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»Was ist mit dir? Lauter!« befahl Georges auf französisch.

Leck mich doch, dachte Artie und bellte trotzdem los: »Encore une Bouteille de St. Julien ›70‹.« Die Ober waren angehalten, die Weinbestellungen schreiend aufzugeben, um die echte französische Geräuschkulisse zu schaffen. Dabei war bereits der Teufel los. Seit seiner hastig hinuntergeschlungenen Mahlzeit hatte er sich die Hacken abgelaufen.

Sie aßen stets gemeinsam: Georges, der Patron, die beiden anderen Ober, der Küchenchef, sein Assistent und der Tellerwäscher. Seit dem Augenblick, da er den letzten Schluck Kaffee getrunken hatte, war er ununterbrochen auf den Beinen gewesen.

Die Treppe hinunter in die Vorratsräume, zur Bar, in die Küche, in das große Speisezimmer und die beiden Nebenräume. Er hatte Vorspeisengedecke aufgelegt, Brot geschnitten, Cracker, Käse, Butterschälchen, Zucker, Essig und Öl und Senf bereitgestellt.

Dann waren die ersten Gäste eingetroffen. Kerzen waren angezündet worden, noch bevor er die Obstschalen hatte zusammenstellen können.

Seitdem keine einzige ruhige Minute mehr.

Es war ein kleines, gutes Restaurant; ländliche französische Küche.

Der Schwarze mit dem Afrolook und dem fließenden Französisch war eine Attraktion. Jedenfalls war Artie der einzige im Lokal, der ein fehlerfreies Englisch sprach.

Aber das störte ihn nicht. Für die Abende, an denen er arbeitete war die Bezahlung ordentlich. Wenn er wollte, konnte er dort essen. Der Job war in vieler Hinsicht sehr bequem. An diesem Abend allerdings zersprang er fast vor Wut.

»Bonsoir Madame, M’sieur. Etes-vous prêtes à commander?«

»Ich glaube, wir gönnen uns ein Steak. Es sei denn, Sie könnten uns etwas empfehlen ...«

Engländer.

»Also unsere Canard à la Rouennaise ist ein Traum. Der Küchenchef hat sich heute übertroffen.«

»Tja, in diesem Fall ...«

»Le St. Julien ›70‹!« bellte Serge durch das Lokal und kam eilig auf Artie zu.

»Pour la table de quatre, là-bas!« dirigierte Artie. Das Lokal hatte keinen speziellen Weinkellner. Normalerweise machte Georges das. Wenn Georges sich gelegentlich zum Plaudern zu Stammgästen an den Tisch setzte, wie eben geschehen, übernahm Serge diese Pflicht. Auf diese Weise blieb die besondere Atmosphäre erhalten. Die Ober eilten geschäftig zwischen den Tischen hindurch, gaben laut ihre Bestellungen auf, und Georges verbreitete geniale Gelassenheit.

Artie hörte wie von fern die Worte, die er artikulierte und war in seine eigenen, düsteren Gedanken vertieft.

Steve verheimlichte ihm etwas. Etwas Wichtiges, wovon er keine Ahnung gehabt hatte, wurde ihm vorenthalten. Es fiel ihm schwer, sich nichts anmerken zu lassen.

Artie schrieb Bestellungen auf, sammelte die Speisekarten ein und eilte in die Küche, wo Albert, hager und in Metzgerschürze umherhinkte und schweigend und konzentriert mit seinem Hackmesser arbeitete. In der kleinen Küche herrschte eiserne Disziplin. Alberts Gehilfe bereitete schnell und geschickt Soßen und Desserts zu. Der Tellerspüler wusch Geschirr.

Artie gab die Bestellung auf, nahm zwei Teller mit »purées de marrons Mont Blanc«, die Alberts Gehilfe für ihn angerichtet hatte und servierte sie.

»Ensuite, servez-vous, s’il vous plaît, du café.«

»Oui, monsieur.« Und mit einem einfachen Cognac. Artie kannte das Paar. Es bedeutete zusätzlich einen Gang zur Bar, um eine neue Flasche Cognac zu holen.

