Читать книгу Neues Leben für Stephanie - Lisa Holtzheimer - Страница 13
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ОглавлениеStephanie hatte es eilig. Schnellen Schrittes lief sie um die Ecke und wäre fast mit einem Rollstuhl zusammengestoßen. In letzter Sekunde blieb sie stehen und starrte den Patienten an, der laut lachen musste. „So eine stürmische Begrüßung hätte ja gar nicht sein müssen“, meinte Michael und sah ihr offen ins Gesicht. Stephanie wurde knallrot, murmelte nur etwas von ‘schnell wegbringen’ und rannte weiter. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Was würde Monika denken, die Kollegin, die den Rollstuhl schob? Selten war ihr etwas so peinlich gewesen. Dabei hatte Michael Aschmann das bestimmt gar nicht so gemeint. Er schäkerte gerne mit den Schwestern herum, das war eigentlich gar nichts so Neues. Wahrscheinlich hatte er sich überhaupt nichts dabei gedacht, und Monika auch nicht. Hoffentlich hatte niemand ihren roten Kopf gesehen. Dass sie das nicht abstellen konnte! Bei jeder – meistens unpassenden – Gelegenheit wurde sie, die dunkelblonde, aber hellhäutige Norddeutsche, krebsrot. Mehr als einmal hatte sie sich darüber schon geärgert, aber es ließ sich nicht steuern.
Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass Michael offensichtlich zum ersten Mal überhaupt das Bett verlassen hatte, wenn auch im Rollstuhl. Das bedeutete auch Besserung. Sie freute sich für ihn. Dann ging es aufwärts, und ihr Problem würde sich vielleicht schneller erledigen, als sie angenommen hatte. Der Gedanke versetzte ihr einen Stich in die Herzgegend, aber auf der anderen Seite war es besser so. Lange würde sie sich sowieso nicht mehr um das Zimmer herumdrücken können, ohne dass es den Kolleginnen auffiel. Und spätestens jetzt wusste Herr Aschmann – ganz bewusst nannte sie ihn auch in Gedanken bei seinem Nachnamen – auch, dass sie auf Station war. Wenn sie auf einmal überhaupt nicht mehr sein Zimmer betrat, wäre dies vermutlich auffälliger, als wenn sie ganz normal ihren Dienst verrichten würde. Schließlich arbeitete sie hier, da war es nur normal, dass sie mehrmals am Tag in ein Patientenzimmer kam. Sie beschloss, sich so normal wie möglich zu verhalten, um keine Gerüchte aufkommen zu lassen. Wenn das nur so leicht getan wie gedacht wäre.
Heute war ihr Dienst bald vorbei, noch zwei Stunden, dann konnte sie gehen. Morgen würde sie Spätdienst haben, und am Tag darauf hatte sie es doch noch so drehen können, dass sie 2 Stunden früher gehen durfte. Die Spätschicht kam dann schon, und Jana musste zum Flughafen gebracht werden. Der Gedanke holte sie wieder in die Wirklichkeit zurück. Die Zeit mit der Freundin war schon vorbei – wie im Flug waren die Tage vergangen. Durch den zusätzlichen Dienst hatten sie auch nicht mehr sehr viel unternehmen können. Morgen wollte Jana sich München ansehen, denn wenn Stephanie von 12 Uhr bis 20 Uhr 30 auf Station war, würde sie sich zu Hause nur langweilen. Mit dem Auto war man in knapp eineinhalb Stunden in München, und Stephanie konnte zu Fuß zur Klinik gehen, so dass Jana das Auto nehmen konnte. „Schade“, seufzte Stephanie halblaut vor sich hin. Sie hatte die Zeit mit ihrer engsten Vertrauten sehr genossen, und zweifellos würde sie ihr fehlen. Nach dem Dienst wieder in die leere Wohnung zu kommen, davor graute ihr ein bisschen. Hoffentlich war Britta bald wieder fit. Obwohl sie sich darüber im Klaren war, dass sie gerade diese Dinge, die sie mit Jana durchsprach, mit Britta nicht besprechen würde. Abgesehen davon, dass sie eine Kollegin war und den Patienten kannte, war sie zwar schon eine Freundin, aber so vertraut eben doch noch nicht.
„Wovon träumst du denn?“ Eine Kollegin winkte mit der Hand direkt vor Stephanies Nase hin und her. „Kannst du bitte das Mittagessen austeilen?“ „Was? Ach so, Mittagessen. Ja, klar, kann ich.“ Aus der Traum – wenn sie Michael Aschmann nicht hungern lassen wollte, würde sie sein Zimmer heute doch noch betreten müssen. Sie holte den Tablettwagen aus dem Speiseaufzug und machte sich an die Arbeit. Die Station war immer noch nicht wieder ganz belegt, so dass das Austeilen recht schnell ging. Und wie immer war Zimmer 23 als letztes dran. Stephanie atmete tief durch und öffnete die Tür.
