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LA CUENTA, POR FAVOR

ODER: WIE GEHT DAS NUN MIT DEM BEZAHLEN?

Wir haben gesehen, dass für Tom nach dem Drei-Gänge-Menü im Restaurante Casa Pepe nun die Welt wieder in Ordnung ist. Die zweite Karaffe Rotwein (vino tinto) ist geleert, der hausgemachte Karamellpudding (flan casero) ist gelöffelt. »¿Café?«, ruft ihm der mittlerweile ausnehmend nette und sympathische Kellner im Vorübergehen zu. Natürlich, jetzt ein Espresso als krönender Abschluss. Lena möchte um diese Uhrzeit keinen Kaffee mehr, sonst kann sie nachts nicht schlafen. Aber wer denkt denn jetzt schon ans Schlafengehen? Ach so, es ist schon 23 Uhr vorbei. Das hat Tom gar nicht gemerkt. Das Lokal ist immer noch voll, manche Gäste sind noch mit dem Hauptgang beschäftigt, sogar Kinder sitzen noch mit am Tisch und schlürfen Limonade oder bekommen von den Kellnern Lollis geschenkt. Ältere Kinder sitzen mit ihren Gameboys am Tisch und tippen völlig versunken darauf herum. Zwei Schulkinder spielen hinten bei den Toiletten Fangen, es ist ein ziemliches Remmidemmi, aber keiner scheint sich daran zu stören. »Ganz schön laut, das Jungvolk«, bemerkt Tom. »Aber die dürfen hier wohl alles.«

»In Spanien sind Sommerferien, du Miesepeter. Die Kinder müssen morgens nicht aufstehen und zur Schule gehen«, weiß Lena. »Weißt du eigentlich, dass ein Spanier, pardon, ein Katalane, den Lolli erfunden hat?« Nein, das weiß Tom nicht. »Es war 1958, als Eric Bernat ein Bonbon am Stiel erfunden hat. Er nannte es Chupa Chups [tschupa tschups] und hat bis 2005 jährlich Milliarden von Lollis in die ganze Welt verkauft. Dann hat er die Firma verkauft. Und weißt du, wer das Chupa-Chups-Logo entworfen hat? Der katalanische Maler Salvador Dalí, der mit dem gezwirbelten Schnurrbart und den brennenden Giraffen.«

SALVADOR DALÍ

Salvador Felipe Jacinto Dalí i Domènech (1904–1989) war Katalane, Exzentriker, surrealistischer Maler und als Künstler regelrecht eine – nicht unumstrittene – Marke. Er zwirbelte seinen Schnurrbart und hielt sich einen zahmen Ozelot als Haustier.

Mit seiner Frau Gala, die zugleich seine Muse war und für viele Gemälde Modell stand, lebte er in einem Haus in der Bucht von Portlligat in Katalonien und auf Schloss Púbol, das er mit Kitsch und Kunst ausstattete. 1982 wurde ihm vom spanischen König eine Ehrung zuteil, die zum Exzentriker Dalí passte: Er verlieh ihm den (Fantasie-) Titel eines »Marquis von Púbol«.

Bekannt wurde der Maler Dalí für seine surrealistischen Bilder mit zerrinnenden Uhren, brennenden Giraffen und anderen alptraumhaften Visionen. Dass Dalí die Fähigkeit und technische Meisterschaft besaß, wie die alten Meister zu malen, erkennt man in Bildern wie der »Madonna von Portlligat« (die das Gesicht seiner Frau Gala hat) oder dem »Bahnhof von Perpignan«.

Den spanischen Bürgerkrieg und die ersten Jahre der Franco-Diktatur verbrachte Dalí in den USA. Seine Haltung zum Faschismus und zur Diktatur war nicht ganz eindeutig. Kritiker bezeichneten ihn als »Francos Hofnarren«.

Salvador Dalí hat auf jeden Fall sehr viel Geld mit seiner Kunst verdient. Und er ist einer der wenigen, wenn nicht der einzige Maler, der sich zu Lebzeiten bereits sein eigenes Museum in seiner Geburtsstadt Figueres einrichtete: das Teatre-Museu Dalí. Figueres liegt wenige Kilometer hinter der französischen Grenze, direkt an der Autopista del Mediterráneo. Wenn Sie dort, z. B. auf dem Weg nach Barcelona, vorbeikommen, sollten Sie es sich unbedingt ansehen.

»Ach den meinst du«, sagt Tom, »den kenne ich! Was du übrigens alles weißt! Sag mal, hast du jetzt eigentlich auch eine Ahnung, wie das mit dem Bezahlen geht? Oder bist du in deinem schlauen Buch noch nicht soweit?«

Lena schüttelt den Kopf. »Ich weiß nur, dass zahlen pagar heißt.« Tom findet das wunderbar. Und als der Kellner seinen Espresso bringt, sagt er prompt: »Pagar.«

»¿La cuenta?« Der Mann versteht offenbar, worauf Tom hinaus will.