»Un cognac pour moi ... et pour toi aussi, chérie?«

»Non, seulement du café. M’m, merveilleuse cette Crème Chantilly!«

»Danke, Madame. Ich wußte, sie würde Ihnen zusagen«, erwiderte Artie auf englisch. Dieser schnelle Wechsel von einer Sprache in die andere war bei den Gästen beliebt. Der große Schwarze beherrschte eben zwei Sprachen fließend. Sie machten sogar Witze darüber.

Auf dem Weg zur Bar sortierte er die Bons für den Kaffee aus. Nachdem er die Treppe wieder hinaufgegangen war, stellte er die Flasche Cognac auf das Sideboard und ging in die Küche. Er wollte nachsehen, wie weit die Ente war.

Alberts Gehilfe goß gerade Soße über eine reich garnierte, gefüllte Ente. Artie wartete, nahm die Platte, wich Marc geschickt aus und ging ins Speisezimmer hinüber.

So lief es den ganzen Abend. Artie hing weiter seinen düsteren Gedanken nach. Mittlerweile hatte er sich unter Kontrolle. Es gab ein Projekt, und in das steckte er alles. Vierundzwanzig Stunden täglich. Sein ganzes Leben hatte er in ihr gemeinsames Konzept investiert. Hatte zuviel geopfert ... seine Ambitionen als Regisseur, seine Gedichte, um jetzt alles auffliegen zu lassen. Mehr als bisher konnte er nicht tun. Er hatte keine Heimlichkeiten.

Steve verbarg etwas vor ihm. Artie fühlte sich hintergangen.

Gegen ein Uhr, und noch immer auf den Beinen, schwirrte sein Kopf vor Zigarrenqualm, Gelächter und Essensdüften.

Die späten Gäste hielten ihn auf Trab. Er servierte Kaffee um Kaffee, einen Cognac oder Likör nach dem anderen. Dann machte Albert ihm ein Zeichen in Richtung Kellertreppe. Artie folgte ihm in die Bar hinunter.

Der Küchenchef hatte die Schürze abgenommen und trug nur noch sein schäbiges graues Jackett über der Hose. Albert hatte die Liste mit den Lebensmittelbestellungen in der Hand. Jede Nacht sprachen sie die Bestellungen auf die Anrufbeantworter der Lieferanten. Artie übertrug diese Liste ins Englische: Geflügel und Fleisch; Fisch, Milchprodukte, Wurstwaren, Brot und Gebäck, Früchte und Gemüse.

»Relis-le-moi en français«, forderte Albert, als Artie fertig war.

Artie las ihm alles noch einmal vor.

»C’est ça. In Ordnung.« Albert goß sich einen Cognac an der Bar ein, während Artie telefonierte. Wie immer redete Albert dazwischen.

»Sag ihm, daß seine Broccoli beschissen waren.«

»In Ordnung«, seufzte Artie.

»Wenn das für ihn Broccoli waren, dann kann er mir gleich Kohl schicken.«

Artie sprach die Sache mit dem Broccoli auf Band. Albert ging, ohne sich zu verabschieden.

Das Taxi für die Angestellten kam um halb zwei Uhr morgens. Der Fahrer wartete, bis sich das Lokal geleert hatte, und sie aufgeräumt hatten.

Das alles stand Artie mit dem nagenden Gefühl durch, hintergangen zu werden.

In Ordnung, dachte er. Er wollte nicht alles kaputtmachen, nur weil irgendwo etwas faul war. Er würde weitermachen, mit oder ohne Hilfe des verrückten Arabers; mit oder ohne Steve. Wie alles andere mußte auch Steve nur Mittel zum Zweck sein.

»Okay, merci les gars, bonne nuit«, sagte Georges.

»Bonne nuit«, antworteten sie.

»A demain.«

»A demain.«

Morgen war Freitag, ein Arbeitstag. Artie arbeitete auch samstags im Restaurant. Nur der Sonntag gehörte ihm allein.

Tod in Chelsea

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