Michael war inzwischen wieder in seinem Bett angekommen, aber der Ausflug zum Röntgen hatte ihn doch sehr angestrengt. Als er Stephanie sah, hellte sich seine Mine auf. „Tut mir Leid, wenn ich Sie vorhin erschreckt habe“, begrüßte er sie jetzt, „das wollte ich nicht. Es war einfach Situationskomik.“ Stephanie musste wider Willen lachen. Er hatte ja Recht, eigentlich war es wirklich einfach nur komisch gewesen, wie sie beinahe auf seinem Schoß gesessen hätte, als sie um die Flurecke stürmte. Bei jedem anderen Patienten hätte sie das von Anfang an genauso gesehen und schon in der Situation herzlich mit ihm zusammen darüber gelacht. Wie dumm hatte sie sich angestellt! Damit machte sie sich doch nur verdächtig. „Stimmt“, gab sie zurück, „das war wirklich lustig. Aber Sie konnten ja gar nichts dafür – ich hatte es furchtbar eilig und habe einfach nicht geguckt, wo ich hinlaufe.“ Gerettet. Das klang überzeugend. „Was ist denn beim Röntgen ‘rausgekommen?“ wechselte sie nun schnell das Thema. „Hab’ ich nicht so ganz verstanden, aber ich hatte den Eindruck, dass es ganz gut aussieht.“ „Das wäre schön, ich würde es Ihnen wirklich wünschen.“ Das war ihre ehrliche Meinung. „Jetzt aber erst mal guten Appetit – sonst wird das fürstliche Mahl hier noch kalt“, ergänzte sie dann. „Ja, und das wäre hier in diesem 5–Sterne–Hotel ja wirklich jammerschade“, antwortete Michael mit einem Augenzwinkern. Stephanie grinste und ging zur Tür.
„Stephanie?“ Sie drehte sich um. „Ja, bitte?“ „Also, ich ...“ er wusste offensichtlich nicht so richtig, wie er sich ausdrücken sollte, und Stephanie wurde es heiß und kalt. Hatte er doch etwas gemerkt und wollte nun gleich die Dinge klarstellen? „Gilt das noch, was Sie vor ein paar Tagen gesagt haben?“ fragte er dann. Sie sah ihn fragend an. „Wenn Sie etwas für mich tun könnten und so ...“ „Ach so. Ja, sicher.“ „Können Sie mir etwas besorgen?“
Der Stein, der ihr vom Herzen purzelte, musste mindestens den Fußboden durchschlagen, so schwer war er. „Gerne. Was denn?“ „Ein Buch ...“ Er räusperte sich. „Eine Bibel.“ Er ärgerte sich über sich selbst, dass es ihm jetzt fast peinlich war, danach zu fragen. Bezeugte man so seinen Glauben? Stephanie schluckte. Sofort musste sie an Britta denken. „Ja klar, das wird sich machen lassen“, antwortete sie dann so natürlich wie möglich. Britta würde ihr bestimmt einen Tipp geben können, wo sie eine solche bekommen würde. Dann erinnerte sie sich an den Hauskreis, in dem eine ganze Reihe verschiedener Exemplare kursierten. „Eine bestimmte?“ fragte sie deshalb und erntete einen erstaunten Blick. „Ja, gerne. Wenn möglich, eine Schlachter.“ „Wie bitte?“ Sie guckte so irritiert, dass Michael lachen musste. „Die ‚Schlachter-Übersetzung’, das ist eine gute Mischung aus moderner Sprache und Textgenauigkeit.“ „Ja, eine Schlachter, alles klar.“ Stephanie tat cool. Gleich nach Dienstschluss würde sie Britta anrufen. Michael suchte in der Nachttisch-Schublade nach seinem Portemonnaie, aber Stephanie winkte ab. „Das können wir besser machen, wenn ich eine gefunden habe. Ich weiß ja nicht, was die genau kostet. Gibt’s ein Preislimit?“ Michael schüttelte den Kopf. Hauptsache, er bekam endlich wieder eine Bibel in die Hand. Die durfte ruhig etwas kosten.