»Sí, sí, la cuenta, por favor.« Lena erinnert sich plötzlich, dass sie das doch schon mal irgendwo gehört oder gelesen hat, wahrscheinlich in ihrem Spanisch-in-30-Tagen-Lehrbuch, kurz bevor sie den Katalanen Xavi im Flugzeug zum Verstummen brachte.

Ach so, die Rechnung, la cuenta, denkt Tom und leert sein Zuckertütchen in die Espressotasse. Der Kellner kommt zurück und stellt ein Tellerchen auf ihren Tisch. Tom denkt, er bekommt vielleicht einen Keks, ein Bonbon oder einen Lolli zum Kaffee. Aber nein, auf dem Teller liegt nur die Rechnung. Tom trinkt seinen Espresso aus und winkt den Kellner mit dem Tellerchen an den Tisch. Tom und Lena sitzen beide mit gezückter Brieftasche am Tisch, aber der Kellner hat seine Geldbörse anscheinend gar nicht mitgebracht, starrt den leeren Teller mit der Rechnung an, dann Lena, dann Tom. Doch dann scheint er zu begreifen: »¿Por separado?«, fragt er und die beiden können sehen, wie ihm der Schweiß auf der Stirn steht.

»Sí, sí, separado. Getrennt, genau!«, antwortet Tom. »Er hat’s geschnallt!«

Der Kellner hastet davon und ward für lange Zeit nicht mehr gesehen.

EIN KINDERFREUNDLICHES LAND

Ob Kinder wirklich alles dürfen, wie Tom bemerkt hatte, darf bezweifelt werden. Aber Spanien ist definitiv ein sehr kinderfreundliches Land. Und eines, das lange eine der niedrigsten Geburtenraten in Europa hatte. Nun steigt sie wieder leicht an nach einigen Jahren der Wirtschaftskrise, in deren Folge viele junge Spanier auf der Suche nach Arbeit ausgewandert und viele Immigrantinnen und Immigranten in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind, weil sie in Spanien arbeitslos geworden waren.

Was ist da schiefgelaufen?

Sie ahnen es bestimmt schon: In Spanien ist es absolut unüblich, getrennt zu bezahlen. Und das hat nichts mit Machismo zu tun. Es ist nicht so, dass der Mann immer seine Begleiterin einladen müsste. Genauso gut könnte Lena Tom einladen. Oder sie könnten zusammenlegen und den Rechnungsbetrag untereinander teilen, wenn sie unbedingt möchten. Aber damit wird in Spanien nicht der Kellner behelligt! Der möchte einfach die Rechnungssumme von wem auch immer beglichen haben, und sonst gar nichts. Und er möchte auf keinen Fall auflisten und zusammenrechnen müssen, wer was gegessen und getrunken hat. Auch nicht, wenn mehr als zwei Menschen am Tisch sitzen, die weder miteinander verwandt noch verschwägert sind. Eine Rechnung, eine Summe, die auf das Tellerchen gelegt wird. Der Kellner holt das Tellerchen ab und bringt das Wechselgeld. Das ist alles. Komplizierter sollte es nicht sein.

Nachdem der Kellner nicht mehr wiederkommt, fällt Tom schließlich doch die richtige Lösung ein. Er erinnert sich daran, was Großzügigkeit bedeutet, und dass er auch mal Gentleman sein könnte. Wenigstens im Urlaub. Er bricht den Rechenvorgang ab, der bei Lena schon in vollem Gang ist, nimmt ihr die Rechnung, deren Beträge sie gerade dabei ist aufzuteilen, aus der Hand, sagt gönnerhaft »du bist eingeladen« und kramt einen Schein aus der Geldbörse. Als hätte der Kellner diesen Sinneswandel aus dem Augenwinkel von der Theke aus beobachtet, kommt er auch gleich angeschossen und will Teller und Geldschein mitnehmen. Da sagt Tom: »Forty.« Der Kellner erstarrt. Was will dieser Gast nun schon wieder von ihm? Der Rechnungsbetrag lautet 37,50 Euro, der guiri legt einen 50-Euro-Schein hin und sagt 40? Was um Himmels Willen meint er?

Um die leidige Diskussion abzukürzen, nimmt der Kellner ihm den Fünfziger aus der Hand, legt ihn auf den Teller und verschwindet damit Richtung Tresen. Tom sieht ihm mit offenem Mund hinterher. Als er zurückkommt, liegt das komplette Wechselgeld auf dem Teller. »Ich habe doch gesagt 40«, wundert sich Tom. Er steckt zehn Euro ein, den Rest lässt er als Trinkgeld liegen. Dann warten Lena und er, bis der Kellner seinen Teller abholt, und Tom ruft ihm ein »it’s okay, for you« nach. Was den Kellner noch einmal zusammenzucken lässt.

