Читать книгу Tod in Chelsea - Lionel Davidson - Страница 11

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»Mann, muß das sein?« fragte Frank.

Er hob die Hand schützend gegen das Licht.

»Steh auf«, wiederholte Steve und wartete, bis Frank seiner Aufforderung nachgekommen war.

Frank tastete nach seiner Brille und setzte sie auf. Dann hievte er seine lange, hagere Gestalt aus dem Bett. Er trug nur ein Hemd und sah schrecklich aus.

»O Gott«, stöhnte er. Er mußte sich am Bettrahmen festhalten.

Steve half ihm nicht. »Nimm eine kalte Dusche«, riet er.

»Sei nicht so verdammt brutal, Mann.«

»Dann wasch dich wenigstens. Ich koche Kaffee.«

Damit verschwand Steve in der Küche. Kurz darauf tauchte Frank im Bademantel auf.

»Alles fertig«, sagte Steve.

Frank setzte sich unsicher und trank den heißen, schwarzen und starken Kaffee. Er war dreißig, sah aber aus wie sechzig. Steve beobachtete ihn aufmerksam.

»Wie fühlst du dich?« erkundigte er sich.

»Taufrisch.«

»Willst du reden?«

Frank machte mit seinem pelzigen Mund ein schmatzendes Geräusch. »Will ich das? Keine Ahnung. Was gibt’s Neues draußen in der Welt?«

»Germaine beherrscht sämtliche Schlagzeilen und alle folgenden Seiten.«

»Hat sie’s also doch geschafft«, lautete Franks Kommentar. »Sie hat sich’s immer gewünscht.«

»Was hast du mit ihr gemacht?«

»Ich habe gar nichts gemacht. Schau mich nicht an wie der Staatsanwalt persönlich.«

»Es heißt, man hat sie erwürgt, Frank.«

»O Gott! Wirklich?«

»Jawohl.« Steve schenkte Kaffee nach. »Was ist passiert?«

Frank mußte die Frage offenbar erst einmal verdauen.

»Ich war in der King’s Road«, begann er schließlich wie benommen. »Auf dem Weg zu unserem Nacht-Dreh. Draußen vor dem »Gold Key« stand Germaine. Sie sagte, daß sie zum Fluß runter wolle.«

»Warum?«

»Woher soll ich das wissen?« erwiderte Frank gereizt.

»Aber du bist mit ihr gegangen.«

»Bin ich das?« sagte Frank. »Ja, ich glaube, ich bin es. Durch die ganzen beschissenen Straßen. World’s End. Ganz recht.«

»Frank, hattest du gefixt?« fragte Steve düster.

»Und wenn schon?«

»Na, gut. Was dann?«

»Dann waren wir unten. Haben die Lichter auf der anderen Seite gesehen. Die Scheinwerfer auf dem Set. Ich habe sie gefragt, ob sie nicht mitkommen und zuschauen will. Sie hat geantwortet, sie kann nicht.«

»Warum nicht?«

»Weiß ich nicht.«

»Und du bist weitergegangen?«

»Ja.«

»Wohin?«

Frank sah sich im Zimmer um. »Oh, Gott!« stöhnte er. »Hört das niemals auf?«

»Nachdem du dich von Germaine verabschiedet hattest, Frank«, drängte Steve geduldig. »Du bist doch irgendwohin gegangen. Du wolltest doch ursprünglich über die Brücke und zu den Lichtern auf der anderen Seite. Hast du’s getan?«

»Ich glaube, ich bin nach Hause gelaufen«, antwortete Frank gedehnt. »Heim ins Bett.«

»Und am nächsten Morgen bist du aufgestanden.«

»Klar doch. Ich hatte ’ne Vorlesung.«

»Ich glaube nicht, daß du die Vorlesung gehalten hast, Frank.«

»Nein. Warum hörst du nicht auf? Natürlich habe ich die bescheuerte Vorlesung nicht gehalten. Habe ich dir doch schon gesagt.«

Steve blinzelte.

»Und warum hast du sie nicht gehalten?« fragte er.