* * *
Jana raufte sich die Haare. Kaum war Stephanie nach Hause gekommen, griff sie zum Telefon und wählte Brittas Nummer. Als sie nach ein paar Begrüßungssätzen nach einer Bibel fragte, bekam Jana den Mund nicht mehr zu. Britta am anderen Ende der Leitung zeigte sich nicht weniger erstaunt, aber im Gegensatz zu Jana erfreut. Doch im nächsten Satz erklärte Stephanie sowohl ihrer Gesprächspartnerin als auch der Zuhörerin, was sie damit wollte. Jana machte den Mund wieder zu. Zum Glück, nur für einen Patienten.
„Für welchen denn?“ wollte sie gespielt fragen, als ihr im letzten Moment einfiel, dass Britta das auch hören würde und sie damit ihre Freundin in eine unangenehme Situation bringen würde. Unnötig, wie sich gleich darauf herausstellte. Britta hatte ihr die Frage abgenommen. „Herr Aschmann“, antwortete Stephanie, und auch, wenn Jana den Namen noch nie gehört hatte, wusste sie, um wen es sich handelte. Sie machte Faxen vor Stephanies Nase und genoss es, dass die sich nicht wehren konnte, wenn sie nichts verraten wollte. Und das wollte sie nicht, dessen war sich Jana sicher.
Die beiden Kolleginnen sprachen noch eine Weile miteinander, und als sie auflegten, wurde Jana, ehe sie sich versah, gewürgt. „Zur Strafe musst du jetzt mit mir eine Bibel kaufen gehen.“ Jana verdrehte wieder einmal die Augen und wusste, dass sie verloren hatte. „Versprochen ist versprochen“, meinte Stephanie nur. „Was hab’ ich dir versprochen?“ Jana war sich keiner Schuld bewusst. „Du mir nichts – das wäre ja auch ganz ‘was Neues. Aber ich dem Patienten.“ „Okay, okay. Ich sag’ ja schon nichts mehr!“ „Dein Glück“, gab Stephanie nur zurück. „Aber erst brauch’ ich eine Tasse Kaffee, sonst schlafe ich im Gehen ein.“ Dieser Wunsch entsprach ganz Janas Vorstellung, und so wurde die Kaffeemaschine gefüllt und einige Stücke Kuchen aus dem Gefrierschrank in die Mikrowelle verlagert. Ein Lob auf die Technik!
Zwei Stunden später betraten die beiden jungen Frauen zum ersten Mal in ihrem Leben eine christliche Buchhandlung. Bisher hatten sie nicht einmal geahnt, dass es so etwas explizit gibt, und Jana konnte es auch jetzt nicht lassen, den freundlich und gemütlich eingerichteten Laden als „dennoch überflüssig“ zu bezeichnen. Stephanie verkniff sich eine Antwort und fragte stattdessen direkt an der Kasse nach einer Schlachter-Bibel. Die Verkäuferin führte sie an ein Regal und zeigte auf eine Reihe unterschiedlicher Bücher: „Das sind alles Schlachter-Übersetzungen. Schauen Sie sich gerne in Ruhe um, und wenn Sie Fragen haben, bin ich gerne da.“ Stephanie bedankte sich und zog nacheinander ein paar Bibeln aus der Reihe. Wie auch im Hauskreis, sahen die Bücher äußerlich alle unterschiedlich aus, doch die Titel-Aufschrift war immer dieselbe: Die Bibel.
Stephanie tat wissend, blätterte in einigen Ausgaben und warf dabei auch einen Blick auf die Preise. Da sie keinen großen Unterschied ausmachen konnte, entschied sie sich für die bunte Ausgabe. Die schwarze passte nicht zu Michael Aschmann, und für die kleine würde er eine Lupe brauchen ... Als sie den Laden verließen, musste sie diesen Gedanken grinsend an Jana weitergeben, die nur trocken antwortete: „Und wenn sie chinesisch wäre, das würde auch keiner merken.“ Stephanie fand das gar nicht witzig. „Was glaubst du, warum er eine haben will? Sicher nicht als Brotpapier.“ „Ist ja schon gut“, beschwichtige Jana. Sie würde sich daran gewöhnen müssen, dass Stephanie beim Thema Bibel leicht reizbar wurde und in Verteidigerstellung ging. Außerdem ging es um einen Mann, für den Stephanie sich offensichtlich interessierte, auch wenn sie es nicht zugeben wollte. Jana war auf der Hut.
