Читать книгу Heimkehr ins Unbekannte - Lina Meruane - Страница 22

wieder ramallah

Оглавление

Ich kehre von der kurzen Europareise nach New York zurück und packe die Koffer für Chile. Wieder bestelle ich ein Taxi, und beim Einsteigen sieht mich derselbe Lampengeist vom letzten Mal an. Der Geist meines schlechten Gewissens oder meiner Wünsche, sage ich mir, auf einmal von abgedroschenen orientalischen Bildern befallen. Aberhundert Latino-Taxifahrer zirkulieren im Norden Manhattans, und ausgerechnet Jaser ist im Augenblick meines Anrufs am nächsten und holt mich ab. Und wohin geht es jetzt?, fragt er, als er den Koffer hebt und lächelt. Jetzt wirklich nach Palästina? So ähnlich, antworte ich und denke, dass Chile meine einzige Levante ist. Von meiner Familie aus Beit Jala sind nur noch ein, zwei Frauen übrig, die irgendwo drüben den Namen Meruane führen. Die übrigen Namensträger leben bei uns, über diese verrückte Geographie verteilt. Vielleicht haben auch Sie jemanden in Chile, sage ich und kurbele das Fenster herunter, aber Jaser hat niemanden dort. Seine Familie klammert sich an das Wenige, was sie noch hat, denn darum geht es heute, sagt er. Sich an das klammern, was von Palästina bleibt, damit es nicht verschwindet. Damit man es nicht verschwinden lässt, weil wir die Türen offen gelassen haben. Das ist der Moment des Bleibens, der Moment der Rückkehr. Aber Sie sind hier, wie ich, werfe ich ein. Jemand muss ihnen Geld schicken!, entgegnet er in seinem dominikanischen Spanisch voller Arabesken. Ich sehe die großen Augen im Rückspiegel, den Kopf, der sich umwendet, als das Auto vor der roten Ampel hält, die Hand, die mir Mandelkekse reicht, die ihm seine Frau für den langen Tag auf der Straße backt. Also, fragt er und schluckt mühsam den süßen Brei herunter, wann fahren Sie in unser Land? Im März, sage ich, um irgendetwas zu sagen, und obwohl ich kein Geld für diese Reise habe, male ich mir langsam aus, dass es die Wahrheit ist.

Heimkehr ins Unbekannte

Подняться наверх