Читать книгу Fettnäpfchenführer Spanien - Lisa Graf-Riemann - Страница 10
TOM SPRICHT KEIN SPANISCH. WOZU AUCH?
ОглавлениеODER: »IST HIER NOCH FREI?«
Mit Englisch kommt man auf der ganzen Welt gut zurecht. Das haben die Spanier bestimmt auch schon gemerkt, denkt Tom. Er hat sich vor ein paar Wochen einen Spanischkurs als MP3 heruntergeladen und kurz reingehört. Und dann gedacht, dass das sowieso nicht nötig sein wird. Er ist Programmierer und die Computerleute verständigen sich überall auf Englisch. Problemlos. Das wird in Madrid nicht anders sein, wo er in einer Woche seinen neuen Job bei einer Softwarefirma antreten wird.
Im Augenblick bummelt er durch Nerja, einen Küstenort in der Nähe von Málaga, wo er noch eine Woche Urlaub macht. Madrid ist so weit weg vom Meer, und so schnell wird er an seiner neuen Stelle auch keinen Urlaub bekommen.
Gestern Abend hat er Lena kennengelernt, eine sympathische Frankfurterin, die schon etwas Spanisch spricht und ihm an der Hotelrezeption geholfen hat, als sich herausstellte, dass seine Reservierung per Internet nirgendwo auffindbar war. Lena ist nett und sie haben sich für nachmittags in einem Café verabredet.
Ah, da ist sie ja! Mist! Alle Tische in dem Straßencafé sind belegt. Drinnen sitzt kein Mensch, ist ja auch viel zu heiß und stickig.
»Na, dann suchen wir uns eben ein anderes Café«, schlägt Lena vor. »Quatsch«, meint Tom. »Ich bin jetzt schon genug in der Hitze herumgelaufen. Schau, da vorne am Tisch sind doch noch zwei Stühle frei, wir setzen uns einfach mit dazu. Du kannst doch Spanisch. Du fragst einfach nett, ob da noch frei ist, und schon haben wir unseren Platz.« »Meinst du wirklich? Ich weiß nicht, ob das so eine tolle Idee ist.« Aber Tom sagt, sie solle sich nicht so anstellen. »Das weiß man doch, dass Spanier kommunikative Menschen sind. Gastfreundlich und immer zu einem Schwätzchen aufgelegt.« Tom sieht Lena an, dass er sie nicht überzeugt hat. »Was heißt denn frei?«, will er wissen. Und als Lena libre sagt, beschließt er, ihr zu zeigen, wie man das macht. Dass Frauen immer so kompliziert sein müssen!
Mit dem charmantesten Lächeln, zu dem er imstande ist, fragt er das einheimische Paar am Tisch etwas, was wie ¿está libre? klingt. Die beiden sehen Tom und Lena betreten an. Haben sie nicht verstanden, was Tom von ihnen will? Doch, sie haben verstanden und zeigen auf die beiden freien Stühle, allerdings eher verlegen als richtig begeistert. Tom scheint es nicht zu bemerken und setzt sich mit einem lauten thank you, äh gracias.
Keine Getränkekarte auf dem Tisch. Tom hat Durst und springt rasch zum Nebentisch, schnappt sich, wieder freundlich lächelnd und sich mit excuse me entschuldigend, die dort vorhandene Karte, um sie gleich an Lena weiterzureichen. Lena sagt, sie wisse schon, was sie nehme, nämlich zuerst einmal einen Kaffee. Tom schließt sich an, und als der Kellner kommt, bestellt Lena dos cafés. Das Paar an ihrem Tisch, das aufgehört hat, sich zu unterhalten, seit Tom und Lena mit am Tisch sitzen, gibt dem Kellner ein Zeichen. Nanu, wollen die etwa schon gehen? Der Mann hat doch sein Glas Bier noch gar nicht ausgetrunken und die merkwürdige aufgeschäumte Milch, die seine hübsche Freundin trinkt, ist auch noch halb voll.
Als der Kellner ihren Kaffee bringt, ist Tom enttäuscht. Er hat Kaffee bestellt, aber nur einen Espresso bekommen, klein, stark und bitter, von der Menge her nicht mehr als ein Fingerhut voll. Er studiert noch einmal die Karte. Währenddessen bezahlt das Paar nebenan, lässt die halb vollen Gläser stehen und verabschiedet sich mit einem unterkühlten Nicken. Und das sind nun die kontaktfreudigen Spanier? Die beiden sahen eher aus, als seien sie auf der Flucht. Na, vielleicht hatten sie Streit.