Aber irgendwie musste sie die Freundin doch zur Vernunft bringen. Sie beschloss, sich eingehender mit dem Thema zu beschäftigen, um Fakten auf den Tisch legen zu können, die eindeutig bewiesen, dass der ganze Spuk mit der Bibel nichts als Humbug war. Im Internet würde sich da bestimmt etwas finden. Und dann musste auch Stephanie zugeben, dass sie besser die Finger davon ließ. Jana war so begeistert von ihrer Idee, dass sie beinahe die Freundin angestoßen und ihr davon erzählt hätte. Im letzten Moment wurde ihr bewusst, dass das in diesem Fall nicht so günstig war. „Und was machen wir jetzt mit dem angebrochenen Tag?“ fragte sie stattdessen. Stephanie zuckte die Schultern. „Mach mal ‘nen Vorschlag“, antwortete sie, „es ist im Grunde unser letzter gemeinsamer Abend.“ Jana nickte. „Ja, leider. Wie wär’s später mit einer Abschiedsparty in der nächsten Disco?“ „Hm“, Stephanie überlegte. „Da war ich schon ewig nicht mehr. Könnte man machen, aber ich muss erst rausfinden, wo eine ist.“ Schon wieder ... Jana glaubte es kaum. In Hamburg waren beide zwar nicht ständig, aber doch einigermaßen regelmäßig ca. einmal im Monat in ihrer Stammdiskothek gewesen. Jetzt wohnte Stephanie schon seit ein paar Monaten hier unten und kannte keine Disco? Irgendwie musste die Luft hier anders sein, eine andere Erklärung fand Jana nicht für all die seltsamen Verwandlungen ihrer Freundin.
Zu Hause schlug Jana das Telefonbuch auf und suchte nach einer Diskothek. In Bad Reichenhall wurde sie fündig. „Wer sagt’s denn?“ freute sie sich und legte Stephanie das Buch vor die Nase. Die war zwar nicht begeistert darüber, erst nach Reichenhall fahren zu müssen, denn das waren auch gut 30 km, und vor allem durfte dann eine von ihnen höchstens ein Bier trinken. Sie ahnte, wer das sein würde. Aber sie wollte Jana den Gefallen auch gerne tun, denn die hatte hier einiges an Neuheiten ertragen müssen. Eine Disco war etwas Vertrautes für sie, und Stephanie selbst ging ja auch selbst gerne tanzen. Vorher konnte man noch mal gemütlich etwas essen gehen – auch das zum Abschied, um sich dann für ein paar Stunden ins Nachtleben von Bad Reichenhall zu stürzen. Morgen hatte sie Spätdienst, da konnte sie ausschlafen.
* * *
Was war das? Irgendetwas Hartes lag neben Michael im Bett. Er tastete danach und fand ein Buch. Eine Sekunde stutzte er, dann wurde ihm klar, wo es herkam. Er musste nach dem Mittagessen eingeschlafen sein, denn er hatte niemanden kommen gehört. Freudig griff er nach seiner neuen Bibel. Eine Haftnotiz in Form einer Musiknote klebte vorne auf dem Einband: „Viel Spaß beim Lesen“, stand handschriftlich darauf und ein gemalter Smiley lächelte ihn an. Ein warmes Gefühl durchflutete ihn. Da entstand gerade etwas, das über die reine Dienstleistung einer Krankenschwester hinausging. Er musste sich eingestehen, dass ihm das gefiel. Woher wusste Schwester Stephanie, dass er Musik liebte? Oder war es nur ein Zufall?
Eigentlich konnte es nicht anders sein, denn sie hatten nie darüber gesprochen, und mit seinen Personalien hatte das ja nun rein gar nichts zu tun. Ob sie auch Musik machte? Ob sie vielleicht sogar Christ war? Er wollte es nicht ausschließen. Seine Frage nach der Bibel hatte sie jedenfalls in einer Weise kommentiert, die Kenntnis in irgendeiner Form voraussetzte. Er ertappte sich dabei, dass er tief innen drin hoffte, es würde so sein. Stephanie war immer sehr freundlich zu ihm, und er fühlte sich zu ihr hingezogen. Ob sie vielleicht auch ... „Quatsch, Micha“, schalt er sich jetzt selbst, „es ist der Job einer Krankenschwester, freundlich zu den Patienten zu sein.“
Er wusste, dass das nur bedingt stimmte und es auch ganz andere Kaliber in diesem Berufsstand gab, aber zum Glück nicht auf dieser Station. Trotzdem – der Tag, an dem er mit den Nerven am Ende gewesen war, hatte irgendetwas zwischen ihnen wachsen lassen. Seither wechselten sie immer auch ein paar privatere Worte – freilich nicht so privat, dass er sich ernsthafte Hoffnungen machte. Ob Christ oder nicht – wahrscheinlich war sie sowieso gebunden. Krankenschwestern trugen auf Station keine Eheringe, da Schmuck aus hygienischen Gründen gänzlich untersagt war. Das hatte er einmal von einer Bekannten in der Gemeinde erfahren.