»Bist du senil, oder was? Der Junge im Bus hatte ein Radio. Habe ich dir längst erzählt. Und im Radio haben sie plötzlich Germaines Namen genannt und was von der Polizei gefaselt. Deshalb bin ich ausgestiegen und hab’ eine Zeitung gekauft. Die Frühausgabe. Besteht zu 90 Prozent aus Sportberichten. Aber in der Spalte für die Meldungen, die nach Redaktionsschluß reinkommen, hieß es, sie sei ertrunken. Ich war völlig durchgedreht. Muß ziemlich komisch ausgesehen haben.«

»Stimmt.« bemerkte Steve. »Frank, du hast verdammt lange gebraucht, um herzukommen und mir das zu erzählen.«

Frank sah ihn kurz an.

»Du glaubst doch nicht, daß ich sie umgebracht habe?«

»Weißt du, ob du’s warst, Frank?«

Frank starrte ihn an.

»Also, ich gehe jetzt nach Hause! Bist du übergeschnappt?« schnaubte er.

»Frank, du bist seit zwei Tagen hier. Ist dir das eigentlich klar? Die Polizei sucht dich.«

»So, tatsächlich?« Eine glatte dunkle Haarsträhne berührte das Brillengestell. Die Augen hinter den dicken Gläsern waren zusammengekniffen. »Steve, du denkst doch nicht wirklich ...«

»Ich weiß selbst nicht, was ich denken soll«, unterbrach Steve ihn. »Was ich weiß, ist, daß du eine bessere Story brauchst. Wir müssen noch einmal alles genau rekonstruieren, damit wir wissen, woran du dich erinnerst.«

Frank zog den Morgenmantel enger zu.

»Hast du was Alkoholisches?« fragte er.

»Nein, habe ich nicht.« Steve hatte es bereits gerochen. Er hatte eine angebrochene Flasche Scotch im Zimmer gehabt. Sie war leer. »Rauch eine Zigarette«, riet er ihm und zündete zwei Zigaretten an. »Also los. Beschissene Straßen, der Fluß und ihr habt dagesessen und die Lichter beobachtet. Stimmt’s?«

»Fast«, murmelte Frank. »Eigentlich haben wir an einer Mauer gelehnt.«

»An der Werft.«

»An welcher Werft? Wir waren direkt am Ufer.«

»Diese sogenannten beschissenen Straßen führen zu den Werften«, beharrte Steve. »Um zum Ufer zu kommen, muß man abbiegen.«

»Sind wir vielleicht?« murmelte Frank.

»Kannst du dich nicht erinnern?«

Frank dachte nach. »Ich erinnere mich an eine Straße«, sagte er. »Ziemlich scheußlich. Ziemlich lang. Furchtbar.«

»Mit einem E-Werk? Lots Road?«

»Richtig.« Frank blinzelte. »Lots Road. Das war’s. Schlau von dir, Steve.«

»Frank, nimm’s nicht übel. Aber Germaine hatte dir ein paar Gefallen getan, stimmt’s? Hast du an diesem Abend vielleicht – war dir nach etwas Bestimmtem? Trink ’nen Schluck Gin, wenn du willst.«

Er stand auf und schenkte Frank ein.

Frank kippte den Gin. »Nein, war mir nicht«, erwiderte er nachdenklich. »Mir war hundeelend. In der Bude war’s eiskalt. Mir war kalt. Ich war auf gar nichts aus.«

Steve ließ die Stille wirken.

»An welcher Mauer hast du gelehnt?« wollte er schließlich wissen.

»An der Kaimauer. Fantastische Aussicht. Nocturne von Whistler.«

»Und du hast nur eine Weile die Aussicht genossen und sie dann allein gelassen?«

»Ja. Warte mal! Sie war längst gegangen.«

»Wohin?«

»Den Weg zurück, den wir gekommen waren. Glaube ich jedenfalls. Ich weiß es nicht genau. Ich –, mir war kalt, Steve. Es war schrecklich.«

Steve dachte einen Moment nach. »Frank, ich glaube nicht, daß du am Ufer gewesen bist. Du bist vielmehr die Lots Road zu den Werften hinuntergegangen. Die Mauer, an der du gelehnt hast, war an einer Werft. Von dort hast du die Lichter beobachtet.«

»Meinst du wirklich, Steve?« entgegnete Frank unsicher.

»Ja. Streng dich an, dann wirst du dich erinnern.«

»Werften«, murmelte Frank. »Haben Atmosphäre, findest du nicht?«

»Und wie. Nocturne-isch. Lichter über dem Wasser.«

»Ja. Es war ziemlich viel Verkehr, Steve«, sagte Frank unglücklich.