»Was hat er denn schon wieder?«, wundert sich Tom und schüttelt den Kopf. Diese Spanier sind aber auch komisch!

Was können Sie besser machen?

Hätte Tom seinen Mund gehalten, dann wäre alles korrekt über die Bühne gegangen. Wo ist das Problem? Das Problem ist, dass man in Spanien beim Zahlen nicht über das Geld spricht. Man bittet um die Rechnung, sie wird auf einem Tellerchen gebracht, man legt das Geld darauf, der Kellner nimmt es mit, bringt das Wechselgeld, man lässt das Trinkgeld, das man geben möchte – etwa zehn Prozent, wie bei uns – darauf liegen und geht. Und das alles ganz OHNE WORTE.

Was steckt dahinter? Irgendwie widerspricht es der Berufsehre eines Kellners, sich über Geld allgemein und Trinkgeld im Besonderen zu unterhalten. Er ist für das Bestellen, das Bringen von Getränken und Speisen und die Zufriedenheit der Gäste zuständig. Aber er will nicht mit ihnen über Geld diskutieren.

Natürlich freut sich auch ein spanischer Kellner über Trinkgeld, ja, er erwartet es sogar. Aber er will nicht darüber reden (müssen). Damit wird auch ein gönnerhaftes »stimmt so« im Grunde nicht nur als überflüssig, sondern sogar als peinlich empfunden. Wenn Sie mit Kreditkarte bezahlen, dann legen Sie dem Kellner am besten beim Unterschreiben des Belegs das Trinkgeld mit dazu.

Ganz auf das Trinkgeld zu verzichten, ist ziemlich unhöflich, weil die Menschen in den Serviceberufen sehr schlecht verdienen und auf Trinkgeld angewiesen sind. Ausnahme: Sie waren mit dem Service völlig unzufrieden und haben z. B. das Essen reklamiert. Auch Zimmermädchen, Gepäckträger und Taxifahrer freuen sich über Trinkgeld. Beim Friseur ist es dagegen in Spanien ganz unüblich, Trinkgeld zu geben. Sie können natürlich eines geben, aber es wird nicht erwartet.

Noch ein Tipp: Wenn Sie in einer größeren Runde zum Beispiel Tapas essen gehen, dann wird der gesamte Rechnungsbetrag einfach intern durch die Anzahl der Anwesenden geteilt und jeder gibt seinen Teil. Sollten Sie dreimal so viel wie die anderen gegessen oder getrunken haben, so geben Sie eben dreimal so viel. Ansonsten: Seien Sie nicht zu pingelig. Sie würden sich sehr unbeliebt machen, wenn Sie anfingen, die Rechnung zu zerpflücken und Ihren eigenen Anteil mit dem Taschenrechner zu ermitteln, und sich weigerten, auch nur einen Cent mehr zu bezahlen. Werden Sie in einer Kneipe von Freunden, Bekannten oder Kollegen eingeladen, so achten Sie darauf, dass Sie im Gegenzug in der nächsten Kneipe die nächste Runde oder an einem anderen Tag die Rechnung übernehmen. Spanier sind meist wirklich sehr großzügig, man lädt Sie gern ein, gerade als Gast im eigenen Land. Aber es sollte für Sie selbstverständlich sein, dass Sie sich nicht nur aushalten lassen, sondern auch selbst die anderen einladen, um sich nicht den Ruf eines Schnorrers zu erwerben. Wenn Sie sich verbal gegen die üblichen »Heute bezahle ich«-«Nein, ich«-Spielchen Ihrer spanischen Freunde oder Kollegen nicht durchsetzen können, dann regeln Sie das direkt mit dem Kellner, an der Theke, ohne dass die anderen es mitbekommen und weiter protestieren können. So spielen Sie das Spiel mit und werden als vollwertiger Mitspieler anerkannt.

HOY PAGO YO – HEUTE ZAHLE ICH

Dieses Spiel ist ein regelrechtes Ritual in Gruppen, in der Regel ein Männerspiel. Wenn es ans Zahlen geht, fängt einer an und sagt: Hoy pago yo [oi pago jo] (Heute zahle ich). Ein anderer protestiert lautstark, das käme überhaupt nicht in Frage: ¡No, yo pago! (Nein, ich bezahle.) Dann drängelt sich ein Dritter vor: Chicos, yo pago la cuenta [tschikos jo pago la kuenta] (Leute, ich übernehme die Rechnung). Usw. usf.

Der Kellner drückt dann dem Hartnäckigsten irgendwann die Rechnung in die Hand. Er ist der »Sieger«. Was für die anderen, die »Verlierer«, heißt: Beim nächsten Mal ist einer von ihnen an der Reihe.

Fettnäpfchenführer Spanien

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