Sein Blick ging wieder zu der Bibel in seiner Hand. Er griff zur Klingel. Wenigstens bedanken wollte er sich – und natürlich bezahlen. Zwei Minuten später kam Stephanie durch die Tür. „Gott sei Dank!“ entfuhr es Michael. Stephanie hob fragend die Augenbrauen. Michael musste lachen. „Nun, wenn jetzt eine andere Schwester gekommen wäre, hätte ich ihr nicht sagen können, warum ich geklingelt habe. Das wäre bestimmt peinlich geworden.“ Dann hob er die Bibel hoch. „Danke!“ betonte er. „Sie wissen gar nicht, welche Freude Sie mir damit gemacht haben.“ „Das war keine große Leistung, und ich hab es gerne gemacht“, antwortete sie ehrlich. „Was bekommen Sie?“ Michael zückte schon seinen Geldbeutel, und Stephanie nannte den Preis. „Die ist auch nett“, wechselte Michael dann das Thema und zeigte auf die Note. „Machen Sie Musik?“ „Nee, nicht wirklich.“ Stephanie schüttelte den Kopf. „Ich hab’ als Kind ‘mal angefangen, Klavier zu spielen, aber nach einem halben Jahr hatte ich keine Lust mehr. Jetzt find’ ich’s schade, aber das ist wohl zu spät.“
„Gar nichts ist zu spät“, widersprach Michael energisch. Wenn ich nicht so weit weg wohnen würde, würde ich Ihnen jetzt anbieten, es zu erneuern.“ Stephanie wurde schon wieder rot. Schnell sah sie aus dem Fenster. „Ich glaube, das wäre hoffnungslos“, meinte sie, um dann den Faden aufzugreifen: „So weit weg? Wo wohnen Sie denn?“ „In Frankfurt.“ „Ja, das ist wirklich ein bisschen weit weg. Aber ich habe auch kein Klavier mehr, und das würde auch niemand in meine Dachgeschosswohnung bringen können.“ Sie musste lachen bei der Vorstellung: „Wendeltreppe.“ Michael stimmte zu: „Das geht dann wirklich nur als Kleinholz. Aber es gibt gute E–Pianos heutzutage. Die kriegt man auch über eine Wendeltreppe.“ Stephanie winkte ab. „Vielleicht. Aber dann hätte ich auch nur einen Staubfänger mehr.“ Dann wurde ihr bewusst, was er vorher gesagt hatte. „Aber Sie können offensichtlich mit so einem Ding richtig gut umgehen!?“ „Naja, was heißt schon richtig gut. Ich kriege ein paar Töne raus und kann auch ein paar Lieder begleiten.“ Er untertrieb maßlos, was Stephanie natürlich erahnte. „Nun ja“, meinte sie trocken, „wenn Sie es jemandem beibringen können, wird es wohl ein bisschen mehr sein.“ Michael grinste vielsagend, äußerte sich aber nicht weiter dazu.
Als Stephanie das Zimmer wieder verließ, war Michael ein bisschen schlauer geworden. Sie hatte von ihrer Wohnung in der Einzahl gesprochen, das klang nicht nach Ehemann oder gar Familie. Wieder spürte er ein wohliges Gefühl in der Herzgegend. Wohin würde das jetzt führen? Er rief sich selbst zur Vernunft. Erst einmal herausfinden, ob es nicht doch einen Partner in ihrem Leben gab. Sollte sie wirklich Christ sein, würde sie vermutlich nicht mit diesem zusammen wohnen. Und er wollte auf keinen Fall in eine Partnerschaft eindringen – noch nicht einmal in Gedanken. Und ob sie Christ war, wusste er ja auch überhaupt noch nicht. Wenn nicht, dann hätte eine Beziehung keine Chance. Eine Ehe ohne Gott konnte und wollte er sich nicht vorstellen. Und eine Beziehung würde er wiederum nur mit dem Ziel Ehe eingehen wollen – für andere „Spielchen“, wie er es nannte, war er zu alt, fand er. „Ehe! Jetzt ist aber wirklich Schluss!“ Er hatte laut mit sich selbst geschimpft und war im selben Moment froh, dass niemand anders im Zimmer war. Da lag er im Krankenhaus, eine Schwester war nett und wechselte ein paar private Worte mit ihm, und er dachte an Ehe. Er griff zur Bibel und schlug sie auf. So würde er am ehesten wieder auf vernünftige Gedanken kommen.