streiche über ihr Haar, während ich beobachte, wie ihre Atemzüge langsam tiefer werden. Keine Geheimnisse mehr. Ich beiße die Zähne zusammen. Ich muss Skye die Wahrheit über das Diktiergerät sagen, hier und jetzt. Aber dann rutscht mein Blick zu der zarten Haut über ihren Schlüsselbeinen. Die feuerroten Striemen ziehen sich wie Lavaströme durch frisch gefallenen Schnee. Ich denke an die Panik, die ich verspürt habe, als ich Skye in Angelas brennender Wohnung liegen sah, an meine rasende Hilflosigkeit, während sie bewusstlos war. Ich kann Skye nicht beichten, was geschehen ist. Ich darf ihr Leben nicht durch eine kopflose Beweisjagd in Gefahr bringen, nur weil ich sie brauche!

Andererseits ist sie hier im Reservat auch nicht sicher. Was immer ich tue, ich kann dich nicht schützen …

Doch dann wird mir klar, dass das nicht wahr ist. »Ist Hunter noch bei dir?« Rekas Stimme klingt in meinen Ohren. Ich bin es, dem sie nicht traut. Weil sie mehr über meine Mutter weiß, als sie zugibt, und weil sie glaubt, dass ich wie Mum bin. Ich schließe die Augen. Wenn ich fort gehe, dann ist Skye hier in Sicherheit. Reka wird alles tun, um sie zu schützen, das hat Yana selbst gesagt.

Langsam löse ich mich aus Skyes Umarmung. Wirfst du jetzt nicht auch alles weg? Ich schlucke. Nein. Ich bin nicht wie mein Vater, ich verlasse Skye nicht. Aber ich werde auch nicht noch einmal riskieren, sie zu verlieren.

Rising Skye (Bd. 2)

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