»Was heißt denn hielo?«, fragt Tom Lena. Sie meint: »Eis«. Also bestellt Tom sich einen café con hielo. Er braucht einfach mehr Flüssigkeit und auch mehr Kalorien. Langsam bekommt er Hunger. Er hatte mittags nur ein Sandwich. Tom traut seinen Augen nicht, als der Kellner den »Eiskaffee« bringt: ein Glas, höchstens zu einem Drittel gefüllt mit schwarzem Espresso, Zucker und dazu ein Extraglas, in dem sich aber kein Vanilleeis, keine Sahne, nur Eiswürfel befinden. Lena sieht, wie dem Sonnyboy Tom das Lächeln gefriert. Da fällt ihr ein, dass sie da etwas verwechselt hat, nämlich hielo [jelo], gefrorenes Wasser, und helado [elado], Speiseeis. »Sieht aber sehr erfrischend aus, dein eisgekühlter Kaffee!«, versucht Lena Tom aufzumuntern. »Ist doch eigentlich genau das Richtige bei dieser Hitze, oder?«
Ein bisschen frustriert und mit kaltem, saurem Magen bezahlt Tom, und die beiden flanieren über die Strandpromenade. Ein kleiner Spaziergang vor dem Abendessen, mit knurrendem Magen. Es ist angenehm warm, vom Meer her weht eine leichte Brise. Lena stößt Tom ihren Ellenbogen in die Seite. Ein Déjà-vu-Erlebnis! Sind das nicht die beiden, die vorher im Café bei ihnen am Tisch saßen? Der Mann trinkt Bier und die Frau ein Glas Milch, genau wie zuvor. (Was wie Milch aussieht, ist ein erfrischendes, rein pflanzliches Sommergetränk und heißt horchata [ortschata]. Das ist der Extrakt der Knolle einer Riedgraspflanze, die Erdmandel (chufa [tschufa]) heißt und wie eine schrumpelige Mandel aussieht. Der Geschmack lässt sich nicht beschreiben. Die horchata muss man einfach probiert haben. Aber am besten frisch zubereitet und gut gekühlt. Pasteurisierte horchata aus dem Supermarkt schmeckt nicht.)
Hm, ziemlich unhöflich, diese Spanier, denkt Tom. Wollten die etwa nicht mit uns zusammen am Tisch sitzen? Lena sieht seine krause Stirn und zieht ihn rasch weiter. »Schau, dort gibt es helado, wie du es von zu Hause kennst: vainilla [bainija], chocolate [tschokolate], was du willst. Una bola = 1 euro. Komm, ich lade dich ein!«
KLEINE KAFFEEKUNDE
Wenn Sie in Spanien café bestellen, bekommen Sie einen Espresso serviert. Er heißt auch café solo, weil er schwarz, ohne Milch, serviert wird. Ein cortado [kortado] ist ein Espresso, der mit einem Schuss Milch »verschnitten« wird. Café con leche [kafe kon letsche] ist Milchkaffee, zubereitet aus Espresso mit viel Milch. Er wird im Glas oder in einer großen Tasse serviert.
Die süße Variante des cortado ist der café bombón [kafe bombon], die spanische »Kaffee-Praline«. Er ist unten weiß und oben schwarz: Unten im Glas befindet sich gesüßte Kondensmilch, oben ein Espresso. Beide Schichten werden mit dem Löffel vermischt. Diese Variante gibt es vor allem in Andalusien.
Die Kanaren setzen mit ihrem café cortado leche y leche noch eins drauf. Er besteht aus Espresso, heißer normaler Milch plus gesüßter Kondensmilch.
Die eisigen Kaffees: Beim café con hielo wird heißer Espresso gezuckert und dann in ein separat gereichtes Glas mit Eiswürfeln gekippt. Der granizado de café ist Kaffee mit gecrashtem (Wasser-)Eis, beim café del tiempo in Valencia kommt noch Zitrone mit ins Glas. Eiskaffee mit Speiseeis (café con helado), wie wir ihn kennen, gibt es in Spanien eigentlich nur in Touristenorten.
Der berühmte carajillo [karachijo] ist ein Espresso mit einem Schuss Brandy, Rum, Whiskey oder Anislikör. Der Alkohol wird dabei manchmal flambiert und der Espresso direkt in die brennende Tasse gebrüht. In Spanien wird er von seinen Fans zu jeder Tageszeit getrunken, sogar zum Frühstück.
Möchten Sie Filterkaffee, dann verlangen Sie café americano oder café filtrado. Entkoffeiniert heißt descafeinado [deskafe_inado].
Was ist da schiefgelaufen?