»Wo?«

»Auf der Straße hinter uns. Ich glaube nicht, daß es eine Werft war. Aber, wir könnten eine erfinden.«

»Was den Verkehr betrifft ... bist du da sicher?«

»Vollkommen. Auch daß es keine Werft war, Steve.«

»Dem Himmel sei Dank«, seufzte Steve.

»Wieso das denn?«

»Germaine wurde auf einer Werft umgebracht. Die Polizei vermutet: auf der Cremorne Werft. Die Stricke, mit denen man sie gefesselt hatte, stammen von dort. Und die Cremorne Werft liegt von dem Ort, den du mir beschrieben hast, am weitesten entfernt. Ich glaube also nicht, daß du der Täter bist, Frank.«

»Heißen Dank«, schnaubte Frank und musterte Steve mißbilligend.

»Wir müssen sichergehen. Noch bist du nicht aus dem Schneider, Frank.«

»Ich brauche jetzt noch einen Drink«, sagte Frank.

»Brauchst du nicht. Wie bist du nach Hause gekommen?«

»Hab mir ’n Taxi genommen. Gegenüber Ecke Beaufort Street.«

»Meinst du, der Fahrer erinnert sich an dich?«

»Woher soll ich das wissen?«

»Hat dich jemand aus eurem Haus heimkommen gesehen?«

»Ob mich jemand gesehen hat? Keine Ahnung. Doch, warte! Die alte Schachtel im Parterre war auf dem Klo. Sie hatte vergessen, die Tür abzuschließen. Ich wollte rein. Sie saß auf dem Thron und wäre mir fast ins Gesicht gesprungen.«

»Na, wunderbar. Das war’s wert, Frank.«

»Was wert?«

»Riskant bleibt es trotzdem. Noch haben sie niemanden verhaftet. Am besten, du stellst dich gleich morgen früh der Polizei.«

»Was quatschst du da? Bist du übergeschnappt?« Frank stand die Angst ins Gesicht geschrieben.

»Hier kannst du nicht bleiben. Du hast dich weder in der Akademie, noch in der Sprachenschule oder in der Bibliothek blicken lassen. Zu Hause warst du auch nicht. Warum bist du übrigens nicht dort geblieben? Was soll das heißen, deine Bude ist eiskalt?«

»Die Heizung ist abgeschaltet. Die alte Schachtel hat veranlaßt, daß der Boiler ausgetauscht wird. Sie hat Angst, daß er explodiert«, sagte Frank grimmig.

»Ausgezeichnet, Frank. Du hattest also nicht gefixt. Du hattest eine Erkältung. Dir ging’s richtig dreckig. Das hast du Germaine unten am Fluß gesagt. Und Germaine hat dir geraten, nach Hause zu gehen. Deshalb hast du dir ein Taxi geschnappt – von der Polizei jederzeit nachprüfbar – und bist nach Hause gefahren. Dort überraschst du die alte Schachtel auf dem Klo. Am darauffolgenden Morgen ist dir elend. Du fragst mich, ob du in meiner hübschen warmen Wohnung bleiben kannst. Ich bringe dich selbstverständlich zu mir und verfrachte dich ins Bett. Du hast furchtbar ausgesehen. Erst heute abend ging’s dir besser. Als ich dir erzählt hatte, was passiert ist, war dein erster Gedanke, zur Polizei zu gehen und alles zu sagen, was du weißt. Danach kann dir keiner was«, schloß Steve.

Frank warf selbst gleich alles wieder über den Haufen.

»Was redest du da? Auf so’ne blöde Idee wäre ich nie gekommen. Weshalb sollte ich mich freiwillig stellen? Du kennst doch die Polizei.«

»Das ist doch kein Schuldeingeständnis. Im Gegenteil. Danach streichen sie dich von der Liste. Am besten meldet ihr euch gleich morgen zu dritt bei den Bullen: du, der Taxifahrer und die alte Schachtel aus dem Klo.«

»Ist ja großartig. Garantiert durchschlagende Wirkung. Was, wenn der Schuß nach hinten losgeht und sie sich nicht erinnern?«

»Das ist ein Risiko«, gab Steve zu.

Tod in Chelsea

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