Dass ein café con hielo kein Eiskaffee, wie wir ihn aus der Eisdiele kennen, ist, das weiß Tom nun. Damit ist er schon um eine Erfahrung reicher. Das dicke Fettnäpfchen, in das er an seinem ersten Tag in Spanien getreten ist, war, dass er sich zu Unbekannten an einen Tisch gesetzt hat. Für die sehr deutsche Frage »Ist hier noch frei?« brauchen Sie gar keine spanische Übersetzung zu lernen. Denn Sie sollten es einfach nicht tun. In Spanien setzt man sich nicht zu Leuten, die man nicht kennt, an einen Tisch. Das gehört sich nicht. Warum? Weil man die Privatsphäre der Menschen, in unserem Beispiel die des Paars am Cafétisch, nicht stören will. Sie wollen sich unterhalten und dabei für sich sein. Sie wollen nicht von anderen am Tisch beobachtet oder belauscht werden.
Und wieso sagen sie nicht einfach Nein, wenn so ein deutscher Tourist fragt, ob er sich dazusetzen darf? Dazu sind Spanier viel zu höflich. Einfach Nein zu sagen, den anderen mit seinem Wunsch oder Begehren ins Leere laufen zu lassen, das gehört sich nicht. Und Fremden gegenüber schon dreimal nicht. Spaniern kommt ein direktes no nur in den seltensten Fällen über die Lippen. Das gilt für das Privatleben ebenso wie für das Berufsleben. Dort ist man sogar besonders vorsichtig damit.
Was können Sie besser machen?
Auch wenn an einem Tisch nur zwei Personen sitzen, widerstehen Sie! Warten Sie zum Beispiel an der Bar eines Lokals, bis ein Tisch frei wird, oder gehen Sie eben in das nächste Café oder Restaurant in der Straße. Wo eines ist, gibt es meist auch noch andere, und irgendwo wird auch ein Tisch frei sein.
Was allenfalls möglich ist, ist, sich einen freien Stuhl auszuleihen, wenn man Freunde im Lokal trifft und die Stühle am Tisch nicht ausreichen. Dann können Sie höflich fragen, ob Sie einen Stuhl nehmen dürfen: ¿Puedo coger la silla? [puedo kocher la sija]
Respektieren Sie die Privatsphäre der anderen, kommen Sie ihnen nicht unaufgefordert allzu nahe. Natürlich dürfen Sie sich mit an einen Tisch setzen, wenn Sie ausdrücklich dazu aufgefordert werden. Aber gehen Sie nicht zu forsch vor, warten Sie zunächst einmal ab, wie offen oder reserviert man Ihnen begegnet, und passen Sie sich einfach an.
EIN PAAR KNIFFE FÜR DIE RICHTIGE AUSSPRACHE DES SPANISCHEN
b | wird wie b gesprochen: Barcelona [barthelona]*, in der Wortmitte wie w: Roberto [rowerto] |
c | vor a, o, u wie k: Carmen [karmen], vor e, i wie englisches »th« in thing: cinco [thinko] (fünf) |
ch | wie tsch: coche [kotsche] (Auto) |
d | ist am Wortende schwach, wie »th«: Madrid [madrith] |
e | immer offen, wie e in Ecke: España |
g | vor a, o, u wie g: Málaga, vor e, i wie ch in Dach: Gibraltar [chibraltar] |
h | ist immer stumm: hola [ola] (hallo) |
j | wie ch in doch: Rioja [riocha] |
ll | wie j in Joghurt: Mallorca [majorka] |
ñ | wie nj: España [espanja] |
o | immer offen wie in Koffer: sol [sol] (Sonne) |
q | wie k: quiosco [kiosko] (Kiosk) |
r | wird immer gerollt; am Wortanfang oder bei rr stärker: perro [perro] (Hund), sonst schwächer: pero [pero] (aber) |
s | immer wie scharfes s: casa [kaßa] (Haus) |
v | wie b: Valencia [balenthia], in der Wortmitte wie w: Javier [chawier] (Xaver) |
z | wie englisches »th« in thing: Zaragoza [tharagotha] |
Doppellaute immer getrennt sprechen: a_eropu_erto Flughafen, ve_inte zwanzig, E_uropa, di_ez zehn
* Die meisten spanischen Wörter enden auf -o oder -a und werden auf der vorletzten Silbe betont. Wir zeigen die Betonung in der Lautschrift gefettet an. Das »th« ist der Lispellaut, den Sie aus dem Englischen kennen (thin, thick, gothic usw.). Es handelt sich um diesen für das europäische Spanisch charakteristischen Lispellaut, bei dem die Zunge innen gegen die Schneidezähne stößt, zum Beispiel in Barcelona [barthelona]. In Andalusien, auf den Kanaren und in ganz Südamerika wird nicht gelispelt. Das »th« wird durch ein scharfes s ersetzt [barßelona].